VwGH vom 21.11.2003, 2001/02/0200
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde des B in A, USA, vertreten durch Dr. Christoph Haidlen, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bozner Platz 4, gegen den Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung vom , Zl. LGv - 1457/8-00, betreffend Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schenkungsvertrag vom hat LB ihrem Sohn, dem nunmehrigen Beschwerdeführer, die Liegenschaft in G (Tirol), bestehend aus dem Gst ... samt darauf errichtetem Wohnhaus, geschenkt. Der Erwerber ist Staatsangehöriger der USA. Das Rechtsgeschäft wurde der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck angezeigt.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde diesem Rechtserwerb des Beschwerdeführers die grundverkehrsbehördliche Genehmigung versagt.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde unter anderem aus:
"Außer Streit steht, dass es sich bei der gegenständlichen Liegenschaft um ein bebautes Baugrundstück im Sinne des § 2 Abs. 3 lit. a Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 handelt und der Erwerber dem Personenkreis des § 2 Abs. 5 leg. cit. (Ausländer) zuzuordnen ist. Letzteres ergibt sich insbesondere auch aus dem bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Schenkungsvertrag unter Pkt. V.
Gemäß § 12 Abs. 1 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 bedürfen Rechtsgeschäfte und Rechtsvorgänge, die den Erwerb des Eigentums an Baugrundstücken durch Ausländer zum Gegenstand haben, der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde. § 12 Abs. 2 leg. cit. zählt erschöpfend die Ausnahmen auf, unter denen es nicht der Genehmigung nach Abs. 1 bedarf; ein solcher Ausnahmetatbestand liegt gegenständlich nicht vor. Die Ausnahmen von der Erklärungspflicht nach § 10 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 sind auf Rechtserwerbe an Grundstücken durch Ausländer nicht anzuwenden.
...
Soweit sich der Berufungswerber auf die Kapitalverkehrsfreiheit beruft, ist er darauf hinzuweisen, dass
Artikel 56 EG nicht die Anwendung derjenigen Beschränkungen auf dritte Länder berührt, die am auf Grund einzelstaatlicher oder gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, mit der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten bestehen. Die damals bestehenden grundverkehrsrechtlichen Beschränkungen gegenüber EU-Ausländern konnten sohin aufrechterhalten bleiben. Es ist der Landes-Grundverkehrskommission überdies nicht ersichtlich, inwiefern es bei einem Schenkungsvertrag zu einem grenzüberschreitenden Kapitalverkehr gekommen sein soll. Auch die verfassungsrechtlichen Bedenken des Berufungswerbers sind nach Ansicht der Landes-Grundverkehrskommission nicht berechtigt."
Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei nicht nur die gegenständliche Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, sondern auch eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom , B 1274/01, ihre Behandlung ab.
Der Beschwerdeführer macht unter anderem geltend, der angefochtene Bescheid widerspreche "den von der belangten Behörde unmittelbar anzuwendenden europarechtlichen Bestimmungen, insbesondere hinsichtlich der geltenden Grundfreiheit des Kapitalverkehrs" und führt dies näher aus.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 5 lit. a des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996, Tir. LGBl. Nr. 61, (T-GVG) gelten als Ausländer natürliche Personen, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen.
Gemäß § 3 Abs. 1 T-GVG sind natürliche Personen, die Staatsangehörige eines EU- bzw. EWR-Staates sind, für den Geltungsbereich dieses Gesetzes österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt.
Gemäß § 9 T-GVG bedürfen Rechtsgeschäfte, die den Erwerb des Eigentums an Baugrundstücken zum Gegenstand haben, einer Erklärung nach § 11 Abs. 1 oder 2 T-GVG.
§ 12 Abs. 1 T-GVG lautet:
"(1) Der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen Rechtsgeschäfte und Rechtsvorgänge, die den Erwerb von Rechten im Sinne des § 9 an Baugrundstücken oder von Rechten im Sinne des § 4 an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken oder an sonstigen Grundstücken durch Ausländer zum Gegenstand haben."
§ 13 T-GVG regelt die Genehmigungsvoraussetzungen.
Gemäß Art. 56 EG (ex-Art. 73 b EGV) sind im Rahmen der Bestimmungen des Kapitels 4 ("Der Kapital- und Zahlungsverkehr") "alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten".
Gemäß Art. 57 Abs. 1 EG (ex-Art. 73 c EGV) berührt Art. 56 EG nicht die Anwendung derjenigen Beschränkungen auf dritte Länder, die am auf Grund einzelstaatlicher oder gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, mit der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten bestehen.
Im gegenständlichen Fall ist vor allem strittig, ob das "erga omnes-Prinzip" ("zwischen Mitgliedstaaten und dritten Ländern") des Art. 56 Abs. 1 EG auch auf einen Schenkungsvertrag betreffend ein Baugrundstück in Tirol, durch den ein Staatsbürger der USA begünstigt wird, anzuwenden ist.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinem Urteil vom , Hans Reisch und andere, Rechtssachen C-515/99 und C- 527/99 bis C-540/99 etc., u.a. folgende Aussagen getroffen:
"28 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass innerstaatliche Regelungen des Grundstückserwerbs, durch die die Errichtung von Zweitwohnungen in bestimmten Gebieten aus raumplanerischen Erfordernissen untersagt wird, sich im Rahmen der Vorschriften des EG-Vertrags über den freien Kapitalverkehr halten müssen (Urteil Konle, Randnr. 22).
