VwGH 16.06.1992, 92/09/0120
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | VwGG §31 Abs1 Z5; VwGG §31 Abs2; |
RS 1 | Im Falle der Ablehnung des Vorsitzenden oder von Mitgliedern des für die Rechtssache zuständigen Senates hat (haben) nicht der nach der Geschäftsverteilung vorgesehene Ersatzvorsitzende oder das (die) nach der Geschäftsverteilung vorgesehene(n) Ersatzmitglied (Ersatzmitglieder) in diesen Senat einzutreten. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 84/08/0012 B RS 1 |
Normen | VwGG §31 Abs1 Z5; VwGG §31 Abs2; |
RS 2 | Wird nur ein Mitglied des für die Rechtssache zuständigen Senates abgelehnt, so ist - abweichend von den § 11, § 12, § 13 VwGG - in einem aus dem Vorsitzenden und den nicht abgelehnten drei weiteren Mitgliedern gebildeten Senat(Vierersenat) über den Ablehnungsantrag zu entscheiden; bei Ablehnung von zwei Mitgliedern dieses Senates ist die Entscheidung über den Ablehnungsantrag in einem Dreiersenat zu fällen. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 84/08/0012 B RS 3 |
Normen | |
RS 3 | Das Wesen einer zur Amtsenthaltung verpflichtenden Befangenheit liegt in der Hemmung einer unparteiischen Entschließung durch unsachliche Motive (Hinweis B , 84/08/0012). Entscheidend ist ausschließlich, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlaß hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. Aus dem Umstand, daß der Antragsteller bei einem Gespräch mit einem Ministerialrat seiner Dienststelle den Eindruck gewinnen konnte, daß dieser auf Grund seiner guten persönlichen Bekanntschaft mit dem Richter einen "Einfluß auf die Rechtsprechung des zur Entscheidung berufenen Senates nehmen könne", läßt sich eine begründete Besorgnis der Befangenheit des genannten Richters nicht herleiten. |
Normen | |
RS 1 | Das BDG 1979 geht von einem abgestuften Verfahren aus, dessen erster Schritt grundsätzlich beim Dienstvorgesetzten liegt, der im Rahmen der ihn treffenden Pflicht zur Dienstaufsicht Vorerhebungen vorzunehmen und dann zu entscheiden hat, ob eine Belehrung oder Ermahnung ausreicht, oder ob die Dienstbehörde zu befassen ist. Bei diesen im Vorfeld eines Disziplinarverfahrens zu treffenden Maßnahmen handelt es sich noch nicht um ein förmliches Disziplinarverfahren; es gibt daher in diesem Vorverfahren auch noch keine Parteienrechte (iSd AVG); der verdächtigte Beamte ist - unbeschadet der sich aus dem 09ten Abschnitt ergebenden Vorwirkungen (Hinweis E , 90/09/0152) - weisungsgebundener Organwalter wie jeder andere Beamte auch. Erst mit der Erstattung der Disziplinaranzeige bzw Selbstanzeige nach § 111 BDG 1979 bei der Dienstbehörde beginnt das dienstbehördliche Disziplinarverfahren, auf das die im § 105 BDG genannten Verfahrensregeln anzuwenden sind. |
Normen | |
RS 2 | Offenbar um dem in der Praxis nicht auszuschließenden Fall eines Zusammenwirkens zwischen dem unmittelbaren Vorgesetzten und einem ihm nachgeordneten Beamten vorzubeugen, oder sonstigen Nachlässigkeiten des unmittelbaren Vorgesetzten, wie beispielsweise der Dienstpflichtverletzung der mangelnden Dienstaufsicht, entsprechend und frühzeitig begegnen zu können, ist im BDG 1979 aber die Erstattung der Disziplinaranzeige auch durch den mittelbar zur Führung der Dienstaufsicht berufenen Vorgesetzten vorgesehen. In Fragen der Dienstaufsicht ist das daher letztlich auch die oberste Dienstbehörde. |
Normen | |
RS 3 | Der Hinweis auf eine langjährige und allgemein bekannte Übung kann das Erfordernis einer entsprechenden festen Geschäftsverteilung nach § 101 Abs 4 BDG 1979 nicht ersetzen. Wie aus den Worten "und die Geschäfte unter diese zu verteilen" (§ 101 Abs 4 BDG 1979) erhellt, setzt eine feste Geschäftsverteilung begrifflich voraus, daß der nach dem Anfall einer Rechtssache bei der Disziplinarkommission einsetzende Vorgang der Ermittlung des nach der Geschäftsvertielung zuständigen Senates und der Weiterleitung der Akten an diesen keines Willensaktes eines Organwalters bedürftig sein darf. Der Vorsitzende der Disziplinarkommission ist daher verhalten, die Zuständigkeit der einzelnen Senate in der Geschäftsverteilung, die ihrer Rechtsnatur nach als Verordnung zu qualifizieren ist, generell - abstrakt festzusetzen und diese ortsüblich kundzumachen. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführes Kommissär Mag. Fritz, über den Antrag des NN in W, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Der am eingelangte Antrag des NN auf Prüfung einer Ablehnung wegen möglicher Befangenheit in der Person des Hofrates des Verwaltungsgerichtshofes Dr. X in seiner Beschwerdesache gegen den Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten vom , Zl. 1/1-DK/92, betreffend Einleitung des Disziplinarverfahrens, wird abgewiesen.
