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VwGH vom 20.09.2001, 2000/11/0235

VwGH vom 20.09.2001, 2000/11/0235

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des JH in H, vertreten durch Dr. Günther Nagele, Rechtsanwalt in 4910 Ried i. I., Dietmarstraße 7, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom , Zl. VerkR-393.914/2-2000- Vie/Hu, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenkraftfahrzeugen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.180,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 7 Abs. 2 und 4, § 24 Abs. 1 und § 25 Abs. 1 und 3 Führerscheingesetz - FSG die Lenkberechtigung für die Klasse B für die Dauer von 24 Monaten, gerechnet ab der am erfolgten Zustellung des Mandatsbescheides, entzogen. Gemäß § 32 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. wurde ihm für die selbe Zeit das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenkraftfahrzeugen verboten.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei mit dem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 erster Fall und des Vergehens nach § 27 Abs. 1 Suchtmittelgesetz schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt worden. Er habe den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge durch Anbau und Ernten von Cannabispflanzen erzeugt, und zwar mit (seinem Bruder) L. im Jahr 1998 ca. 1000 g Cannabiskraut und mit (seinem Bruder) L. und (seinem Vater) J. in der Zeit von Frühjahr bis September 1999 4514,7 g Cannabiskraut (Reinsubstanz 138 +/- 16,9 g Delta 9 THC). Weiters habe er mit (seinem Bruder) L. in der Zeit von 1996 bis September 1999 Suchtgift, nämlich Cannabisharz und Cannabiskraut erworben und besessen sowie an W. und unbekannt gebliebene Personen weitergegeben.

Es liege somit eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 4 Z. 5 FSG vor. Bei der gemäß § 7 Abs. 5 FSG vorzunehmenden Wertung sei zu beachten, dass Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz besonders verwerflich seien, weil der Täter die Möglichkeit der Suchtgiftabhängigkeit und des Siechtums einer für ihn nicht überschaubaren Zahl von Menschen in Kauf nehme. Ein solches Verhalten stelle für die Menschen eine immense Gefahr dar. Aus dem Verhalten des Beschwerdeführers sei auf eine gefährliche Neigung zur Begehung von Suchtgiftdelikten zu schließen. Das Inverkehrsetzen von Suchtgift werde durch die Verwendung eines Kraftfahrzeuges erheblich erleichtert. Die Zeit zwischen der (nicht freiwilligen) Beendigung des strafbaren Verhaltens am 5. bzw. bis zur Einleitung des Entziehungsverfahrens am sei zu kurz, um zugunsten des Beschwerdeführers ins Gewicht zu fallen. Der Beschwerdeführer werde die Verkehrszuverlässigkeit erst nach Ablauf der festgesetzten Entziehungszeit von 24 Monaten wiedererlangen. Die Tatsache, dass die verhängte Haftstrafe lediglich bedingt ausgesprochen worden sei, sei bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit ohne Relevanz. Die Erstbehörde habe mit Recht - zur Abrundung des Persönlichkeitsbildes des Beschwerdeführers - länger zurückliegende Alkoholdelikte (das letzte datiere aus dem Jahre 1991) berücksichtigt. Das Gleiche gelte für die mit Bescheid der Erstbehörde vom erfolgte Androhung der Entziehung der Lenkberechtigung, wenngleich der der Androhung zugrunde liegende Anlassfall nicht als bestimmte Tatsache gewertet werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die für den Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des FSG

lauten (auszugsweise) wie folgt:

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...

2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),

...

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7.

...

(2) Als nicht verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 4) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart sich weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden.

...

(4) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 2 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand

...

5. eine strafbare Handlung gemäß § 12 Suchtgiftgesetz 1951, BGBl. Nr. 160/1952 begangen hat.

(5) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

...

5. Abschnitt

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

...

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

...

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. Wurden begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 angeordnet, endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung.

...

Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen

§ 32. (1) Personen, die nicht im Sinne des § 7 verkehrszuverlässig oder nicht gesundheitlich geeignet sind, ein Motorfahrrad, ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug oder ein Invalidenkraftfahrzeug zu lenken, hat die Behörde unter Anwendung der §§ 24 Abs. 4, 25 Abs. 1, 26 und 29 Abs. 1 bis 3 entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit das Lenken eines derartigen Kraftfahrzeuges

1. ausdrücklich zu verbieten,

..."

Vorauszuschicken ist, dass zufolge § 46 Suchtmittelgesetz - SMG der in § 7 Abs. 4 Z. 5 FSG enthaltene Verweis auf § 12 Suchtgiftgesetz 1951 mit dem Inkrafttreten des SMG () auf § 28 SMG zu beziehen ist (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/11/0129, mwN). Auf Grund der Bindung der belangten Behörde an das rechtskräftige Strafurteil hatte sie davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die strafbaren Handlungen, derentwegen er verurteilt wurde, begangen hat. Sie hat daher mit Recht das Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 4 Z. 5 FSG angenommen.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, zur Zeit der Erlassung des Mandatsbescheides verkehrsunzuverlässig gewesen zu sein, er meint jedoch, die Entziehungsdauer hätte nicht mit mehr als sechs Monaten festgesetzt werden dürfen. Er bekämpft in diesem Zusammenhang die Heranziehung der Wertungskriterien des § 7 Abs. 5 FSG, weil in dieser Gesetzesstelle von bestimmten Tatsachen gemäß § 7 Abs. 4 leg. cit. keine Rede sei.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde mit Recht für die Wertung der bestimmten Tatsache die in § 7 Abs. 5 FSG genannten Wertungskriterien herangezogen. Es stellt ein offenkundiges legistisches Versehen dar, das im Wege der Auslegung zu korrigieren ist, wenn in § 7 Abs. 5 FSG nur von bestimmten Tatsachen nach § 7 Abs. 3 leg. cit. die Rede ist. Dies ergibt sich schon aus § 7 Abs. 2 leg. cit., wonach auch bestimmte Tatsachen nach § 7 Abs. 4 leg. cit. im Sinne des § 7 Abs. 5 leg. cit. zu werten sind (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/11/0188). Dieselben Wertungskriterien sind auch für die von der Behörde zu erstellende Prognose, wann der Betreffende die Verkehrszuverlässigkeit wiedererlangen wird, maßgebend.

