VwGH vom 27.02.2002, 2001/03/0308
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des FT in F, vertreten durch Dr. Barbara Jantscher, Rechtsanwältin in 8330 Feldbach, Hauptplatz 7/II, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 303.17-9/2001-11, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe am um 9.38 Uhr im Gemeindegebiet von F, auf der Straße vorbeiführend am Wohnhaus Schiefer Nr. 39, seinen Pkw mit einem näher bezeichneten Kennzeichen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt. Der Test am geeichten Alkomaten habe einen Alkoholgehalt der Atemluft von 0,81 mg/l ergeben. Dadurch habe er § 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO 1960 verletzt. Gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 16.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 22 Tage und 12 Stunden) verhängt.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und erstattete eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159 (StVO 1960), gilt dieses Bundesgesetz für Straßen mit öffentlichen Verkehr. Als solche gelten Straßen, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können.
Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. gilt im Sinne dieses Bundesgesetzes als Straße eine für den Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr bestimmte Landfläche samt den in ihrem Zuge befindlichen und diesem Verkehr dienenden baulichen Anlagen.
Der Beschwerdeführer bestreitet, dass die tatgegenständliche Straße eine "Straße mit öffentlichen Verkehr" sei. Er macht geltend, dass sie ausschließlich über seinen Privatgrund verlaufe und fernab von öffentlichen Wegen liege. Die Straße sei nur etwa 50 m lang, knapp 2,5 m breit und ende auf Höhe des nördlichen Endes seines Wohnhauses. Der aufgebrachte Asphaltbelag sei schadhaft. Der Weg diene ausschließlich der Zufahrt zu seinen Gebäuden, sonstige Gebäude wie z. B. Nachbarhäuser befänden sich dort nicht. Weiters macht er geltend, dass die asphaltierte Fläche vor seinem Haus, auf welcher die Anhaltung erfolgt sei, auch anderen Zwecken diene, wie z. B. als Manipulationsfläche für die Verrichtung landwirtschaftlicher Tätigkeiten, weshalb es sich nicht einmal um eine Straße im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 StVO 1960 handle. Der von der asphaltierten Fläche weiterführende Waldweg sei zum Befahren mit Pkws nicht geeignet, sodass niemand davon ausgehen könne, dass diese asphaltierte Fläche für den öffentlichen Verkehr zur Benutzung offen stehe. Richtig sei zwar, dass keine Abschrankungen oder Tafeln aufgestellt seien, die eine Benutzung der Straße verbieten würden, dies sei jedoch in einer ländlichen Gegend mit vereinzelt stehenden Häusern und großem Grundbesitz der ansässigen Eigentümer gänzlich unüblich und unzweckmäßig. In stärker besiedelten Gegenden oder im städtischen Bereich dagegen seien Zäune, Abschrankungen oder Tore und Tafeln durchaus zweckmäßig und üblich, um Privatflächen von unmittelbar anschließenden öffentlichen Verkehrsflächen abzugrenzen. Nur auf solche Fälle beziehe sich auch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit Abschrankungen und Tafeln. Auf dieses Kriterium (Absperrungen oder Hinweistafeln) könne daher im gegenständlichen Fall nicht abgestellt werden, sondern sei die vorliegende Fläche auch nach der tatsächlichen Benutzbarkeit und Benutzung und nach dem äußeren Anschein zu beurteilen.
Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer nicht im Recht. Gemäß der angeführten Legaldefinition ist für den Begriff einer Straße maßgebend, dass es sich um eine für den Fahrzeugverkehr oder für den Fußgängerverkehr bestimmte Landfläche handelt, wobei unter Fahrzeugverkehr sowohl der fließende als auch der ruhende Verkehr zu verstehen sind. Nur weil auf einer für den Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr bestimmten Landfläche auch landwirtschaftliche Tätigkeiten mit landwirtschaftlichen Geräten verrichtet werden, kann ihr deshalb der Charakter einer Straße nicht abgesprochen werden. Straßen mit öffentlichem Verkehr sind gemäß § 1 Abs. 1 zweiter Satz StVO 1960 solche, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benutzt werden können. Nach der hg. Judikatur (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/03/0192, mwN) kann eine Straße dann von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden, wenn sie nach dem äußeren Anschein zur allgemeinen Benützung freisteht. Für die Widmung als Straße mit öffentlichem Verkehr ist ein Widmungsakt nicht erforderlich und es kommt auch nicht auf die Eigentumsverhältnisse am Straßengrund an, d. h. also nicht darauf, ob die betreffende Landfläche ganz oder teilweise im Privateigentum steht. Es kann daher grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass es sich bei einer Straße dann um eine solche mit öffentlichem Verkehr handelt, wenn sie weder abgeschrankt noch als Privatstraße gekennzeichnet ist, noch auf dieser auf die Beschränkung des öffentlichen Verkehrs hinweisende Tafeln aufgestellt sind. Auch kann aus dem Umstand, dass eine Straße nur von einer bestimmten Gruppe von Verkehrsteilnehmern benutzt wird, nicht geschlossen werden, dass es sich um eine Straße ohne öffentlichen Verkehr handelt. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist die vom Verwaltungsgerichtshof für erforderlich erachtete Abschrankung bzw. besondere Kennzeichnung einer Straße als Privatweg, um den öffentlichen Verkehr auszuschließen, nicht nur für stärker besiedelte Gegenden oder im städtischen Bereich, sondern ganz allgemein von Bedeutung. Eine solche Abschrankung bzw. eine Kennzeichnung als Privatstraße bzw. eine auf die Beschränkung des öffentlichen Verkehrs hinweisende Tafel bestand am Beginn der Straße auf dem Grundstück des Beschwerdeführers unbestritten nicht. Nach dem äußeren Anschein stand somit die verfahrensgegenständliche Zufahrt zum Haus des Beschwerdeführers zur allgemeinen Benützung offen. Das vorliegende Straßenstück bis zum Haus des Beschwerdeführers wurde daher zu Recht als Straße mit öffentlichen Verkehr qualifiziert. Es kann dahingestellt bleiben, ob über dieses Straßenstück sogar eine Verbindung durch den Wald zu der nördlich gelegenen B 57 gegeben ist.
Aus diesem Grund ist auch im Unterbleiben des beantragten Lokalaugenscheins zur Feststellung des privaten Charakters der Straße kein Verfahrensmangel zu erblicken.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist im vorliegenden Fall für die Auslegung des Begriffes "Straße mit öffentlichem Verkehr" ausschließlich die Definition der StVO 1960 und nicht die des Stmk. Landesstraßenverwaltungsgesetzes relevant.
Dem Einwand des Beschwerdeführers, dass für den Fall der Qualifikation der tatgegenständlichen Straße als Straße mit öffentlichen Verkehr seinerseits jedenfalls ein entschuldbarer Rechtsirrtum vorliege, ist entgegenzuhalten, dass die Unkenntnis eines Gesetzes oder eine irrige Auslegung eines Gesetzes nur dann als unverschuldet angesehen werden kann, wenn jemandem die Verwaltungsvorschrift trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist. Die Unkenntnis oder irrige Auslegung von Bestimmungen der StVO kann beim Beschwerdeführer als befugtem Lenker eines Kraftfahrzeuges nicht als unverschuldet angesehen werden (vgl. die bei Walter - Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Band II, 2. Auflage, unter E. 166 und 201 zu § 5 VStG angeführte Judikatur).
Auch der Einwand des Beschwerdeführers, er sei nur mit einem Teil seines Fahrzeuges, nämlich mit den beiden Hinterrädern, auf die asphaltierte Verkehrsfläche gelangt und habe diese daher nicht benützt, ist nicht von Bedeutung. Das Lenken eines Fahrzeuges im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO 1960 setzt nämlich nicht voraus, dass sich das Fahrzeug zur Gänze auf einer öffentlichen Verkehrsfläche befindet (vgl. das zu § 5 Abs. 2 StVO 1960 ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/03/0431). Daher ist es bereits als ein Lenken eines Fahrzeuges auf einer öffentlichen Verkehrsfläche zu qualifizieren, wenn sich der Pkw des Beschwerdeführers auch nur mit den beiden Heckrädern auf der öffentlichen Verkehrsfläche befunden hat. Aus dem vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten hg. Erkenntnis vom , VwSlg. Nr. 10.018/A, kann im vorliegenden Fall nichts Gegenteiliges abgeleitet werden, da in diesem Fall durch die Absperrung mittels eines Schrankens die Benützung der Straße mit öffentlichem Verkehr verhindert wurde (auch wenn die Motorhaube unter dem Schranken hindurch bereits auf die Straße mit öffentlichem Verkehr ragte), welchem Umstand der Verwaltungsgerichtshof für die Frage des Benützens einer öffentlichen Verkehrsfläche maßgebliche Bedeutung zuerkannte.
Da sich die Beschwerde somit zur Gänze als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am