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VwGH vom 01.07.2005, 2001/03/0052

VwGH vom 01.07.2005, 2001/03/0052

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer sowie die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des JK in W, vertreten durch Dr. Michael Kinberger und Dr. Alexander Schuberth, Rechtsanwälte in 5700 Zell am See, Salzachtal Bundesstraße 13, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom , Zl. uvs-2000/10/059-3, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995 zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird hinsichtlich des Schuldspruches als unbegründet abgewiesen. Im Übrigen, also hinsichtlich des Ausspruches über die verhängte Strafe und die diesbezüglichen Kosten des Berufungsverfahrens, wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe am als Lenker eines dem Kennzeichen nach näher bezeichneten LKWs, wie bei einer Kontrolle auf der Brennerautobahn A 13 bei km 10,7 im Gemeindegebiet von Schönberg i.St. am um 18.20 Uhr festgestellt worden sei, eine ökopunktepflichtige Transitfahrt durch das Gebiet der Republik Österreich von Deutschland kommend in Richtung Italien von Kufstein/Kiefersfelden bis zum Anhalteort durchgeführt und dabei entgegen der Bestimmung des Artikel 1 Abs. 1 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 idF der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 keine ordnungsgemäß ausgefüllte und entwertete Ökokarte mitgeführt, wobei auch keine automatische Abbuchung der erforderlichen Ökopunkte durch das mitgeführte Ecotag-Gerät erfolgt sei, weil der Frächter laut elektronischem Abbuchungssystem bzw. das vom Beschwerdeführer gelenkte Fahrzeug als gesperrt aufgeschienen seien.

Der Beschwerdeführer habe dadurch die Bestimmungen des § 23 Abs. 1 Z. 8 des Güterbeförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 593/1995 idF BGBl. I Nr. 17/1998, in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 lit. a und Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 idF der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 verletzt; über ihn wurde gemäß § 23 Abs. 1 iVm § 23 Abs. 2 zweiter Satz Güterbeförderungsgesetz idF der Novelle BGBl. I Nr. 17/1998 eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- (EUR 1.453,46), Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage, verhängt.

In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, aus der Stellungnahme des Amtes der Salzburger Landesregierung vom habe sich ergeben, dass die Firma A. S. am davon verständigt worden sei, dass sie gesperrt sei, weil keine Ökopunkte mehr auf dem Konto aufgeschienen seien. Zum Tatzeitpunkt am sei die Firma A. S. immer noch gesperrt gewesen. Auf Grund dieser langen Sperre sei es dem Beschwerdeführer ohne weiteres zumutbar gewesen, sich über das Vorhandensein von Ökopunkten zu informieren. Da der Beschwerdeführer dies im gegenständlichen Fall unterlassen habe, habe er auch die Folgen dieser Unterlassung zu tragen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission hat der Fahrer eines Lastkraftwagens im Hoheitsgebiet Österreichs "die nachstehend angeführten Unterlagen mitzuführen und diese auf Verlangen den Aufsichtsbehörden zur Prüfung vorzulegen, entweder:

a) ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt; ein Muster dieser als "Ökokarte" bezeichneten Bestätigung ist in Anhang A enthalten; oder

b) ein im Kraftfahrzeug eingebautes elektronisches Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht und als 'Umweltdatenträger' ('ecotag') bezeichnet wird; oder

c) die in Artikel 13 aufgeführten geeigneten Unterlagen zum Nachweis darüber, dass es sich um eine Fahrt gemäß Anhang C handelt, für die keine Ökopunkte benötigt werden; oder

d) geeignete Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass es sich nicht um eine Transitfahrt handelt und, wenn das Fahrzeug mit einem Umweltdatenträger ausgestattet ist, dass dieser für diesen Zweck eingestellt ist. (...)"

Gemäß Art. 2 Abs. 1 erster Satz der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der VO (EG) Nr. 1524/96 der Kommission wird, soweit das Fahrzeug keinen Umweltdatenträger benutzt, die erforderliche Anzahl von Ökopunkten auf die Ökokarte aufgeklebt und entwertet.

Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass er die in Rede stehende Transitfahrt ohne Entwertung von Ökopunkten durchgeführt hat, macht jedoch als Spruchfehler geltend, dass die belangte Behörde gemäß § 44a Z. 2 VStG als durch die Tat verletzte Verwaltungsvorschrift Art. 1 Abs. 1 lit. a und Art. 2 Abs. 1 Untersatz 1 der zitierten Verordnung angeführt habe. Art. 1 Abs. 1 lit. a der genannten Verordnung betreffe nur Fahrzeuge, die ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular verwendeten, und nicht Fahrzeuge, die nach Art. 1 Abs. 1 lit. b leg. cit. mit einem in das Kraftfahrzeug eingebauten elektronischen Gerät ausgestattet seien. Ebenso beziehe sich Art. 2 Abs. 1 nur auf Fahrzeuge, die nicht mit einem Umweltdatenträger versehen seien.

Dem ist entgegenzuhalten, dass sich aus Art. 1 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission idF der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission ergibt, dass der Fahrer eines Lastkraftwagens der darin statuierten Verpflichtung nur dann entspricht, wenn das mitgeführte Gerät eine automatische Entwertung der Ökopunkte "ermöglicht". Dies war bei der im Beschwerdefall durchgeführten Transitfahrt mangels Vorhandenseins eines Ökopunkteguthabens nicht der Fall. Der Beschwerdeführer hätte daher - da auch die Tatbestände der lit. c und d des Art. 1 Abs. 1 der angeführten Verordnung nicht gegeben waren - gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. a eine Ökokarte mitzuführen gehabt, auf der die erforderliche Anzahl von Ökopunkten im Sinne des Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 1 dieser Verordnung aufgeklebt und entwertet war (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/03/0262). Der vom Beschwerdeführer zu diesem Punkt gerügte Spruchfehler liegt daher nicht vor.