Der belangten Behörde ist einzuräumen, dass die bedingte Strafnachsicht durch das Gericht nicht bedeutet, dass damit bereits die Verkehrszuverlässigkeit des Betreffenden anzunehmen ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat mehrfach ausgesprochen, dass die Verhängung einer bedingten Strafe bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit keine entscheidende Rolle spielt (siehe dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/11/0166, mwN). Diese Rechtsprechung hat ihren Grund darin, dass sich die von der Behörde bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit zu berücksichtigenden Gesichtspunkte nicht mit jenen zur Gänze decken, die für das Gericht bei der Entscheidung betreffend die bedingte Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 1 StGB von Bedeutung sind. So sind z.B. für die von der Kraftfahrbehörde zu treffende Entscheidung das Ausmaß der Freiheitsstrafe sowie Gesichtspunkte der Generalprävention nicht maßgebend. Soweit aber in § 43 Abs. 1 StGB von der Art der Tat, der Person des Rechtsbrechers, seiner Schuld, seinem Vorleben und seinem Verhalten nach der Tat die Rede ist, kann es sich dabei im Einzelfall sehr wohl um Umstände handeln, welche die in § 7 Abs. 5 genannten Wertungskriterien, insbesondere die Verwerflichkeit der strafbaren Handlung sowie die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit betreffen.

Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz sind zwar wegen der damit verbundenen Gefahr für die Gesundheit von Menschen verwerflich. Dies führt aber nicht dazu, dass jedenfalls - ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles - eine Entziehungsdauer von mehreren Jahren festzusetzen ist. Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass sich das vom Beschwerdeführer begangene Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz ausschließlich auf Cannabiskraut bezogen hat, das - insbesondere was die Eignung, Gewöhnung hervorzurufen - zu den weniger gefährlichen Suchtmitteln gehört. Dies hat letztlich Einfluss auf die Verwerflichkeit der Straftat und damit auf die Entziehungsdauer (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/11/0200, mwN).

Der Beschwerdeführer weist auch zutreffend darauf hin, dass nach den Sachverhaltsfeststellungen des Urteiles des Landesgerichtes Ried i. I. vom das Cannabiskraut zum Eigenkonsum des Beschwerdeführers und seines Bruders L. bestimmt war. Die belangte Behörde hat keine gegenteiligen Sachverhaltsfeststellungen getroffen. Soweit sie in der Gegenschrift dazu ausführt, der Beschwerdeführer sei auch schuldig erkannt worden, Cannabisharz und Cannabiskraut an W. und unbekannt gebliebene Personen weitergegeben zu haben, hat sie damit die genannte Sachverhaltsfeststellung im Strafurteil nicht widerlegt, weil die Bestimmung zum Eigengebrauch nicht die gelegentliche (insbesondere unentgeltliche) Überlassung von kleinen Mengen im Bekannten- und Freundeskreis ausschließt. War aber die große Suchtgiftmenge zum Eigenkonsum bestimmt, hat dies Einfluss auf das Wertungskriterium der Verwerflichkeit, weil die Gefahr für die Gesundheit anderer Personen in einem solchen Fall wesentlich geringer zu veranschlagen ist als im Falle der Erzeugung einer großen Suchtgiftmenge mit der Absicht, sie in Verkehr zu setzen. Das vom Beschwerdeführer begangene Verbrechen nach dem SMG ist auch weitaus weniger verwerflich als z.B. die langjährige entgeltliche Überlassung von Suchtgift in einer Menge gemäß § 28 Abs. 4 Z. 3 SMG (vgl. dazu den dem oben zitierten Erkenntnis vom zugrunde liegenden Beschwerdefall).

Zusammenfassend ist die Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei zum Zeitpunkt der Erlassung des Mandatsbescheides und auch noch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides als verkehrsunzuverlässig anzusehen, nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die mit zwei Jahren bemessene Entziehungsdauer erweist sich aber als zu lange. Unter Berücksichtigung der zuvor genannten Erwägungen ist nach der Lage des Beschwerdefalles mit der Wiederherstellung der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers in einer wesentlich kürzeren Frist (die nicht das Erlöschen der Lenkberechtigung gemäß § 27 Abs. 1 Z. 1 FSG zur Folge hat) zu rechnen. Die von der belangten Behörde erwähnten viele Jahre zurückliegenden Alkoholdelikte des Beschwerdeführers sind für die Beurteilung seiner Verkehrszuverlässigkeit von völlig untergeordneter Bedeutung, insbesondere weil es im Beschwerdefall nicht um die Beurteilung einer Sinnesart gemäß § 7 Abs. 1 FSG geht. Das Gleiche gilt für ein nicht näher umschriebenes Verhalten des Beschwerdeführers, welches zu einer Androhung der Entziehung der Lenkberechtigung geführt haben soll. Worum es sich dabei konkret handeln soll, ist den vorgelegten Verwaltungsakten nicht zu entnehmen.

Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz war abzuweisen, weil der Beschwerdeführer mit der Beschwerde nur die Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG, nicht aber Beilagengebühr zu entrichten hatte (siehe § 14 TP 5 Abs. 1 in Verbindung mit TP 6 Abs. 5 Z. 1 Gebührengesetz 1957).

Wien, am