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VwGH vom 10.12.1991, 87/14/0099

VwGH vom 10.12.1991, 87/14/0099

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr Schubert sowie die Hofräte Dr Hnatek, Dr Pokorny, Dr Karger und Dr Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr Kirchmayr, über die Beschwerde des Mag J in P, vertreten durch Dr K, Rechtsanwalt in O, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom , Zl 130-GA3-Em/85, betreffend Eintragung eines Freibetrages in die Lohnsteuerkarte für das Jahr 1984 wegen erhöhter Werbungskosten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von 11.240 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer unterrichtet an einem Bundesgymnasium Englisch und Geschichte. Am beantragte er - neben im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mehr strittigen Aufwendungen - die Berücksichtigung von 56.942 S als Werbungskosten. Diese Aufwendungen sind im Rahmen eines 1984 durchgeführten Schüleraustausches nach Schottland angefallen. Es handelt sich dabei um Kosten für die Vorbereitung des Schüleraustausches im August 1984 und um Kosten als Begleitperson des Schüleraustausches vom 13. September bis .

Das Finanzamt wies diesen Antrag unter Hinweis auf die allgemeine Werbungskostendefinition des § 16 Abs 1 erster Satz EStG 1972 ab.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und begründete diese damit, daß gemäß § 2 der Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom , BGBl Nr 369/1974, in der Fassung BGBl Nr 234/1978 und Nr 470/1978, der Schüleraustausch eine Schulveranstaltung sei. Für die durchgeführte Reise sei ein entsprechender Dienstauftrag vorgelegen. Diesem habe er sich nicht entziehen können, somit sei die Reise zur Sicherung seiner Einkünfte notwendig gewesen und erfülle damit die Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 EStG 1972.

In der abweisenden Berufungsvorentscheidung stellte das Finanzamt darauf ab, daß laut Auskunft des Landesschulrates keinerlei berufliche Nachteile aus einer allfälligen Ablehnung der Teilnahme am Schüleraustausch erwachsen wären. Zum erteilten Dienstauftrag führte das Finanzamt aus, daß dieser erst nach einem entsprechenden Antrag des Bundesgymnasiums an den Landesschulrat erteilt worden sei. Dem Antrag sei wiederum eine Absprache mit dem Lehrkörper vorausgegangen. Der Beschwerdeführer hätte schon bei der Aussprache mit dem Schulleiter die Möglichkeit gehabt, auf die Teilnahme zu verzichten, ohne daß ihm daraus berufliche Nachteile erwachsen wären. Weiters scheide auch eine Qualifikation als Fortbildungskosten aus, weil dem Beschwerdeführer als Begleitperson bereits entsprechende Kenntnisse zugemutet werden müßten.

Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz nahm der Beschwerdeführer zu den Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung nicht Stellung.

Nachdem die belangte Behörde mit dem für den Beschwerdeführer zuständigen Landesschulrat (Dienstbehörde) Verbindung aufgenommen hatte, um so vom Ablauf des Schüleraustausches und dem dem Beschwerdeführer gewährten Kostenzuschuß informiert zu werden, wies sie die Berufung mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und unter Hinweis auf die Bestimmung des § 16 Abs 1 EStG 1972 sowie eines hg Erkenntnisses im wesentlichen mit folgender Begründung ab:

Die Initiative für den Schüleraustausch gehe vom Lehrer selbst bzw vom Lehrer in Absprache mit der Schulklasse aus. Überdies sei dem Beschwerdeführer als Begleitperson ein Reisekostenzuschuß seitens der Dienstbehörde gewährt worden; dieser umfaßte neben den Fahrtspesen täglich einen Betrag von 450 S zur Bestreitung der übrigen Aufwendungen. Insgesamt gesehen sei aber die Teilnahme am Schüleraustausch freiwillig erfolgt; eine Ablehnung an der Teilnahme hätte keinerlei berufliche und/oder finanzielle Nachteile bewirkt. Den Aufwendungen fehle daher der Werbungskostencharakter.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die in Frage stehenden Aufwendungen seien unter § 16 Abs 1 Z 9 EStG 1972 zu subsumieren, wobei tatbestandsrelevant allein der Kausalzusammenhang mit dem Beruf sei. Es sei sowohl der Grundsatz der amtswegigen Sachverhaltsermittlungspflicht als auch der des Parteiengehörs verletzt worden. Bei der Anfrage an den Landesschulrat sei die Behörde von einem vorgefaßten Sachverhaltsbild geleitet gewesen. Darüber hinaus sei die Stellungnahme des Landesschulrates dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gebracht und daher das Recht zur allfälligen Gegenäußerung verletzt worden.