Begründung
Mit an den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes gerichtetem und beim Verwaltungsgerichtshof am eingelangtem Schriftsatz zeigt der Antragsteller eine "mögliche Befangenheit" des Mitgliedes des Verwaltungsgerichtshofes Dr. X an. Begründend führt der Antragsteller hiezu aus, im Zusammenhang mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zu Zl. 90/12/0159 habe im Mai oder Juni 1991 ein Gespräch mit dem Leiter der Abteilung nn im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten, Ministerialrat Mag. A, stattgefunden, wobei der Genannte den Eindruck erweckt habe, er könne auf Grund seiner guten persönlichen Bekanntschaft mit dem Mitglied des Verwaltungsgerichtshofes Dr. X "Einfluß auf den erkennenden Senat des Verwaltungsgerichtshofes nehmen".
Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.
Gemäß § 31 Abs. 1 Z. 5 VwGG haben sich Mitglieder des Gerichtshofes und Schriftführer unter Anzeige an den Präsidenten der Ausübung ihres Amtes wegen Befangenheit unter anderem dann zu enthalten, wenn (andere als die in den Z. 1 bis 4 des § 31 Abs. 1 angeführte) wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, in ihre volle Unbefangenheit Zweifel zu setzen. Nach § 31 Abs. 2 leg. cit. können aus den im § 31 Abs. 1 angegebenen Gründen Mitglieder des Gerichtshofes und Schriftführer auch von den Parteien abgelehnt werden. Stützt sich die Ablehnung auf § 31 Abs. 1 Z. 5 VwGG, so hat die Partei die hiefür maßgebenden Gründe glaubhaft zu machen.
Gemäß § 31 Abs. 2 dritter Satz VwGG entscheidet über die Ablehnung in Abwesenheit des Abgelehnten der für die Rechtssache zuständige Senat durch Beschluß; bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.
Aus dem Zusammenhalt dieser Bestimmungen, insbesondere aus dem zweiten Halbsatz des dritten Satzes des § 31 Abs. 2 leg. cit., folgt: Im Falle der Ablehnung des Vorsitzenden oder von Mitgliedern des für die Rechtssache zuständigen Senates hat (haben) nicht der nach der Geschäftsverteilung vorgesehene Ersatzvorsitzende oder das (die) nach der Geschäftsverteilung vorgesehene(n) Ersatzmitglied (Ersatzmitglieder) in diesen Senat einzutreten. Wird - wie im gegenständlichen Falle - nur ein Mitglied des für die Rechtssache zuständigen Senates abgelehnt, so ist - abweichend von den §§ 11 bis 13 leg. cit. - in einem aus dem Vorsitzenden und den nicht abgelehnten drei weiteren Mitgliedern gebildeten Senat (Vierersenat) über den Ablehnungsantrag zu entscheiden (vgl. im Zusammenhang den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Feber 1984, Zl. 84/08/0012).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung zu § 31 VwGG zum Ausdruck gebracht hat, liegt das Wesen einer zur Amtsenthaltung verpflichtenden Befangenheit in der Hemmung einer unparteiischen Entschließung durch unsachliche Motive (vgl. hiezu den obangeführten Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes und die dort zitierte Vorjudikatur).
