VwGH vom 05.04.1991, 87/17/0136
Beachte
Besprechung in:
ÖStZB 1992, 139;
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Kirchner, über die Beschwerde der N-GesmbH gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom , Zl. IIIa-212/2, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf bescheidmäßige Festsetzung der Landschaftsschutzabgabe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Bundesland Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stellte im Schriftsatz vom an das Landesabgabenamt für Vorarlberg den Antrag auf "eine bescheidmäßige Feststellung der von uns im Jahre 1984 und 1985 bezahlten Landschaftsschutzabgaben".
Im Schriftsatz vom wurde von der Beschwerdeführerin unter anderem ausgeführt, der Grund für die Antragstellung sei darin zu sehen, daß die Beschwerdeführerin beabsichtige, die gesetzliche Grundlage der Abgabenpflicht, nämlich § 20 des Landschaftsschutzgesetzes, Vorarlberger LGBl. Nr. 1/1982, beim Verfassungsgerichtshof wegen Unsachlichkeit anzufechten. Voraussetzung dafür sei die "bescheidmäßige Festsetzung" der Landschaftsschutzabgabe für die Jahre 1984 und 1985. Die Beschwerdeführerin habe deshalb ein gesetzlich vorgesehenes, legitimes rechtliches Interesse an einer bescheidmäßigen Abgabenfestsetzung. Dies insbesondere auch im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach der Anfechtungsweg über eine gerichtliche oder behördliche Bestrafung (also auf Grund bewußter oder ausdrücklicher Pflichtverletzung) nicht zumutbar sei.
Das Landesabgabenamt für Vorarlberg wies mit Bescheid vom den "Antrag auf bescheidmäßige Festsetzung der Landschaftsschutzabgabe für die Jahre 1984 und 1985 als unzulässig eingebracht" zurück.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.
Mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom wurde dieser Berufung keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid des Landesabgabenamtes für Vorarlberg bestätigt. Nach der Begründung dieses Bescheides sei (die Regelung über) die Selbstbemessung aus verwaltungsökonomischen Überlegungen erwachsen. Es werde damit vermieden, daß in jedem Falle aufwendige Verfahren durchzuführen und Abgabenbescheide zu erlassen seien. Die Selbstbemessung bedeute jedoch keine Verkürzung von Rechten gegenüber dem Abgabepflichtigen, dem nach einem Verfahren ein Bescheid zukomme. Gegen einen Abgabenbescheid könne das Rechtsmittel der Berufung erhoben werden. Der Abgabepflichtige im Selbstbemessungsverfahren erhalte seinerseits das Recht, die eingereichte Selbstbemessungserklärung innerhalb eines Monats - diese Zeit entspreche der Rechtsmittelfrist - in unbeschränktem Umfange zu berichtigen. Die Abgabe sei sohin durch die Einreichung der Erklärung über die Selbstbemessung festgesetzt. Von der bescheidmäßigen Festsetzung könne auch abgesehen werden, wenn der Abgabepflichtige nachträglich die Mängel behebe.
Wie in der Begründung weiters ausgeführt wird, stelle der Verwaltungsgerichtshof die gesetzlich vorgesehene Selbstbemessung auf eine Stufe mit der bescheidmäßigen Festsetzung. Auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen (Landschaftsschutzgesetz und Abgabenverfahrensgesetz) seien daher die Landschaftsschutzabgaben für die Jahre 1984 und 1985 auf Grund der von der Beschwerdeführerin abgegebenen Erklärungen als festgesetzt zu betrachten. Der vom Landesabgabenamt mit Bescheid vom zurückgewiesene Antrag auf bescheidmäßige Festsetzung der Landschaftsschutzabgabe für die Jahre 1984 und 1985 sei somit rechtens gewesen.
