VwGH vom 19.12.2005, 2001/03/0162

VwGH vom 19.12.2005, 2001/03/0162

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer sowie die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des OG in V, Deutschland, vertreten durch Dr. Georg Huber, Rechtsanwalt in 6332 Kufstein, Josef-Egger-Straße 8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom , Zl. uvs-2000/8/068- 2, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird hinsichtlich des Schuldspruches als unbegründet abgewiesen. Im Übrigen, also hinsichtlich des Ausspruches über die verhängte Strafe und die diesbezüglichen Kosten des Berufungsverfahrens, wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe am um 21.20 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach näher bestimmten Lkws im gewerbsmäßigen Güterverkehr durch das Gebiet der Republik Österreich auf der Strecke A 12 Inntalautobahn im Gemeindegebiet von Kundl bei km 23,0 über die Grenzeintrittsstelle Kiefersfelden kommend und über die beabsichtigte Grenzaustrittsstelle Brenner von Deutschland kommend und nach Italien fahrend eine Transitfahrt (Überstellungsfahrt) durchgeführt und dabei entgegen den Bestimmungen des § 7 Güterbeförderungsgesetz in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 lit. a und b der Verordnung (EG) 3298/94 in der Fassung EG (VO) 1524/96 und EG (VO) 609/2000 die entsprechende Genehmigung auf Verlangen der Kontrollorgane des Landesgendarmeriekommandos für Tirol, Verkehrsabteilung Wiesing, am um 21.20 Uhr auf der A 12 im Gemeindegebiet von Kundl bei km 23,0 nicht zur Prüfung vorgelegt. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs. 1 Z. 3 Güterbeförderungsgesetz iVm Artikel 2 Abs. 2 EG (VO) 1524/96 und EG (VO) 609/2000 begangen; über ihn wurde gemäß § 23 Abs. 1 Einleitungssatz iVm § 23 Abs. 2 zweiter Satz und § 7 GütbefG eine Geldstrafe von S 20.000,--, Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage, verhängt.

Der dagegen gerichteten Berufung gab die belangte Behörde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG insoweit Folge, als die verhängte Geldstrafe auf S 12.000,-- (EUR 872,07), Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage, herabgesetzt und ausgesprochen wurde, dass der Spruch wie folgt zu lauten habe:

"Der Beschuldigte (Vor- und Zuname) hat als Lenker des Lkws, Kennzeichen E, am von Deutschland kommend eine ökopunktepflichtige Transitfahrt durch das Gebiet der Republik Österreich nach Italien durchgeführt und dabei weder ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular noch eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt mitgeführt, wie anlässlich einer Kontrolle durch Bedienstete des Landesgendarmeriekommando für Tirol, Verkehrsabteilung, Außenstelle Wiesing, am um

21.20 Uhr auf der A 12 bei km 23,0 festgestellt wurde; ein Ecotaggerät wurde nicht mitgeführt.

Verletzte Norm:

§ 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz, BGBl. Nr. 593/1995 idF der Novelle BGBl. I Nr. 17/1998 iVm Art. 1 Abs. 1 lit. a und Art. 2 Abs. 1 EG (VO) Nr. 3298/94 idF der EG (VO) Nr. 1524/96.

Strafsanktionsnorm:

§ 23 Abs. 1 iVm § 23 Abs. 2 zweiter Satz Güterbeförderungsgesetz idF der Novelle BGBl. I Nr. 17/1998"

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Zulassungsbesitzer habe die Absicht gehabt, von Deutschland in den Kosovo zu übersiedeln. Da der Beschwerdeführer vorgehabt habe, seinen Urlaub dort zu verbringen, habe ihn der Zulassungsbesitzer gebeten, sein Fahrzeug samt Hausstand mitzunehmen. Mit dem gegenständlichen Fahrzeug sei lediglich eine einmalige Fahrt durchgeführt worden und das Fahrzeug sei nach dieser Fahrt im Kosovo verblieben. Der Beschwerdeführer sei von Beruf Kellner und führe sonst keine derartigen Fahrten durch, es habe sich bei gegenständlichem Transport um eine reine Gefälligkeit gehandelt, Entgelt sei dafür nicht bezahlt oder verlangt worden. Nach den Angaben des Beschwerdeführers sei als erwiesen anzusehen, dass dieser eine ökopunktepflichtige Transitfahrt durchgeführt habe. Nach Anhang C der EG (VO) Nr. 3298/94 idF der EG (VO) Nr. 1524/96 sei unter Punkt 11 die Beförderung von Umzugsgut durch Unternehmen, die über entsprechende Fachkräfte und Ausrüstung verfügten, befreit. Der Beschwerdeführer habe nicht einmal behauptet, dass er ein Unternehmen führe, das über diese Voraussetzungen verfüge. Dazu komme, dass nicht nur das Umzugsgut befördert worden sei, sondern auch der Lkw - ein gebrauchtes Fahrzeug - ebenso überstellt hätte werden sollen. Es sei daher erwiesen, dass der Beschwerdeführer mit diesem Lkw eine ökopunktepflichtige Transitfahrt, wobei die Gewerbsmäßigkeit nicht Voraussetzung für die Ökopunktepflicht sei, durchgeführt habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer behauptet zunächst, dass innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 VStG keine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 VStG erfolgt sei.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt auch das Zurkenntnisbringen des Anzeigeninhalts mit der Aufforderung zur Abgabe einer Stellungnahme zur Rechtfertigung eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 VStG dar, wenn die Anzeige alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale enthält (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/10/0024, mwN).