Entscheidend ist ausschließlich, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlaß hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. Dies ist hier nicht der Fall.
Der Antragsteller hat nach Meinung des zur Entscheidung berufenen Senates bei vernünftiger Würdigung aller Umstände keinen Anlaß, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters Dr. X zu zweifeln.
Aus dem Umstand, daß der Antragsteller bei einem Gespräch mit einem Ministerialrat seiner Dienststelle den Eindruck gewinnen konnte, daß dieser auf Grund seiner guten persönlichen Bekanntschaft mit dem Richter Dr. X einen "Einfluß auf die Rechtsprechung des zur Entscheidung berufenen Senates nehmen könne", läßt sich eine begründete Besorgnis der Befangenheit des genannten Richters nicht herleiten. Der genannte Richter hat in seiner schriftlichen Stellungnahme dazu erklärt, daß er Ministerialrat Mag. A zwar persönlich kenne, eine über das Kennen hinausgehende persönliche Beziehung mit diesem bestehe jedoch nicht.
Der Antragsteller sieht in seinem Vorbringen selbst nur einen "möglichen Befangenheitsgrund". Er stellt eine Behauptung auf, eine Glaubhaftmachung im Sinne des Gesetzes bleibt er damit schuldig.
Es war daher der vorliegende Ablehnungsantrag abzuweisen.
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungsdatum:
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des Dr. NN in W, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten vom , Zl. 1/1-DK/92, betreffend Einleitungsbeschluß, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Rahmen der Anfechtung, d.h. insoweit, als mit ihm beschlossen wurde, gemäß § 123 Abs. 1 BDG 1979 gegen den Beschwerdeführer ein Disziplinarverfahren einzuleiten, wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Legationsrat in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; seine Dienststelle ist das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten.
Nach den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erstattete die Dienstbehörde mit Schreiben vom (- neben der Mitteilung über die erfolgte vorläufige Suspendierung an die Disziplinarkommission -) eine Disziplinaranzeige an diese. Demnach bestehe gegen den Beschwerdeführer der begründete Verdacht folgender Dienstpflichtverletzungen:
Nichtbeachtung der geltenden Rechtsordnung bei der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben (Verstoß gegen § 43 Abs. 1 BDG 1979);
Unterlassung der Unterstützung seiner Vorgesetzten und
Nichtbefolgung von Dienstaufträgen (Weisungen) der Vorgesetzten (Verstoß gegen § 44 Abs. 1 BDG 1979);
Nichteinhaltung der im Dienstplan vorgeschriebenen Dienststunden (Verstoß gegen § 48 Abs. 1 BDG 1979);
Nichtbefolgung der Anordnung der Dienstbehörde, sich einer ärztlichen Untersuchung zwecks Feststellung seiner geistigen Eignung für den Dienst zu unterziehen (Verstoß gegen § 52 BDG 1979), sowie
Unterlassung eines (dienstlichen) Verhaltens, durch das ihm das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bliebe (Verstoß gegen § 43 Abs. 2 BDG 1979)."
Der diesen Anschuldigungen zugrunde liegende Sachverhalt wurde von der Dienstbehörde eingehend dargelegt.
Die am unter Zl. 1/1-DK/92 protokollierte Disziplinaranzeige wurde nach einem handschriftlichen Vermerk "auf Weisung des Vorsitzenden dem 2. Senat zugewiesen".
Auch die auf der Disziplinaranzeige handschriftlich abgegebenen Befangenheitserklärungen des 1. und 2. Vorsitzenden zeigen, daß der 2. Senat der Disziplinarkommission tätig geworden ist.