Mit Beschluß vom , B 841/86-3, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobenen Beschwerde ab und trat sie antragsgemäß mit Beschluß vom , B 841/86-5, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG ab.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin die Verletzung verfassungsmäßig gewährleisteter Rechte ("a) Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, b) Unversehrtheit des Eigentums, c) Recht auf Gleichheit-Willkürverbot, d) Art. 13 EMRK ...., e) allenfalls Verletzung des Eigentumsrechtes durch ein verfassungswidriges Gesetz") sowie "die Verletzung ihres Rechtes auf Ausstellung eines Bescheides über die Höhe der Landschaftsschutzabgabe und (letztlich im Ergebnis) ihres Rechtes, nicht ohne Vorliegen entsprechender verfassungsmäßiger und einfachgesetzlicher Voraussetzungen Landschaftsschutzabgabe zahlen zu müssen", geltend. In Ausführung dieser Beschwerdepunkte bringt die Beschwerdeführerin im wesentlichen vor, folge man der Argumentation der belangten Behörde, würde ein Abgabepflichtiger, der eine gesetzliche Verpflichtung zur Selbstbemessung einer Abgabe erfülle, sich damit seines auch für den Bereich des Abgabenverfahrens an sich uneingeschränkten Rechtes auf bescheidmäßige Festsetzung einer Abgabe begeben. Dabei sei die Verpflichtung zur Selbstbemessung der Landschaftsschutzabgabe im Gesetz durch eine Vielzahl von Maßnahmen so drastisch sanktioniert, daß es unzumutbar wäre, eine solche Selbstbemessung etwa nicht vorzunehmen.
Es verstoße gegen die fundamentalsten Grundsätze eines Rechtsstaates, eine behördliche Entscheidungspflicht dadurch auszuschalten, daß einem Normunterworfenen eine Verpflichtung gesetzlich direkt auferlegt werde, unter gleichzeitiger Festschreibung entsprechender Sanktionen bei Nichterfüllung dieser gesetzlichen Verpflichtung.
Dabei wäre gar nicht die Verpflichtung zur Selbstbemessung der Abgabe an sich problematisch, sondern entstünde diese Problematik durch die weitere Kombination mit entsprechenden Sanktionen und "mit der durch überhaupt keinen Sachzwang zusätzlich verbundenen Rechtsfolge, daß nach erfolgter Selbstbemessung eine bescheidmäßige Festsetzung einer Abgabe auch über ausdrücklichen Antrag des Abgabepflichtigen nicht mehr erfolgen könnte".
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und
erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Soweit die Beschwerdeführerin die Verletzung verfassungsmäßig gewährleisteter Rechte geltend macht, ist ihr vorweg zu erwidern, daß die Entscheidung über die behauptete Verletzung eines verfassungsmäßig gewährleisteten Rechtes in die Zuständigkeit des Verfassungs- und nicht in jene des Verwaltungsgerichtshofes fällt.
§ 82 Abgabenverfahrensgesetz - AbgVG., Vorarlberger LGBl. Nr. 23/1984, lautet auszugsweise:
"(1) Wenn die Abgabenvorschriften die Selbstbemessung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne behördliche Festsetzung der Abgabe zulassen, gilt die Abgabe durch die Einreichung der Erklärung über die Selbstbemessung festgesetzt. Der Abgabepflichtige ist jedoch berechtigt, die Erklärung innerhalb eines Monats ab deren Einreichung zu berichtigen.
(2) Die Behörde hat die Abgabe mit Bescheid festzusetzen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung der Erklärung unterläßt oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstbemessung als unrichtig erweist. Von der bescheidmäßigen Festsetzung ist abzusehen, wenn der Abgabepflichtige nachträglich die Mängel behebt.
(3) ......
(4) ...... "
Diese Regelungen sind einerseits dadurch charakterisiert, daß § 82 Abs. 1 zweiter Satz AbgVG. die Möglichkeit der Berichtigung einer Erklärung über die Selbstbemessung durch den Abgabepflichtigen selbst innerhalb der - gemäß § 47 Abs. 1 AbgVG. nicht verlängerbaren - Frist von einem Monat vorsieht. Diese Möglichkeit wird allerdings noch ergänzt durch die Regelung des zweiten Satzes in § 82 Abs. 2 AbgVG., wonach u.a. im Falle einer unrichtigen Selbstbemessung auch dann von einer bescheidmäßigen Festsetzung der Abgabe abzusehen ist (also die Festsetzung im Wege der Selbstbemessung erfolgt), wenn der Abgabepflichtige "nachträglich die Mängel behebt".
