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VwGH vom 18.03.1997, 95/08/0021

VwGH vom 18.03.1997, 95/08/0021

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

97/08/0633 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch die Sachwalterin H, diese vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MD-VfR-W 33/93, betreffend Kostenbeitrag nach § 43 Abs. 3 Wiener Behindertengesetz 1986,

Spruch

I. den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde wird insoweit, als sie sich gegen die bescheidmäßige Auferlegung der Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages für die Zeit ab dem richtet, für gegenstandslos erklärt; das Verfahren wird insoweit eingestellt.

II. zu Recht erkannt:

Im übrigen wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem 1929 geborenen, von Geburt an behinderten Beschwerdeführer wurde mit Verfügung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 12 (Sozialamt), vom gemäß § 24 Wiener Behindertengesetz 1986, LGBl. Nr. 16 (WBG), beginnend mit "die Wohnheimunterbringung im Rahmen von Jugend am Werk gewährt".

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde ausgesprochen, der Beschwerdeführer sei "gemäß § 43 Abs. 1, 3 und 5 in Verbindung mit § 44 Abs. 3 Wiener Behindertengesetz 1986, LGBl. für Wien Nr. 16, in Verbindung mit § 11 Abs. 2 und 3 des zitierten Gesetzes ... verpflichtet, einen Kostenbeitrag für die Unterbringung im Rahmen von Jugend am Werk ab von monatlich S 442,40, ab von monatlich S 538,90, ab von monatlich S 498,40, ab von monatlich S 340,40,--, ab von monatlich S 456,40, ab von monatlich S 1.123,--, ab von monatlich S 1.423,--, ab von monatlich S 1.336,-- und ab von monatlich S 1.440,-- zu leisten". Die schon fälligen Kostenbeiträge seien binnen 14 Tagen, die künftig fällig werdenden am 1. jeden Monats im voraus zu entrichten. Diese Verpflichtung bleibe vorbehaltlich einer Änderung in den Vermögens- und Einkommensverhältnissen oder den Sorgepflichten des Kostenbeitragspflichtigen in Wirksamkeit.

Begründend führte die belangte Behörde nach einer Darstellung der Rechtslage und des Verfahrensganges - soweit hier wesentlich - aus, der Beschwerdeführer habe im Berufungsverfahren gegen die Vorschreibung eines Kostenbeitrages nach § 43 Abs. 3 WBG eingewandt, durch die ihm gewährte Maßnahme seien zwar seine Unterbringung und ein Teil seiner Verpflegung gesichert, der Lebensunterhalt umfasse jedoch außer Unterkunft und Nahrung weiters Bekleidung, Körperpflege, Haushalt, Beheizung, Beleuchtung, Kochfeuerung und andere persönliche Bedürfnisse, die durch die Unterbringung nicht gesichert seien. Dem sei entgegenzuhalten, daß "außer der Bekleidung und den anderen persönlichen Bedürfnissen sowie der Körperpflege des Berufungswerbers, wobei ihm Seife zur Verfügung gestellt wird und auch die Wäsche im Haus gewaschen wird, alle übrigen Bedürfnisse vollkommen abgedeckt" würden.

§ 43 Abs. 3 WBG beziehe sich auch "ausdrücklich nur auf die Sicherung des Lebensunterhaltes des Behinderten durch Unterbringung und Verpflegung", was im Fall des Beschwerdeführers zweifelsfrei gegeben sei. Es habe daher § 43 Abs. 3 und nicht § 43 Abs. 2 WBG zur Anwendung zu kommen. Nach dem letzten Satz des § 43 Abs. 3 WBG in der Fassung vor dem sei das Einkommen des Behinderten selbst bis auf einen Betrag in der Höhe des halben Richtsatzes der Sozialhilfe für einen Alleinunterstützten zur Gänze heranzuziehen. Ab seien das Einkommen des Behinderten selbst und die ihm zuerkannten pflegebezogenen Geldleistungen heranzuziehen, und es sei in bezug auf den dem Behinderten zu belassenden Betrag nun danach zu differenzieren, ob im Rahmen einer Maßnahme durch Unterbringung und Verpflegung auch Lebensunterhalt hinsichtlich der Bekleidung gewährt werde. Da dies beim Beschwerdeführer nicht der Fall sei, sei ihm nach § 43 Abs. 3 WBG in der seit geltenden Fassung für die Zeit nach dem ein Betrag in der Höhe (nicht von 20, sondern) von 40 % des Pflegegeldes der Stufe 3 zu belassen. Da mit der dem Beschwerdeführer gewährten Maßnahme seine "volle Unterbringung und Verpflegung" verbunden sei, sei gemäß § 11 Abs. 3 WBG (aufgrund der dort vorgesehenen Ausnahme von § 11 Abs. 2 Z. 1 dieses Gesetzes) bei der Feststellung des Einkommens des Beschwerdeführers auch die ihm gewährte Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 zu berücksichtigen.

