VwGH 30.05.2001, 2000/11/0101
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | Übk Mehrfache Staatsangehörigkeit Verminderung Militärdienstpflicht Art5 Abs1; Übk Mehrfache Staatsangehörigkeit Verminderung Militärdienstpflicht Art6 Abs1; WehrG 1990 §36a Abs1 Z2; |
RS 1 | Voraussetzung für die meritorische Entscheidung über einen Antrag auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes ist, dass der Antragsteller präsenzdienstpflichtig ist. Ein Antrag einer nicht der Präsenzdienstpflicht unterliegenden Person ist zurückzuweisen. |
Normen | Übk Mehrfache Staatsangehörigkeit Verminderung Militärdienstpflicht Art5 Abs1; Übk Mehrfache Staatsangehörigkeit Verminderung Militärdienstpflicht Art6 Abs1; Übk Mehrfache Staatsangehörigkeit Verminderung Militärdienstpflicht Art6 Abs3; WehrG 1990 §28 Abs1; WehrG 1990 §36a Abs1 Z2; |
RS 2 | Die Möglichkeit, dass der Beschwerdeführer,der die österreichische und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt und seinen Hauptwohnsitz in Deutschland hat, noch vor Vollendung des 35. Lebensjahres seinen ordentlichen Wohnsitz wieder nach Österreich verlegt und damit - soferne er nicht im Sinne des Art. 6 Abs. 3 des Übereinkommens über die Verminderung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit und über die Militärdienstpflicht in Fällen mehrfacher Staatsangehörigkeit, BGBl. Nr. 471/1975, seine Militärdienstpflicht gegenüber Deutschland erfüllt hat - gegenüber Österreich militärdienstpflichtig und damit präsenzdienstpflichtig wird und gemäß § 28 Abs. 1 WehrG 1990 zum Grundwehrdienst einberufen werden kann, ist zwar nicht auszuschließen, bietet aber keine Grundlage, über seinen Antrag auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes von einer im Zeitpunkt der Entscheidung - die in diesem Zeitpunkt bestehende Sach- und Rechtslage ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides maßgebend - nicht bestehenden Präsenzdienstpflicht meritorisch abzusprechen. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Mag. D (BRD), vertreten durch Dr. Farid Rifaad, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom , Zl. 794.226/5-2.7/98, betreffend Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes gemäß § 36a Abs. 1 Z. 2 Wehrgesetz 1990 - WG abgewiesen. In der Begründung vertrat die belangte Behörde die Auffassung, die vom Beschwerdeführer geltend gemachten, aus seiner Beteiligung an einer GmbH mit Sitz in Deutschland abgeleiteten Interessen seien nicht besonders rücksichtswürdig, weil er gegen die Obliegenheit, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten so einzurichten, dass einer Einberufung keine vorhersehbaren Schwierigkeiten entgegenstehen, verstoßen habe. Die aus der Unterstützungsbedürftigkeit seines Vaters im Zusammenhang mit der Geschäftsführung des Unternehmens abgeleiteten familiären Interessen seien nicht besonders rücksichtswürdig, weil dem Vater des Beschwerdeführers entsprechende Maßnahmen zumutbar gewesen seien, für eine Vertretung des Beschwerdeführers während der Leistung des Grundwehrdienstes zu sorgen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer besitzt die deutsche und die österreichische Staatsbürgerschaft. Nach der Aktenlage und auch nach den Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Bescheid hat der Beschwerdeführer seit dem Jahreswechsel 1997/98 seinen Hauptwohnsitz in Deutschland. Sowohl Österreich als auch die Bundesrepublik Deutschland gehören dem Übereinkommen über die Verminderung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit und über die Militärdienstpflicht in Fällen mehrfacher Staatsangehörigkeit, BGBl. Nr. 471/1975, an.
Da die Frage, ob der Beschwerdeführer im Hinblick auf seine Doppelstaatsbürgerschaft und seinen ordentlichen Wohnsitz in Deutschland nach dem genannten Übereinkommen in Österreich überhaupt präsenzdienstpflichtig ist, im angefochtenen Bescheid sowie in der Beschwerde und in der Gegenschrift nicht erörtert wurde, wurde den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens mit Berichterverfügung vom Gelegenheit gegeben, sich zu dieser Frage zu äußern.
Die belangte Behörde hat die Auffassung vertreten, die Wehrpflicht werde durch das genannte Abkommen nicht berührt. Im Hinblick auf seinen ordentlichen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland könne der Beschwerdeführer nicht zur Leistung des Grundwehrdienstes in Österreich herangezogen werden. Wenn er jedoch seinen ordentlichen Wohnsitz wieder nach Österreich verlege, könne er bis zur Vollendung des 35. Lebensjahres noch zum Grundwehrdienst herangezogen werden, zumal er in Deutschland keinen Grundwehrdienst geleistet habe.
Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, da er in Deutschland nicht mehr wehrpflichtig sei, sei er zufolge Art. 6 Abs. 3 des Abkommens auch in Österreich nicht präsenzdienstpflichtig.