Der Spruch des nunmehr angefochtenen Bescheides, der nicht bescheidmäßig gegliedert ist, an dessen Bescheidqualität aber kein Zweifel besteht, lautet - soweit dem für den Beschwerdefall Bedeutung zukommt - wie folgt:
Beschluß
Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten hat am durch Gesandten Dr. A als Senatsvorsitzenden sowie Gesandten Dr. B und Gesandten Dr. C als weitere Mitglieder des Disziplinarsenats gegen
LEGATIONSRAT DR. NN
beschlossen, gemäß § 123 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes, BGBl. 333/1979 (BDG), ein Disziplinarverfahren einzuleiten, und zwar wegen des Verdachts des Verstoßes gegen die allgemeine Dienstpflicht nach § 43 Abs. 1 BDG zur gewissenhaften Erfüllung der dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung mit den dem Beamten zu Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem und des Verdachtes des Verstoßes gegen die Dienstpflicht gegenüber Vorgesetzten nach § 44 Abs. 1 BDG zur Unterstützung der Vorgesetzten und der Befolgung ihrer Weisungen, begangen durch generelle und fortgesetzte Dienstverweigerung."
Nach zusammengefaßter Wiedergabe des Sachverhaltes auf Grund der Disziplinaranzeige der Dienstbehörde führt die belangte Behörde hinsichtlich des nunmehr bekämpften Einleitungsbeschlusses weiter aus, sie sei der Auffassung, daß das Verfahren aus prozeßökonomischen Gründen auf die Untersuchung und rechtliche Bewertung des Tatbestandes der generellen und fortgesetzten Dienstverweigerung eingeschränkt werden solle. Die generelle und fortgesetzte Dienstverweigerung stelle nach Auffassung der belangten Behörde ein derart schweres Disziplinarvergehen dar, daß - ohne den konkreten Fall präjudizieren zu wollen - hiefür nur die Verhängung einer Disziplinarstrafe jenseits von § 92 Abs. 1 Z. 2 BDG 1979 in Frage komme. Die anderen in weiterer Folge vom Dienstgeber angesprochenen möglichen Disziplinarvergehen würden dem gegenüber nicht ins Gewicht fallen. Angesichts des denkbaren Ausganges des nunmehr eingeleiteten Disziplinarverfahrens müßte es im übrigen im eigenen Interesse des Beschwerdeführers liegen, eine amtsärztliche Überprüfung seines Gesundheitszustandes zu erwirken. Nach § 123 Abs. 1 BDG 1979 habe die Disziplinarkommision nach Einlangen der Disziplinaranzeige darüber zu beschließen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen sei. Die Disziplinarkommission sei der Auffassung, daß die in der Disziplinaranzeige gegen den Beschwerdeführer enthaltene Darstellung hinsichtlich des Vorwurfes der generellen und fortgesetzten Dienstverweigerung ausreiche, um auf ihrer Grundlage die Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu beschließen.
Gegen diesen Bescheid, soweit damit die Einleitung eines Disziplinarverfahrens verfügt wurde, richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Aufhebung begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bekämpft den Bescheid insoweit, als durch ihn die Einleitung eines Disziplinarverfahrens verfügt wurde. Er sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht darauf, daß gegen ihn ein Disziplinarverfahren ohne Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 91 ff BDG 1979 nicht eingeleitet wird, durch unrichtige Anwendung dieser Normen, insbesondere der §§ 91, 94, 101 Abs. 4 und 118 BDG 1979 sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung verletzt.
Die Beschwerde bringt als Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde primär im wesentlichen vor, nach § 109 BDG 1979 sei die erste Vorstufe eines Disziplinarverfahrens die Disziplinaranzeige, die vom "unmittelbar oder mittelbar zur Führung der Dienstaufsicht berufenen Vorgesetzten (Dienstvorgesetzten)" zu erstatten sei. Fehle es daran, so könne kein Disziplinarverfahren eingeleitet werden. Die Abteilung VI.1 sei zwar für Dienstrechtsangelegenheiten zuständig, das könnte jedoch höchstens eine Kompetenz im Sinne des § 110 BDG 1979 (Weiterleitung einer erstatteten Disziplinaranzeige) ergeben, nicht jedoch die Kompetenz nach § 109 BDG 1979 auf Erstattung der Disziplinaranzeige. Es gehe hiebei durchaus auch um konkrete Fragen, weil der zuständige Vorgesetzte wohl Gründe dafür gehabt haben müsse, daß er keine Disziplinaranzeige erstattet habe.
