VwGH vom 31.03.1992, 87/14/0096
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Baumann, Mag. Heinzl und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde der BG m.b.H. in I, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol vom , Zl. 40.196-4/86, betreffend Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beschäftigte inländische Dienstnehmer auf Großbaustellen im Ausland und bezog deren Löhne in die Bemessungsgrundlage des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen (DB) und des Zuschlages zu diesem Beitrag (DZ) ein. Für den Zeitraum bis fand bei der Beschwerdeführerin eine abgabenbehördliche Prüfung mit dem Ergebnis statt, daß das Finanzamt mit Haftungs- und Zahlungsbescheid Gutschriften mit der Begründung festsetzte, die Löhne der Dienstnehmer, die ununterbrochen länger als ein Jahr auf einer ausländischen Baustelle beschäftigt waren, seien aus der Bemessungsgrundlage des DB und DZ auszuscheiden. In die Bemessungsgrundlage einbezogen blieben die Fälle, in denen das Dienstverhältnis keine zwölf Monate dauerte und in denen vor oder nach einer länger als einen Monat dauernden Unterbrechung der Auslandsbeschäftigung der Auslandsaufenthalt weniger als zwölf Monate währte.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, die im Instanzenzug mit Berufungsvorentscheidung und nach Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz nunmehr mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen wurde. Die belangte Behörde begründete diese Entscheidung unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 735/70, im wesentlichen damit, es habe der Verwaltungsgerichtshof bei Dienstnehmern, die sich gegenüber ihrem Arbeitgeber rechtsgeschäftlich zu einer ein Jahr nicht unterschreitenden Berufstätigkeit verpflichtet hätten, einen Grund dafür gesehen, in objektiver Betrachtungsweise den Schluß ziehen zu können, daß die Arbeitnehmer sich nicht nur vorübergehend am Ort ihrer Tätigkeit aufhalten werden und auf Grund dessen der gewöhnliche Aufenthalt als gegeben anzusehen sei. Das Eingehen dieser rechtsgeschäftlichen Verpflichtung habe somit für den Verwaltungsgerichtshof jenen objektiven Umstand dargestellt, der für die Annahme des gewöhnlichen Aufenthaltes von wesentlicher Bedeutung gewesen sei.
Im vorliegenden Fall fehle aber eine solche "rechtsgeschäftliche Verpflichtung" der Arbeitnehmer. Vielmehr seien die Dienstverhältnisse unbefristet abgeschlossen worden, sodaß kein Hinweis auf die Dauer derselben und damit auf die Dauer des Aufenthaltes am Ort der Tätigkeit ersichtlich sei. Aus den Dienstverträgen könne weder der Schluß gezogen werden, daß die Tätigkeit vorübergehend, noch daß sie nicht vorübergehend gewesen sei.
Daran könnten auch die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Argumente nichts ändern, wie der Hinweis auf den Umstand, daß die Baustellen im Ausland jeweils weit über ein Jahr bestünden und jeder Arbeitnehmer davon bereits bei der Arbeitsaufnahme Bescheid gewußt habe. Es könne daraus noch nichts über die Dauer der Tätigkeit abgeleitet werden, da die Arbeitsverträge unbefristet und nicht für die Dauer der Bauzeit am ausländischen Projekt abgeschlossen worden seien.
Der Unterschied zum Fall, den der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 735/70, behandelt habe, liege darin, daß sich dort die Arbeitnehmer dem Arbeitgeber gegenüber rechtsgeschäftlich zu einer ein Jahr nicht unterschreitenden Berufstätigkeit verpflichtet hätten. Damit hätten auch die Arbeitnehmer selbst zu erkennen gegeben, daß ihre Berufstätigkeit und damit ihr Aufenthalt am Ort der Tätigkeit nicht nur vorübergehend dauern werde. Die Verwaltungspraxis habe sich dahin entwickelt, daß bei einem tatsächlich ein Jahr überschreitenden Aufenthalt im Ausland der gewöhnliche Aufenthalt dort angenommen worden sei. Die an Arbeitnehmer bezahlten Arbeitslöhne seien daher nur dann aus der Bemessungsgrundlage für den DB und den DZ ausgeschieden worden, wenn sie länger als ein Jahr im Ausland beschäftigt gewesen wären.