In der Gegenschrift hält die belangte Behörde ihre Meinung, daß die in Frage stehenden Aufwendungen gegebenenfalls unter den allgemeinen Werbungskostentatbestand des § 16 Abs 1 Satz 1 EStG 1972 zu subsumieren seien, nicht mehr aufrecht. Der Schüleraustausch sei vielmehr eine im Rahmen der Schulausbildung erfolgte Veranstaltung, auf die § 16 Abs 1 Z 9 EStG 1972 (Reisekosten) anwendbar sei. Eine ausschließlich beruflich veranlaßte Reise im Sinne dieser Gesetzesstelle betreffe aber nur die Zeit des tatsächlichen Schüleraustausches, also den Zeitraum vom 13. September bis . Diesen Werbungskosten stünden jedoch kostendeckende Ersatzleistungen (Fahrtkosten und Tagesgelder) des Arbeitgebers gegenüber. Nächtigungsaufwendungen bzw -pauschalien seien außer für einen Londonbesuch nicht anzusetzen, weil die Unterbringung von Schülern im Rahmen von Schüleraustauschprogrammen kostenlos bei Gastfamilien erfolge und dies auch für Begleitpersonen angenommen werden könne. Dafür spreche auch, daß der Beschwerdeführer beim Landesschulrat nicht um die Vergütung von Nächtigungsgeldern angesucht habe. Von vornherein nicht anerkannt würden die Aufwendungen zur Vorbereitung des Schüleraustausches im August 1984. Es sei aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht ersichtlich, daß dessen persönlicher Besuch bei der vorgesehenen Partnerschule unbedingt erforderlich gewesen wäre. Es handle sich daher um keine ausschließlich beruflich veranlaßte Reise im Sinn des § 16 Abs 1 Z 9 EStG 1972. Vielmehr müsse angenommen werden, daß die Besuche an der betreffenden High School am 16., 17. und im Rahmen eines privaten Aufenthaltes in Schottland erfolgt, die Aufwendungen hiefür auf Grund der Bestimmung des § 20 Abs 1 Z 2 EStG 1972 den gemischten Aufwendungen zuzurechnen und damit nicht abzugsfähig seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Bei der rechtlichen Qualifikation des festgestellten Sachverhaltes ist zwischen den Reiseaufwendungen als Begleitperson vom 13. September bis und den Reisekosten bei der Vorbereitung des Schüleraustausches im August 1984 zu differenzieren.

Bei ersteren handelt es sich eindeutig um Werbungskosten im Sinn des § 16 Abs 1 Z 9 EStG 1972; diese Auffassung hat auch die belangte Behörde in der Gegenschrift vertreten. Die ausschließlich berufliche Veranlassung resultiert bei diesen Aufwendungen aus dem Umstand, daß sie im Rahmen eines vom Unterrichtsplan (laut Verordnung des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst, BGBl Nr 369/1974, in der Fassung BGBl Nr 234/1978 und Nr 470/1978) vorgesehenen Schüleraustausches angefallen sind, wofür ein Dienstauftrag erteilt und überdies auch noch ein Reisekostenzuschuß seitens der Dienstbehörde gewährt worden ist. Die Frage, ob sich der Beschwerdeführer der dienstlichen Verpflichtung als Begleitperson hätte entziehen können oder nicht, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Die Aufwendungen sind als Werbungskosten dem Grunde nach anzuerkennen. Da jedoch vom Arbeitgeber ein Aufwandersatz geleistet worden ist (Fahrtkosten, Abgeltung des London-Ausfluges und 24 Tagessätze a 450 S), werden die tatsächlich zu berücksichtigenden Werbungskosten im fortzusetzenden Verfahren entsprechend zu kürzen sein.