Nach § 109 Abs. 1 BDG 1979, BGBl. Nr. 333, hat der unmittelbar oder mittelbar zur Führung der Dienstaufsicht berufene Vorgesetzte (Dienstvorgesetzte) bei jedem begründeten Verdacht einer Dienstpflichtverletzung die zur vorläufigen Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Erhebungen zu pflegen und sodann unverzüglich im Dienstweg der Dienstbehörde Disziplinaranzeige zu erstatten. Erweckt der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung auch den Verdacht einer von Amts wegen zu verfolgenden gerichtlich strafbaren Handlung, so hat sich der Dienstvorgesetzte in dieser Eigenschaft jeder Erhebung zu enthalten und sofort der Dienstbehörde zu berichten. Diese hat gemäß § 84 der Strafprozeßordnung 1975, BGBl. Nr. 631, vorzugehen. Nach Abs. 2 der genannten Bestimmung ist von einer Disziplinaranzeige an die Dienstbehörde abzusehen, wenn nach Ansicht des Dienstvorgesetzten eine Belehrung oder Ermahnung ausreicht. Die Dienstbehörde hat gemäß Abs. 3 der genannten Bestimmung, sofern es sich nicht um eine Selbstanzeige handelt, eine Abschrift der Disziplinaranzeige unverzüglich dem Beschuldigten zuzustellen.
Nach § 110 Abs. 1 hat die Dienstbehörde auf Grund der Disziplinaranzeige oder des Berichtes des Dienstvorgesetzten
eine Disziplinarverfügung zu erlassen oder
die Disziplinaranzeige an den Vorsitzenden der Disziplinarkommission und an den Disziplinaranwalt weiterzuleiten.
Nach Abs. 2 der genannten Bestimmung kann die Dienstbehörde von der Erlassung einer Disziplinarverfügung oder der Weiterleitung der Disziplinaranzeige absehen, wenn das Verschulden geringfügig ist und die Folgen der Dienstpflichtverletzung unbedeutend sind. Auf Verlangen des Beamten ist dieser hievon formlos zu verständigen.
Der Beschwerde ist beizupflichten, daß das BDG 1979 von einem abgestuften Verfahren ausgeht, dessen erster Schritt grundsätzlich beim Dienstvorgesetzten liegt, der im Rahmen der ihn treffenden Verpflichtung zur Dienstaufsicht Vorerhebungen vorzunehmen und dann zu entscheiden hat, ob eine Belehrung oder Ermahnung ausreicht, oder ob die Dienstbehörde zu befassen ist. Bei diesen im Vorfeld eines Disziplinarverfahrens zu treffenden Maßnahmen handelt es sich noch nicht um ein förmliches Disziplinarverfahren; es gibt daher in diesem Vorverfahren auch noch keine Parteienrechte (iS des AVG); der verdächtigte Beamte ist - unbeschadet der sich aus dem 9. Abschnitt ergebenden Vorwirkungen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 90/09/0152) - weisungsgebundener Organwalter wie jeder andere Beamte auch. Erst mit der Erstattung der Disziplinaranzeige bzw. Selbstanzeige nach § 111 BDG 1979 bei der Dienstbehörde beginnt das dienstbehördliche Disziplinarverfahren, auf das die im § 105 BDG genannten Verfahrensregeln anzuwenden sind.
Offenbar um dem in der Praxis nicht auszuschließenden Fall eines Zusammenwirkens zwischen dem unmittelbaren Vorgesetzten und einem ihm nachgeordneten Beamten vorzubeugen, oder sonstigen Nachlässigkeiten des unmittelbaren Vorgesetzten, wie beispielsweise der Dienstpflichtverletzung der mangelnden Dienstaufsicht, entsprechend und frühzeitig begegnen zu können, ist im BDG 1979 aber die Erstattung der Disziplinaranzeige auch durch den mittelbar zur Führung der Dienstaufsicht berufenen Vorgesetzten vorgesehen. In Fragen der Dienstaufsicht ist das daher letztlich auch die oberste Dienstbehörde.
Bezogen auf den Beschwerdefall bedeutet das aber, daß - ungeachtet der Frage, ob und welche Dienstpflichtverletzung den in der Weisungshierarchie dem Beschwerdeführer übergeordneten Beamten allenfalls anzulasten sein kann - die Verpflichtung zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens letztlich beim Leiter der obersten Dienstbehörde als mittelbar zur Führung der Dienstaufsicht berufenen Vorgesetzten liegt. Von dieser Zuständigkeit hat vorliegendenfalls die Dienstbehörde in Form einer Disziplinaranzeige an die Disziplinarkommission Gebrauch gemacht. Die insoweit behauptete Unzuständigkeit ist daher nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht gegeben.