Weiters hat die belangte Behörde in ihrer Berufungsentscheidung ausgeführt, § 41 Abs. 4 lit. g FLAG i. d.F. BGBl. Nr. 1973/385 könne nur bedeuten, daß nur eine tageweise Anwesenheit im Inland hinsichtlich des ausländischen gewöhnlichen Aufenthaltes nicht schade. Wenn nun aber ein Aufenthalt im Inland von mehr als einem Monat Dauer für die Anwendung der Befreiungsbestimmung schädlich sei, erhebe sich die Frage, wie lange bei einem neuerlichen Aufenthalt im Ausland diese Hinderniswirkung Geltung habe. Dies könne nur solange der Fall sein, als durch den neuerlichen Aufenthalt im Ausland wiederum der gewöhnliche Aufenthalt begründet werde. Dies träfe nach den vorstehenden Ausführungen jedenfalls nach einem weiteren Aufenthalt von einem Jahr zu, wenn nicht andere Umstände vorlägen, die auf den nicht nur vorübergehenden Aufenthalt im Ausland schließen ließen. Solche Umstände lägen aber im gegenständlichen Fall nicht vor. Damit ergebe sich, daß eine Unterbrechung des Auslandsaufenthaltes von zusammenhängend mehr als einem Monat einer Unterbrechung des im Ausland gelegenen gewöhnlichen Aufenthaltes gleichkomme. Damit trete die Wirkung ein, daß von einer neuerlichen Begründung des gewöhnlichen Aufenthaltes im Ausland nur gesprochen werden könne, wenn hiefür wiederum neu die Voraussetzungen erfüllt werden sollten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Beschwerdeführerin in ihrem Recht, Arbeitslöhne, die an Dienstnehmer gewährt werden, die im Ausland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und sich im Bundesgebiet nur vorübergehend, nicht länger als einen Monat aufhalten, gemäß § 41 Abs. 4 lit. g des Familienlastenausgleichsgesetzes beitragsfrei zu stellen, verletzt zu sein behauptet und beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, allenfalls wegen Verfahrensmängeln aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 41 Abs. 1 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG) i.d.F. BGBl. Nr. 1973/385 haben den Dienstgeberbeitrag alle Dienstgeber zu leisten, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigen; als im Bundesgebiet beschäftigt gilt ein Dienstnehmer auch dann, wenn er zur Dienstleistung ins Ausland entsendet ist. Gemäß Abs. 3 leg. cit. ist der Beitrag des Dienstgebers von der Summe der Arbeitslöhne (§ 25 des Einkommensteuergesetzes 1972) zu berechnen, die jeweils in einem Kalendermonat an die in Abs. 1 genannten Dienstnehmer gewährt worden sind, gleichgültig, ob die Arbeitslöhne beim Empfänger der Einkommensteuer unterliegen oder nicht (Beitragsgrundlage). Nach Abs. 4 lit. g leg. cit. gehören zur Beitragsgrundlage nicht Arbeitslöhne, die an Dienstnehmer gewährt werden, die im Ausland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und sich im Bundesgebiet nur vorübergehend, nicht länger als einen Monat aufhalten.
Den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinn der Abgabenvorschriften hat nach § 26 Abs. 2 BAO jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt.
Nach Auffassung der belangten Behörde hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 735/70, das Vorliegen des gewöhnlichen Aufenthaltes davon abhängig gemacht, daß sich der Dienstnehmer gegenüber dem Dienstgeber zu einer mindestens ein Jahr währenden Tätigkeit im Ausland verpflichten müsse, damit ein gewöhnlicher Aufenthalt im Ausland angenommen werden könne.