Dagegen richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzte Beschwerde. Geltend gemacht wird die Verletzung des Beschwerdeführers in seinen Rechten auf Nichteinrechnung der Familienbeihilfe in das nach § 43 Abs. 3 in Verbindung mit § 11 Abs. 3 Wiener Behindertengesetz zu berechnende Gesamteinkommen und "somit" auf Nichtverpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages gemäß § 43 Abs. 3 Wiener Behindertengesetz und auf ein gesetzmäßiges Verwaltungsverfahren.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet. Sie beantragt die Abweisung der Beschwerde.

Mit seiner Gegenäußerung zur Gegenschrift hat der Beschwerdeführer den erstinstanzlichen, von ihm mit Berufung bekämpften Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 12-Sozialamt, vom vorgelegt. Mit diesem Bescheid wurde dem Beschwerdeführer - in Anwendung des § 43 Abs. 5 WBG nun ohne Einbeziehung der Familienbeihilfe - "ein Kostenbeitrag für seine Wohnheimunterbringung gemäß § 24 des Wiener Behindertengesetzes 1986 im Rahmen einer von der Magistratsabteilung 12 anerkannten Einrichtung vom 1. Juli bis in der Höhe von monatlich S 515,--, vom 1. Jänner bis in der Höhe von monatlich S 549,-- und ab in der Höhe von monatlich S 587,-- vorgeschrieben".

Dadurch wurde der Beschwerdeführer insoweit, als ihm mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid für die Zeit ab dem ein (höherer) Beitrag zu den Kosten seiner Unterbringung vorgeschrieben worden war, klaglos gestellt. In bezug auf diesen Zeitraum ist der angefochtene Bescheid durch den Bescheid vom ersetzt worden und aus dem Rechtsbestand ausgeschieden. Das Verfahren war daher insoweit gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 VwGG (in einem nach § 12 Abs. 3 leg. cit. gebildeten Fünfersenat) einzustellen (vgl. dazu etwa die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 312, wiedergegebene Rechtsprechung).

Im übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

§ 43 WBG in der bis zum geltenden Fassung vor der Änderung im Zusammenhang mit dem Wiener Pflegegeldgesetz, LGBl. Nr. 42/1993, lautete:

"§ 43

(1) Zu den Maßnahmen der Eingliederungshilfe nach § 5 Z. 1 bis 4, der Beschäftigungstherapie nach § 22, der Hilfe zur Unterbringung nach § 24 und zu den Fahrt- und Beförderungskosten nach § 17 haben der Behinderte, dessen Ehegatte (auch der unterhaltspflichtig geschiedene Ehegatte) sowie die Eltern ersten Grades für minderjährige Kinder ersten Grades nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Kostenbeiträge zu leisten.

(2) Ein Kostenbeitrag ist unbeschadet des Abs. 3 erst dann zu leisten, wenn und soweit das Gesamteinkommen (§ 11) des Beitragspflichtigen den vierfachen Richtsatz der Sozialhilfe für einen Alleinunterstützten übersteigt. Diese Einkommensgrenze erhöht sich für jeden Angehörigen, für den der Beitragspflichtige aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung überwiegend sorgt, um den einfachen Richtsatz der Sozialhilfe für einen Mitunterstützten.

(3) Wird im Rahmen einer Maßnahme durch Unterbringung und Verpflegung der Lebensunterhalt des Behinderten sichergestellt, ist ein Kostenbeitrag zu leisten, wenn und soweit das Einkommen des Beitragspflichtigen den eineinhalbfachen Richtsatz der Sozialhilfe für einen Alleinunterstützten zuzüglich der Mietbeihilfe übersteigt. Diese Grenze erhöht sich für jeden Angehörigen, für den der Beitragspflichtige aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung überwiegend sorgt, um den eineinhalbfachen Betrag des Richtsatzes der Sozialhilfe für einen Mitunterstützten. Das Einkommen des Behinderten selbst ist in diesen Fällen bis auf einen Betrag in der Höhe des halben Richtsatzes der Sozialhilfe für einen Alleinunterstützten zur Gänze zum Kostenersatz heranzuziehen.