Die für den Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des genannten Abkommens lauten (in der deutschen Übersetzung) wie folgt:
"KAPITEL II
ERFÜLLUNG DER MILITÄRDIENSTPFLICHT IN
FÄLLEN MEHRFACHER STAATSANGEHÖRIGKEIT
ARTIKEL 5
(1) Wer die Staatsangehörigkeit von zwei oder mehreren Vertragsparteien besitzt, braucht seine Militärdienstpflicht nur gegenüber einer dieser Vertragsparteien zu erfüllen.
(2) Die Anwendung des Absatzes 1 kann durch Sonderabkommen zwischen den beteiligten Vertragsparteien näher geregelt werden.
ARTIKEL 6
Sind oder werden keine Sonderabkommen geschlossen, so gelten für Personen, welche die Staatsangehörigkeit von zwei oder mehr Vertragsparteien besitzen, folgende Bestimmungen:
(1) Der Betreffende ist gegenüber derjenigen Vertragspartei zur Leistung des Militärdienstes verpflichtet, in deren Hoheitsgebiet er seinen ordentlichen Wohnsitz hat. Es steht ihm jedoch bis zum Alter von 19 Jahren frei, seine Militärdienstpflicht bei jeder anderen Vertragspartei zu erfüllen, deren Staatsangehörigkeit er ebenfalls besitzt, indem er als Freiwilliger einen Militärdienst von mindestens der gleichen tatsächlichen Gesamtdauer ableistet, wie sie für den aktiven Militärdienst der erstgenannten Vertragspartei vorgesehen ist.
(2) Wer seinen ordentlichen Wohnsitz im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei, deren Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, oder im Hoheitsgebiet eines Nichtvertragsstaates hat, kann wählen, bei welcher Vertragspartei, deren Staatsangehörigkeit er besitzt, er seinen Militärdienst ableisten will.
(3) Hat eine Person nach Maßgabe des Absatzes 1 oder 2 ihre Militärdienstpflicht gegenüber einer Vertragspartei im Einklang mit deren Rechtsvorschriften erfüllt, so gilt ihre Militärdienstpflicht auch gegenüber der oder den Vertragsparteien als erfüllt, deren Staatsangehörigkeit sie ebenfalls besitzt.
..."
Im Hinblick darauf, dass sowohl Österreich als auch die Bundesrepublik Deutschland Vertragsparteien dieses Abkommens sind, braucht der Beschwerdeführer gemäß Art. 5 Abs. 1 des Abkommens seine Militärdienstpflicht nur gegenüber einem der beiden Staaten zu erfüllen. Aufgrund des ordentlichen Wohnsitzes des Beschwerdeführers in der Bundesrepublik Deutschland ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 des Abkommens für den Beschwerdefall, dass der Beschwerdeführer zur Leistung des Militärdienstes (nur) gegenüber der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet ist. Gegenüber Österreich trifft ihn keine Verpflichtung zur Militärdienstleistung. Er ist damit u.a. nicht verpflichtet, in Österreich Präsenzdienst zu leisten. Art. 6 des Abkommens stellt für Doppelstaatsbürger insofern die speziellere Norm dar, die die ansonsten gemäß § 17 Abs. 1 WG für Wehrpflichtige bestehende Pflicht zur Leistung des Präsenzdienstes beseitigt.
Voraussetzung für die meritorische Entscheidung über einen Antrag auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes ist, dass der Antragsteller präsenzdienstpflichtig ist. Ein Antrag einer nicht der Präsenzdienstpflicht unterliegenden Person ist zurückzuweisen.
Die Stellungnahme der belangten Behörde zum Vorhalt vom enthält keinerlei Ausführungen, aus denen sich die Präsenzdienstpflicht des Beschwerdeführers gegenüber Österreich ableiten ließe. Die Möglichkeit, dass der Beschwerdeführer noch vor Vollendung des 35. Lebensjahres seinen ordentlichen Wohnsitz wieder nach Österreich verlegt und damit - soferne er nicht im Sinne des Art. 6 Abs. 3 des Abkommens seine Militärdienstpflicht gegenüber Deutschland erfüllt hat - gegenüber Österreich militärdienstpflichtig und damit präsenzdienstpflichtig wird und gemäß § 28 Abs. 1 WG zum Grundwehrdienst einberufen werden kann, ist zwar nicht auszuschließen, bietet aber keine Grundlage, über die Befreiung von einer im Zeitpunkt der Entscheidung - die in diesem Zeitpunkt bestehende Sach- und Rechtslage ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides maßgebend - nicht bestehenden Präsenzdienstpflicht meritorisch abzusprechen.
Die belangte Behörde hätte nach dem Gesagten in Erledigung der Berufung den erstinstanzlichen Bescheid, mit dem über den Befreiungsantrag meritorisch abgesprochen wurde, beheben und den Antrag zurückweisen müssen. Der angefochtene Bescheid, mit dem in Erledigung der Berufung die Abweisung des Befreiungsantrages bestätigt wurde, ist daher inhaltlich rechtswidrig. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | Übk Mehrfache Staatsangehörigkeit Verminderung Militärdienstpflicht Art5 Abs1; Übk Mehrfache Staatsangehörigkeit Verminderung Militärdienstpflicht Art6 Abs1; Übk Mehrfache Staatsangehörigkeit Verminderung Militärdienstpflicht Art6 Abs3; WehrG 1990 §28 Abs1; WehrG 1990 §36a Abs1 Z2; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2001:2000110101.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
HAAAE-35654