Hinsichtlich der Anforderungen an eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 12.375/A, ausgeführt, dass auf eine bestimmte Person als Beschuldigten abgestellt werde, dem eine konkrete strafbare Handlung oder Unterlassung angelastet werde. Die Verfolgungshandlung müsse sich auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten, ferner auf eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44a Z. 2 VStG beziehen. In gleicher Weise wurde im hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 11.525/A, ausgeführt, dass nach der Definition des § 32 Abs. 1 VStG die gegen die betreffende Person gerichtete Amtshandlung eine bestimmte Verwaltungsübertretung zum Gegenstand haben müsse. Die Amtshandlung müsse sich insofern auf alle einer späteren Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente beziehen. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt weiters seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senats vom , Slg. 11.894/A, die Auffassung, der Vorschrift des § 44a Z. 1 VStG (betreffend den Inhalt des Spruches eines Straferkenntnisses) sei dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Das an die Tatumschreibung zu stellende Erfordernis werde daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen ein verschiedenes, weil an den oben wiedergegebenen Rechtsschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis sein (vgl. zum Ganzen das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/10/0024).

In der Anzeige vom ist der "Darstellung der Tat" zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer am um

21.20 Uhr den Lkw Marke Mercedes, Kennzeichen E, 16 Tonnen Gesamtgewicht, auf der A 12 Inntalautobahn von Deutschland/Kassel kommend auf Höhe Gemeindegebiet Kundl km 23,0 in Richtung Innsbruck bzw. Italien gelenkt habe. Das genannte Fahrzeug sei mit Sammelgut beladen gewesen. Der verantwortliche Lenker habe für diese Fahrt keine Ökopunkte entrichtet bzw. keine Ökopunktekarte vorweisen können. Im genannten Fahrzeug sei auch kein Ecotag-Gerät eingebaut gewesen.

Ausgehend von den oben wiedergegebenen Grundsätzen entspricht die dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters als Anlage zum Schreiben vom zur Kenntnis gebrachte Anzeige den Anforderungen, die § 44a Z. 1 VStG betreffend die Individualisierung der als erwiesen angenommenen Tat stellt. Es lag somit eine ausreichend konkretisierte Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG vor.

In einem solchen Fall ist dann allerdings die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG (§ 24 VStG) nicht nur berechtigt, sondern zwecks Vermeidung eines Verstoßes gegen § 44a Z. 1 VStG verpflichtet, eine Konkretisierung im Spruch vorzunehmen.

Die Richtigstellung der verletzten Verwaltungsvorschrift und der Strafbestimmung durfte die belangte Behörde entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers auch nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist vornehmen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/03/0010).

Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die im erstinstanzlichen Bescheid herangezogene Übertretungsnorm des § 7 Abs. 1 GütbefG wendet, ist er darauf zu verweisen, dass eine Bestrafung nach der genannten Gesetzesstelle nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides ist.

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, das Güterbeförderungsgesetz sei nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 1 Abs. 1 nur für die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern anzuwenden. Die Anwendung der Strafbestimmungen des § 23 GütbefG setze somit das Tatbestandsmerkmal der Gewerbsmäßigkeit voraus. Der Beschwerdeführer habe lediglich Umzugsgut mit einem Lkw befördert und keine gewerbsmäßige Güterbeförderung im Sinne einer wiederholten Tätigkeit unter Gewinnerzielungsabsicht durchgeführt. Es könne sein, dass er damit eine ökopunktepflichtige Transitfahrt durchgeführt habe, jedoch sei die Nichtentrichtung von Ökopunkten für diese Fahrt mangels Gewerbsmäßigkeit nicht nach den Bestimmungen des § 23 GütbefG strafbar. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2000/03/0251, - auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - ausgeführt hat, dass aus der Anordnung der Ahndung von Zuwiderhandlungen gegen das Protokoll Nr. 9 über den Straßen- und Schienenverkehr sowie den kombinierten Verkehr in Österreich, BGBl. Nr. 45/95, und gegen die Verordnung (EG) Nr. 3298/94 im Güterbeförderungsgesetz 1995 nicht der Schluss gezogen werden könne, dass eine Bestrafung wie die vorliegende von weiteren über die einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Regelungen hinausgehenden Tatbestandsvoraussetzungen abhängig wäre. Damit war - entgegen der Beschwerde - eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die vorliegende Transitfahrt im gewerbsmäßigen Güterverkehr durchgeführt wurde (vgl. § 1 Abs. 1 GütbefG), nicht erforderlich.

Die Beschwerde erweist sich daher, was den Schuldspruch anlangt, als unbegründet.

In seinem Erkenntnis vom , G 181/01, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Wortfolge "und Z. 7 bis 9" im zweiten Satz des § 23 Abs. 2 des Güterbeförderungsgesetzes 1995, BGBl. Nr. 593, idF BGBl. I Nr. 17/1998, verfassungswidrig war. Im genannten Erkenntnis, kundgemacht im Bundesgesetzblatt am unter BGBl. I Nr. 37, hat der Verfassungsgerichtshof ferner - gestützt auf Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG - Folgendes ausgesprochen:

"(2) Die verfassungswidrige Bestimmung ist insofern nicht mehr anzuwenden, als sie sich auf die Z. 8 bezieht."

Da der zuletzt genannte Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes die Anwendung der als verfassungswidrig festgestellten gesetzlichen Bestimmung auch im vorliegenden Beschwerdefall ausschließt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 9994/A), erweist sich der auf dem Boden dieser Bestimmung getroffene Ausspruch über die im Beschwerdefall verhängte Strafe als inhaltlich rechtswidrig.

Von daher war der angefochtene Bescheid in dem im Spruch genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil im Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer enthalten ist.

Wien, am