Tatsächlich hat, wie die Beschwerdeführerin zutreffend in der Beschwerde ausführt, der Verwaltungsgerichtshof in dem erwähnten Erkenntnis nicht das Vorliegen einer zumindest ein Jahr dauernden vertraglichen Verpflichtung, die einen Steuerpflichtigen an einen bestimmten Ort bindet, gefordert; der Gerichtshof hat lediglich unter Hinweis auf § 26 BAO ausgeführt, daß die im Entscheidungsfall gegebene vertragliche Verpflichtung als einer jener objektiv erkennbaren Umstände zu werten wäre, auf Grund dessen ein gewöhnlicher Aufenthalt an einen bestimmten Ort angenommen werden könne. Wie die Beschwerdeführerin weiter zutreffend rügt, ist die belangte Behörde aber von der unzutreffenden Ansicht ausgegangen, daß das Vorliegen einer vertraglichen Verpflichtung zur Auslandsarbeit in der Dauer von mindestens einem Jahr das einzig mögliche Kriterium des Vorliegens des gewöhnlichen Aufenthaltes im Ausland sei.
Das Tatbestandsmerkmal "gewöhnlicher Aufenthalt" verlangt körperliche Anwesenheit. Die Umstände (Absicht hat dabei keine Bedeutung) müssen ferner dafür sprechen, daß Anwesenheiten nicht nur vorübergehend sein sollen, daß also eine gewisse sachlich-räumliche Beziehung zum Aufenthaltsort bestehen soll; die Lebenverhältnisse, geschäftliche Betätigung am Aufenthaltsort usw. werden zu berücksichtigen sein (Stoll, Bundesabgabenordnung, Handbuch, Wien 1980, Seiten 72 und 73, und die darin zitierte Judikatur). Die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthaltes im Sinn der Abgabenvorschriften setzt somit nicht einmal einen mehr als sechs Monate dauernden Aufenthalt voraus. Vielmehr kann ein gewöhnlicher Aufenthalt auch bei einer kürzeren Aufenthaltsdauer vorliegen, sofern nur der Aufenthalt unter Umständen genommen wird, die erkennen lassen, daß es sich nicht nur um ein bloß vorübergehendes Verweilen handelt. Haben die Dienstnehmer unbefristete Verträge für die Durchführung der mehrere Jahre dauernden Bauarbeiten im Ausland abgeschlossen und Arbeitsbewilligungen bis Bauende erhalten, kann das Vorliegen der für den gewöhnlichen Aufenthalt maßgebenden objektiven Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht mehr verneint werden. Dies gilt auch dann, wenn letztlich aus ursprünglich nicht vorherzusehenden Gründen die tatsächliche Dauer des Auslandsaufenthaltes kürzer ausgefallen ist (vgl. hg. Erkenntnis vom , 735/70).
Überdies ist aber keineswegs ununterbrochene Anwesenheit erforderlich, um einen gewöhnlichen Aufenthalt aufrecht zu erhalten. Abwesenheiten, die nach den Umständen des Falles nur als vorübergehend gewollt anzusehen sind, unterbrechen nicht den Zustand des Verweilens und daher nicht den gewöhnlichen Aufenthalt (Stoll, aaO, Seite 73). Hält sich ein Dienstnehmer mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland mehr als einen Monat im Bundesgebiet auf, dann ist sein Arbeitslohn in die Beitragsgrundlage einzubeziehen. Durch den bloßen, allenfalls auch mehr als einen Monat dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet allein (z.B. Urlaubsreise) wird allerdings der gewöhnliche Aufenthalt im Ausland nicht unterbrochen (vgl. auch Erkenntnis vom , 82/14/0178), sondern bloß die Beitragsfreiheit beseitigt. Sollte jedoch eine Unterbrechung des gewöhnlichen Aufenthaltes im Ausland tatsächlich erfolgen (z.B. Rückkehr ins Bundesgebiet und Abschluß eines neuen Dienstvertrages mit Einsatz an einer anderen Baustelle im einem anderen Staat), dann ist die Frage, ob ein im Anschluß daran liegender Auslandsaufenthalt als gewöhnlicher Aufenthalt im Ausland anzusehen ist, nach obigen Ausführungen neu zu beurteilen.
Da die belangte Behörde die Rechtslage verkannte, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Stempelgebühren waren nur mit dem zu entrichtenden Betrag zu ersetzen.