29 Zum einen führt nämlich die Ausübung des Rechts, im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats Immobilien zu erwerben, zu nutzen und darüber zu verfügen, das, wie sich aus Artikel 44 Absatz 2 Buchstabe e EG ergibt, die notwendige Ergänzung der Niederlassungsfreiheit darstellt (Urteil vom in der Rechtssache 305/87, Kommission/Griechenland, Slg. 1989, 1461, Randnr. 22), zu Kapitalverkehr.
30 Zum anderen umfasst der Kapitalverkehr Vorgänge, durch die Personen im Gebiet eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ihren Wohnsitz haben, Investitionen in Immobilien tätigen; dies ergibt sich aus der Nomenklatur für den Kapitalverkehr im Anhang I der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom " (Anmerkung des Verwaltungsgerichtshofes: in der Folge "Nomenklatur") "zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages (der durch den Vertrag von Amsterdam aufgehoben wurde) (ABl. L 178, S. 5), die ihren Hinweischarakter für die Definition des Begriffes des Kapitalverkehrs behält (vgl. Urteile vom in der Rechtssache C-222/97, Trummer und Mayer, Slg. 1999, I-1661, Randnr. 21, und vom in der Rechtssache C-464/98, Stefan, Slg. 2001, I-173, Randnr. 5)."
Damit hat der EuGH klargestellt, dass die Kapitalverkehrsfreiheit nicht personen- sondern kapitalverkehrsbezogen zu interpretieren ist; also, dass Anknüpfungspunkt für die Liberalisierung nicht der Kapitaleigner, sondern vielmehr das Kapital als solches ist. Damit begünstigt das "erga omnes"-Prinzip des Art. 56 Abs. 1 EG in einem unter die Nomenklatur fallenden Fall des Kapitalverkehrs auch die nicht in einem Mitgliedstaat, sondern in einem Drittstaat ansässigen natürlichen und juristischen Personen.
Eine Schenkung ist gemäß Kap. XI B der Nomenklatur ein Kapitalverkehr.
Es kann dahinstehen, ob der gegenständliche Kapitalverkehr überhaupt einer Beschränkung nach Art. 57 Abs. 1 EG unterworfen werden dürfte und zu welchem Zeitpunkt das in diesem Art. genannte Datum auf Grund des erst später erfolgten Beitritts Österreichs zur Europäischen Union Gültigkeit für Österreich entfaltete, weil sich zu dem erst nach dem Beitritt Österreichs in Kraft getretenen T-GVG 1996 im Konle gegen Österreich, Rechtssache Nr. C-302/97, folgende Aussagen finden:
"53 Beruht dagegen eine Regelung auf einem anderen Grundgedanken als das frühere Recht und führt sie neue Verfahren ein, so kann sie den zum Zeitpunkt des Beitritts bestehenden Rechtsvorschriften nicht gleichgestellt werden. So verhält es sich beim T-GVG 1996, das gegenüber dem T-GVG 1993 mehrere erhebliche Unterschiede aufweist und die Stellung der Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten als der Republik Österreich nicht verbessert hat, weil es zwar die zuvor bestehende Doppelregelung des Grundstückserwerbs grundsätzlich beseitigt, aber eine Form der Prüfung der Genehmigungsanträge eingeführt hat, die in Wirklichkeit, wie in Randnummer 41 festgestellt, die von österreichischen Staatsangehörigen eingereichten Anträge begünstigen soll.
54 Somit fallen die einschlägigen Bestimmungen des T-GVG 1996 jedenfalls nicht unter die Ausnahmeregelung des Artikels 70 der Beitrittsakte."
Aus dem unter Randnummer 53 genannten Grund können die einschlägigen Bestimmungen des T-GVG auch nicht unter die Ausnahme des Art. 57 Abs. 1 EG fallen.
Folgend den Grundsätzen im bereits genannten Konle, dass ein vorheriges Genehmigungsverfahren im Falle des Kapitalverkehrs mit Baugrundstücken dem Art. 56 Abs. 1 EG widerspricht (vgl. dessen Randnummer 49) und ein sogenanntes "Erklärungsmodell samt Überprüfungsmaßnahmen" als wirksames Kontrollmittel ausreicht (vgl. dessen Randnummern 46 bis 48), sowie der im obzitierten Hans Reisch und andere, getroffenen Klarstellung, dass die Kapitalverkehrsfreiheit gegenüber dritten Ländern kapitalbezogen auszulegen ist, erweist sich die gegenüber einem Kapitalverkehr an einem Baugrundstück mit einem Staatsbürger der USA (auch nach der Novelle Tir. LGBl. Nr. 75/1999 weiterhin) bestehende Einschränkung, dass ein solcher Kapitalverkehr der vorherigen Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedarf, als dem - unmittelbar anzuwendenden - Art. 56 Abs. 1 EG widersprechend.
Indem die belangte Behörde dies verkannte, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am