Andererseits sieht § 82 Abs. 2 erster Satz AbgVG. eine behördliche Abgabenfestsetzung für den Fall einer unrichtigen Selbstbemessung (neben den Tatbeständen der Unterlassung oder Unvollständigkeit der Erklärung) vor. Diese Regelung unterscheidet sich hiebei von der vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis Slg. 8726/1980 als verfassungswidrig erkannten Rechtslage nach § 149 Abs. 3 erster Satz WAO idF VOR der Novelle LGBl. für Wien Nr. 28/1978. Zum Unterschied von der letztgenannten Bestimmung, die keine Möglichkeit einer behördlichen Abgabenfestsetzung im Falle einer zu hohen Selbstbemessung vorsah, kommt nach § 82 Abs. 2 erster Satz AbgVG. - diesbezüglich einschränkungslos - eine den materiell-rechtlichen Bestimmungen entsprechende bescheidmäßige Festsetzung der Abgabe in Betracht.
Angesichts dieser Rechtslage sieht sich der Verwaltungsgerichtshof daher auch nicht veranlaßt, beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag gemäß Art. 140 B-VG auf Aufhebung der anzuwendenden Bestimmungen des § 82 AbgVG. zu stellen.
Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, daß der Antrag vom im Zusammenhalt mit dem Schriftsatz vom als Begehren auf AbgabenFESTSETZUNG und nicht als Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides zu werten ist. Von dieser Sicht gingen auch die Verwaltungsinstanzen aus. Damit erübrigt sich aber auch ein Eingehen auf die Frage der Zulässigkeit eines Feststellungsbescheides (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/17/0050, sowie weiters die dort angeführte hg. Rechtsprechung).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 89/17/0064, - unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung - in einem Vorarlberger Fall dargelegt hat, ist der Antrag eines Abgabepflichtigen auf Rückerstattung einer von ihm geleisteten Selbstbemessungsabgabe jedenfalls dann, wenn die Erledigung eines solchen Rückerstattungsantrages voraussetzt, daß die Behörde die Rechtsfrage der Abgabenschuldigkeit beantwortet, (auch) als Antrag auf bescheidmäßige Festsetzung der Selbstbemessungsabgabe zu werten. Diese Aussage schließt aber notwendigerweise (grundsätzlich) die Zulässigkeit eines Begehrens auf bescheidmäßige Abgabenfestsetzung in sich bzw. setzt diese logisch voraus. Von dieser Rechtsansicht abzugehen, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch im Lichte des vorliegenden Beschwerdefalles nicht veranlaßt.
Ausgehend von der (grundsätzlichen) Zulässigkeit eines Antrages auf bescheidmäßige Abgabenfestsetzung sieht es der Verwaltungsgerichtshof auch als möglich an, einen derartigen Antrag mit der Begründung zu stellen, die entrichtete Abgabe hätte sich im Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit der materiell-rechtlichen Abgabenbestimmungen als unrichtig erwiesen. Ein derartiges Begehren wurde aber bei verständiger Würdigung des Antrages vom im Zusammenhalt mit dem Schriftsatz vom gestellt. Daß hiebei die Beschwerdeführerin nicht in formalisierter Form die Unrichtigkeit der erfolgten Selbstbemessung behauptete - worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift hinwies -, verschlägt daran nichts. Umfaßt doch das Begehren auf bescheidmäßige Abgabenfestsetzung mit der Begründung, die erfolgte Selbstbemessung gründe sich auf eine verfassungswidrige materiell-rechtliche Abgabenbestimmung, bei Überlegung aller Umstände zweifelsfrei auch die Behauptung der Unrichtigkeit der erfolgten Selbstbemessung.
Der angefochtene Bescheid war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VWGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.