Der Umfang der Werbungskosten ergibt sich aus § 16 Abs 1 Z 9 in Verbindung mit § 26 Z 7 lit c EStG 1972, welche Bestimmung sowohl für Tages- als auch für Nächtigungsgelder Pauschalien vorsieht. Für diese gilt - wie im hg Erkenntnis vom , 88/14/0197, mit weiteren Hinweisen, ausführlich dargestellt worden ist - die typisierende Betrachtungsweise. Der Gesetzgeber vermutet, daß mit beruflich veranlaßten Reisen ein steuerlich beachtlicher Mehraufwand verbunden ist. Die Regelung des § 16 Abs 1 Z 9 EStG 1972 dient der Vereinfachung für den Steuerpflichtigen und die Abgabenbehörde, indem sie den Steuerpflichtigen vom Nachweis und die Abgabenbehörde von der Überprüfung des Verpflegungsmehraufwandes und der Nächtigungskosten entbindet. Daher hat ein Steuerpflichtiger, der sich für die Pauschalierung des § 16 Abs 1 Z 9 in Verbindung mit § 26 Z 7 EStG 1972 entscheidet, nur den Nachweis über die berufliche Bedingtheit der Reise dem Grunde nach zu führen. Eine Ausnahme besteht lediglich dann, wenn Reiseaufwendungen (Verpflegungs- oder Nächtigungsaufwand) etwa zufolge des Verhaltens des Arbeitgebers gar nicht anfallen können.

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsansicht könnten im Beschwerdefall die Nächtigungspauschalien als Werbungskosten nur dann versagt werden, wenn beim Austauschprogramm die kostenlose Unterbringung der Begleitlehrer bei Gastfamilien zu erfolgen hätte. Die in der Gegenschrift der Behörde getroffene diesbezügliche Annahme ist eine unzureichende Vermutung, die durch das Ermittlungsergebnis nicht gedeckt ist. In dieser Frage wird die Behörde im fortzusetzenden Verfahren noch weitere Ermittlungen durchzuführen haben.

Die Reisekosten im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Schüleraustausches sind unter dem Blickwinkel des § 20 Abs 1 Z 2 EStG 1972 zu prüfen. Sie sind ebenfalls nur dann abzugsfähig, wenn sie im Rahmen einer ausschließlich beruflich veranlaßten Reise (§ 16 Abs 1 Z 9 EStG 1972) angefallen sind.

Der (deutsche) Bundesfinanzhof stellt bei der Beurteilung dieser Frage (BFH vom , Bundessteuerblatt II 1979, S 513) primär auf einen unmittelbaren betrieblichen oder beruflichen Anlaß ab. Grundsätzlich ist zwar bei allen Reisen denkbar, daß sie mehr oder weniger zu privaten Unternehmungen genutzt werden. Die Bedeutung dieser privaten Unternehmungen tritt aber im Gegensatz zu Studienreisen in den Hintergrund, wenn offensichtlich ein unmittelbarer betrieblicher oder beruflicher Anlaß für die Reise besteht. So kann bei einem Steuerpflichtigen, der im Ausland Vertragsverhandlungen führt und die Verhandlungspausen zu Ausflügen nützt, der betriebliche oder berufliche Anlaß der Reise nicht wegen dieser privaten Aspekte in Frage gestellt werden. Die Reise wird - jedenfalls in aller Regel - nicht wegen der Möglichkeit unternommen, Ausflüge zu machen (vgl auch Margreiter, Das Aufteilungs- und Abzugsverbot im Einkommensteuerrecht, Österreichische Steuerzeitung 1984, S 4). Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dieser Rechtsansicht an.

Ob im Beschwerdefall bei den Aufwendungen zur Vorbereitung des Schüleraustausches eine ausschließlich beruflich veranlaßte Reise vorliegt, erscheint fraglich. Die zeitliche Lagerung (16., 17. und 24. August) der Besuche an der schottischen High School ist ein Indiz gegen diese Annahme.

Verhandlungspausen von sechs Tagen sind nur in Ausnahmesituationen zu rechtfertigen, wie zum Beispiel bei besonders umfangreichen oder schwierigen Vorbereitungen. Auch zu diesem Punkt wird die Behörde im fortzusetzenden Verfahren weitere Ermittlungen durchzuführen haben.

Im wesentlichen hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt. Damit hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, was zur Aufhebung dieses Bescheides gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG führen mußte. Es erübrigt sich daher, auf die behauptete Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften einzugehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl Nr 104/1991. Mit dem dort pauschalierten Schriftsatzaufwand ist auch die Umsatzsteuer abgegolten.