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VwGH vom 23.11.2001, 2001/02/0184

VwGH vom 23.11.2001, 2001/02/0184

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über die Beschwerde des S L in Wien, vertreten durch Dr. Heinz Kosesnik-Wehrle, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Ölzeltgasse 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 03/P/34/2705/2000/11, betreffend Übertretung des KFG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Zulassungsbesitzers (A-BauGesmbH) eines dem behördlichen Kennzeichen nach bestimmten Fahrzeuges unterlassen, der Behörde auf ihr schriftliches Verlangen vom , zugestellt am , innerhalb der Frist von zwei Wochen ab Zustellung bekannt zu geben, wer dieses Kraftfahrzeug an einem näher umschriebenen Ort in Wien abgestellt habe, sodass dieses am um 12.30 Uhr dort gestanden sei. Der Beschwerdeführer habe hiedurch § 134 KFG iVm § 103 Abs. 2 KFG iVm § 9 Abs. 1 VStG verletzt.

Gemäß § 21 Abs. 1 VStG sah die belangte Behörde von der Verhängung einer Strafe ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 103 Abs. 2 KFG kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

Die belangte Behörde ist zutreffend davon ausgegangen, dass den Masseverwalter im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG die Pflichten des Gemeinschuldners als Zulassungsbesitzer von Fahrzeugen treffen, die zur Konkursmasse gehören, somit auch die Pflicht zur Auskunftserteilung nach § 103 Abs. 2 KFG (vgl. zur rechtsähnlichen Bestimmung des § 1a des Wiener Parkometergesetzes etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/17/0057, mwN).

Nach der ständigen hg. Rechtsprechung liegt der Bestimmung des § 103 Abs. 2 KFG die Absicht des Gesetzgebers zugrunde sicherzustellen, dass der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann, weshalb es Sinn und Zweck dieser Regelung ist, der Behörde die jederzeitige Feststellung des verantwortlichen Lenkers eines Fahrzeuges ohne langwierige und umfangreiche Erhebungen zu ermöglichen. Von daher gesehen bedarf es keiner näheren Erörterung, dass als "Zulassungsbesitzer" im Sinne der erwähnten Vorschrift nur jene Person gemeint sein kann, welcher diese Eigenschaft zu jenem Zeitpunkt zukam, auf welchen sich die behördliche Anfrage bezog. Dass die Pflicht des Zulassungsbesitzers durch eine Änderung der Zulassung in Hinsicht auf die Person nicht erlöschen kann, ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass in einem Falle, wo etwa die Zulassung eines Kraftfahrzeuges durch Abmeldung bei der Behörde erlischt und auch keine neue Zulassung erfolgt, die Ausforschung eines Lenkers im Wege des § 103 Abs. 2 KFG nicht mehr möglich wäre (vgl. zu all dem das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/02/0117).

Es ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer als Masseverwalter grundsätzlich verpflichtet war, im Sinne des § 103 Abs. 2 KFG Auskunft über das unbestritten zur Konkursmasse der Zulassungsbesitzerin zählende Kraftfahrzeug zu geben.

Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit nach § 5 Abs. 1 VStG fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Bei der Bestimmung des § 103 Abs. 2 KFG iVm § 134 KFG handelt es sich um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG, weil zum Tatbestand dieser Übertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und über das zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden nichts bestimmt ist. Bei Vorliegen eines Ungehorsamsdeliktes besteht von vornherein die Vermutung des Verschuldens (in Form fahrlässigen Verhaltens) des Täters, welche von ihm in der Weise widerlegt werden kann, dass er sein mangelndes Verschulden glaubhaft macht (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 758 ff und die dort angeführte hg. Rechtsprechung).

Die Verwirklichung des Tatbestandes allein genügt aber auch im Falle von Ungehorsamsdelikten für die Strafbarkeit nicht. Auch bei Ungehorsamsdelikten ist nur der schuldhaft Handelnde verantwortlich. Der Gesetzgeber präsumiert aber in einem solchen Fall die Schuld bis zur Glaubhaftmachung des Gegenteiles durch den Beschuldigten. Die Regelung des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG befreit die Behörde nicht von der Verpflichtung, im Hinblick auf § 25 Abs. 2 VStG von sich aus Umstände zu berücksichtigen, von denen sie bereits bei der Ermittlung des äußeren Tatbestandes Kenntnis erlangt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/17/0618, mwN).

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die Feststellung getroffen, dass die erste Anonymverfügung betreffend das verfahrensgegenständliche Kraftfahrzeug am in der Kanzlei des Beschwerdeführers einlangte. Vorher, d.h. auch zum gegenständlichen angefragten Zeitpunkt, dem , hatte der Beschwerdeführer keinerlei Hinweise auf die Existenz des Fahrzeuges, für das ihn die Auskunftsverpflichtung nach § 103 Abs. 2 KFG traf. Den Bescheidfeststellungen ist auch nicht zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer zu irgend einem späteren Zeitpunkt (vor Ablauf der Frist zur Beantwortung der gegenständlichen Anfrage) die Möglichkeit gehabt hätte, Kenntnis darüber zu erlangen, wer am den angefragten PKW lenkte bzw. am angeführten Ort abstellte. Daraus folgt im Sinne der obigen Ausführungen zu § 5 Abs. 1 VStG, dass den Beschwerdeführer schon auf Grund des festgestellten Sachverhaltes kein Verschulden an der Nichtbeantwortung der Lenkeranfrage trifft.

Die belangte Behörde hält dem im bekämpften Bescheid entgegen, der Beschwerdeführer hätte als Auskunftspflichtigen den handelsrechtlichen Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin nennen müssen. Abgesehen davon, dass die belangte Behörde selbst nur die Vermutung äußert, dass der Beschwerdeführer davon ausgegangen sein dürfte, dass die Verwendung des Kraftfahrzeuges im Umkreis des genannten handelsrechtlichen Geschäftsführers erfolgt sein dürfte, ist dem zu entgegnen, dass dem Beschwerdeführer keinerlei zuverlässige Informationen nach den Feststellungen der Behörde vorlagen, wonach der von der belangten Behörde als Auskunftspflichtiger Angenommene auch tatsächlich Auskunft geben könnte. Da aber der Beschwerdeführer verpflichtet war, wahrheitsgemäß die Lenkeranfrage zu beantworten, kann ihm die Unterlassung der Bekanntgabe einer (von der Behörde angestellten) Vermutung nicht zum Nachteil gereichen.

Aus den dargelegten Erwägungen war daher der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das die Umsatzsteuer betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, weil diese bereits in der Pauschalgebühr enthalten ist.

Wien, am