(4) Der die in Abs. 2 und 3 bezeichneten Einkommensgrenzen übersteigende Teil des Einkommens ist je nach Art und Umfang der Maßnahme unter Bedachtnahme auf eine zumutbare Belastung des Beitragspflichtigen ganz oder teilweise zum Kostenbeitrag heranzuziehen. Für gleichartige und regelmäßig vorkommende Maßnahmen können durch Verordnung der Landesregierung nähere Vorschriften über die Höhe des Kostenbeitrages erlassen werden.

(5) In besonderen sozialen Härtefällen kann von der Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages ganz oder teilweise abgesehen werden, wenn durch die Leistung des Kostenbeitrages der Erfolg der Maßnahme in Frage gestellt wäre."

§ 11 WBG lautete:

"§ 11

(1) Gesamteinkommen ist die Summe aller Einkünfte einer Person nach Abzug des zur Erzielung dieser Einkünfte notwendigen Aufwandes. Als Einkünfte gelten alle Bezüge in Geld oder Geldeswert einschließlich des Unterhaltsanspruches nach Maßgabe des § 12 Abs. 1.

(2) Bei Feststellung des Gesamteinkommens bleiben außer Betracht:

1. Die Familienbeihilfen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376,

2. Bezüge aus Leistungen der Sozialhilfe und der freien Wohlfahrtspflege,

3. Einkünfte, die wegen des besonderen körperlichen Zustandes gewährt werden (Hilflosenzuschüsse, Hilflosenzulagen, Blindenbeihilfen, usw.),

4. Lehrlingsentschädigungen in der Höhe des Richtsatzes der Sozialhilfe, der für den Lehrling nach seinem Familienstand anzuwenden wäre,

5. Sonderzahlungen.

(3) Die Bestimmung des Abs. 2 Z. 1 gilt nicht für die Bemessung und Leistung von Kostenbeiträgen (§ 43) zu Maßnahmen, mit denen die volle Unterbringung und Verpflegung der Behinderten verbunden ist."

In seinen Erkenntnissen vom , B 1129/91, vom , B 205/94, und vom , B 1867/94, auf die sich der Beschwerdeführer zu Recht beruft, hat der Verfassungsgerichtshof aus von ihm näher dargelegten Gründen die Auffassung vertreten, § 43 Abs. 3 in Verbindung mit § 11 Abs. 3 WBG werde nur dann verfassungskonform ausgelegt, wenn die in § 43 Abs. 3 WBG enthaltene Voraussetzung, es müsse "im Rahmen einer Maßnahme durch Unterbringung und Verpflegung der Lebensunterhalt des Behinderten sichergestellt" werden, in dem Sinne verstanden werde, daß der Lebensunterhalt des Behinderten über die Unterbringung und Verpflegung hinaus VOLLENDS sichergestellt sein müsse. In dem letzten der erwähnten Erkenntnisse führte der Verfassungsgerichtshof auch aus, die am in Kraft getretene Änderung des § 43 Abs. 3 letzter Satz WBG ändere an dem gewonnenen Auslegungsergebnis "nichts, zumal bisher der Inhalt und die Verfassungsmäßigkeit des § 43 Abs. 3 WBG nF vom Verfassungsgerichtshof nicht erörtert wurden". Maßgebend war im Fall dieses Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes - wie im vorliegenden Fall, insoweit der Beschwerdeführer nicht durch den Bescheid vom klaglos gestellt wurde - noch die Stammfassung des § 43 Abs. 3 letzter Satz WBG.

Legt man der Beurteilung des vorliegenden Falles das nach den erwähnten Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes aus verfassungsrechtlichen Gründen zwingend vorgegebene Verständnis der einleitenden Voraussetzung des § 43 Abs. 3 WBG zugrunde, so ergibt sich daraus die Rechtswidrigkeit nicht nur der Mitberücksichtigung der Familienbeihilfe bei der Ermittlung des Einkommens des Beschwerdeführers, sondern jedweder Vorschreibung eines Kostenbeitrages nach § 43 Abs. 3 WBG (und somit unabhängig von den Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 WBG, deren Vorliegen die belangte Behörde nicht angenommen hat). Vom Sachverhalt her ist nämlich nicht strittig, daß durch die dem Beschwerdeführer gewährte Maßnahme der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers - über die Unterbringung und Verpflegung hinaus - nicht "vollends sichergestellt" ist. Die Vorschreibung eines Kostenbeitrages nach § 43 Abs. 3 WBG entsprach daher nicht dem Gesetz.

Der angefochtene Bescheid war somit, insoweit er den Zeitraum vor dem betraf (und durch den Bescheid vom daher nicht berührt wurde), gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die Nr. 416/1994.