Der Beschwerdeführer ist auch nicht im Recht, wenn er meint, dass die Angabe der Tatzeit im angefochtenen Bescheid den Anforderungen des § 44a VStG nicht genüge, weil nur festgehalten worden sei, dass die angebliche Verwaltungsübertretung am um 18.20 Uhr "festgestellt" worden sei.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Vorschrift des § 44a Z. 1 VStG dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch des Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem § 44a Z. 1 VStG genügt oder nicht genügt, mithin ob die erfolgte Tatort- und Tatzeitangabe im konkreten Fall das Straferkenntnis als rechtmäßig oder rechtswidrig erscheinen lässt. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den oben wiedergegebenen Rechtschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis sein (vgl. dazu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren II2, zu § 44a VStG bei E 15 zitierte hg. Rechtsprechung).

Es besteht kein Zweifel, dass die mit dem angefochtenen Bescheid vorgeworfene Tat so konkret umschrieben ist, dass der Beschwerdeführer in die Lage versetzt war, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene - relevante - Beweise anzubieten, und zum anderen, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides ausreichend konkret ist, um den Beschwerdeführer davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens noch einmal zu Verantwortung gezogen zu werden. Aus dem Spruch ergibt sich in eindeutiger Weise, dass jene Transitfahrt durch Österreich gemeint ist, bei der der Beschwerdeführer zum angeführten Zeitpunkt auf der Brennerautobahn A 13 bei km 10,7 im Gemeindegebiet von Schönberg i.St. angehalten wurde. Die Tatzeit ist daher mit der Angabe des (Anhalte)Zeitpunktes hinreichend konkretisiert (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/03/0124).

Es kann auch den weitwendigen Ausführungen des Beschwerdeführers nicht gefolgt werden, dass im erstinstanzlichen und im angefochtenen Bescheid unterschiedliche Tatortangaben angeführt worden seien, die sich in wesentlichen Elementen widersprächen. Der belangten Behörde kann vielmehr nicht entgegen getreten werden, wenn sie mit Rücksicht auf ihre Verpflichtung als Berufungsbehörde (einen allenfalls fehlerhaften Abspruch der ersten Instanz richtig zu stellen oder zu ergänzen) den Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses durch eine geringfügige Ergänzung der Umschreibung des Tatortes verdeutlichte. Dem stand weder die Verfolgungsverjährung entgegen noch ist eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers durch diese Verdeutlichung der Tatortumschreibung zu erkennen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/02/0237).

Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Auffassung der belangten Behörde, die ihm angelastete Tat sei ihm auch in subjektiver Hinsicht vorzuwerfen, wendet, ist festzuhalten, dass die Verpflichtungen nach Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 den Beschwerdeführer als den eine Transitfahrt mit einem Lastkraftwagen durchführenden Lenker treffen, nicht aber seinen Arbeitgeber (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/03/0354). Nach der ständigen hg. Rechtsprechung hat sich der Lenker eines Kraftfahrzeuges bei einer Transitfahrt im Falle der Benutzung eines Umweltdatenträgers bereits vor der Einreise in das Hoheitsgebiet Österreichs auf geeignete Weise davon zu überzeugen, dass mit diesem eine automatische Abbuchung von Ökopunkten auch möglich ist. Daraus folgt u.a. die Verpflichtung des Lenkers, sich bereits vor der Einreise umfassend nicht nur hinsichtlich der Funktionstüchtigkeit des Gerätes zu informieren, sondern auch darüber, ob nicht etwa mangels gedecktem Ökopunktekonto bzw. Sperre des Frächters eine Abbuchung von Ökopunkten unmöglich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/03/0243).

Der Beschwerdeführer hat jedoch nach den (diesbezüglich unbestritten gebliebenen) Feststellungen des angefochtenen Bescheides überhaupt keine Auskunft über die Verfügbarkeit von "Ökopunkten" eingeholt. Damit fällt ihm eine als Verschulden zu qualifizierende Sorgfaltsverletzung zur Last. Bei dieser Sachlage kommt es auf seinen Einwand, dass er sich auf die Informationen des Arbeitgebers verlassen müsse und der Arbeitgeber von der Sperre selbst nichts gewusst habe, nicht mehr an.

Im Hinblick auf die Tatbildmäßigkeit der vorliegenden Übertretung und das Verschulden des Beschwerdeführers an der verfahrensgegenständlichen Verwaltungsübertretung war die Beschwerde daher nicht begründet.

Dennoch liegt jedoch eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vor:

In seinem Erkenntnis vom , G 181/01, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Wortfolge "und Z 7 bis 9" im zweiten Satz des § 23 Abs. 2 des Güterbeförderungsgesetzes 1995, BGBl. Nr. 593, idF BGBl. I Nr. 17/1998, verfassungswidrig war. Im genannten Erkenntnis, kundgemacht im Bundesgesetzblatt am unter BGBl. I Nr. 37, hat der Verfassungsgerichtshof ferner - gestützt auf Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG - Folgendes ausgesprochen:

"(2) Die verfassungswidrige Bestimmung ist insofern nicht mehr anzuwenden, als sie sich auf die Z 8 bezieht."

Da der zuletzt genannte Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes die Anwendung der als verfassungswidrig festgestellten gesetzlichen Bestimmung auch im vorliegenden Beschwerdefall ausschließt, erweist sich der Ausspruch über die im Beschwerdefall gemäß § 23 Abs. 2 zweiter Satz des Güterbeförderungsgesetzes 1995 verhängte Mindeststrafe von S 20.000,-- als inhaltlich rechtswidrig.

Der angefochtene Bescheid war daher in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am