Die Beschwerde macht als weitere Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend, daß diese ohne eine Geschäftseinteilung im Sinne des § 101 Abs. 4 BDG 1979 agiere. Zwar gäbe es Senatszusammenstellungen, jedoch keine Verteilung der Geschäfte unter diese Senate, wie es die vorgenannte Norm verlange. Somit könne keiner der Senate im Sinne des Gesetzes zuständig sein, was mit einer Unzuständigkeit der Behörde selbst gleichzusetzen sei.
Nach § 101 Abs. 1 BDG 1979 haben die Disziplinarkommissionen und die Disziplinaroberkommission in Senaten zu entscheiden. Die Senate haben aus dem Vorsitzenden der Kommission oder einem seiner Stellvertreter als Senatsvorsitzenden und zwei weiteren Mitgliedern zu bestehen. Nach Abs. 4 der genannten Bestimmung, hat der Vorsitzende jeder Kommission jeweils bis zum Jahresschluß für das folgende Kalenderjahr die Senate zu bilden und die Geschäfte unter diese zu verteilen.
Zu dem Beschwerdevorbringen des Zuständigkeitsmangels der belangten Behörde im Hinblick auf die angeblich unvollständige Geschäftsverteilung hat die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift ausgeführt, die Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten bestehe gemäß einer "langjährigen und allgemein bekannten Übung darin, daß die Disziplinarfälle je nach ihrem chronologischen Auftreten im Laufe des Kalenderjahres den einzelnen Senaten entsprechend ihrer Numerierung zugeteilt werden, d.h. der erste Fall dem Senat 1, der zweite Fall dem Senat 2 usw."
Bereits diese Ausführungen zeigen, daß der Beschwerde in diesem Punkte Berechtigung zukommt.
Der Geschäftsverteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten ist zwar die Zusammensetzung der Senate, nicht aber - entgegen der Regelung des § 101 Abs. 4 BDG 1979 - zu entnehmen, wie die Geschäfte unter diese verteilt worden sind. Der Hinweis auf eine langjährige und allgemein bekannte Übung kann das Erfordernis einer entsprechenden festen Geschäftsverteilung nach § 101 Abs. 4 BDG 1979 nicht ersetzen.
Wie aus den Worten "und die Geschäfte unter diese zu verteilen" (§ 101 Abs. 4 BDG 1979) erhellt, setzt eine feste Geschäftsverteilung begrifflich voraus, daß der nach dem Anfall einer Rechtssache bei der Disziplinarkommission einsetzende Vorgang der Ermittlung des nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senates und der Weiterleitung der Akten an diesen keines Willensaktes eines Organwalters bedürftig sein darf. Der Vorsitzende der Disziplinarkommission ist daher verhalten, die Zuständigkeit der einzelnen Senate in der Geschäftsverteilung, die ihrer Rechtsnatur nach als Verordnung zu qualifizieren ist, generell - abstrakt festzusetzen und diese ortsüblich kundzumachen. Im übrigen wäre der vorliegende Beschwerdefall, dem Vorbringen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift folgend, daß Disziplinarfälle nach ihrem chronologischen Auftreten im Laufe des Kalenderjahres den einzelnen Senaten entsprechend ihrer Numerierung zugeteilt werden, als erster Fall des Jahres 1992 dem Senat 1 und nicht - wie sich aus der persönlichen Zusammensetzung in Verbindung mit der Weisung des Vorsitzenden und unter Berücksichtigung der Befangenheitserklärungen ergibt - dem Senat 2 zuzuteilen gewesen.
Da solcherart weder die Frage der Zuständigkeit hinreichend geregelt, noch tatsächlich der nach Auffassung der belangten Behörde zuständige Senat entschieden hat, mußte der angefochtene Bescheid insoweit damit gemäß § 123 Abs. 1 BDG 1979 beschlossen worden war, das Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdeführer einzuleiten, schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben werden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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Schlagworte | Einfluß auf die Sachentscheidung |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1992:1992090120.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
IAAAE-35483