VwGH vom 20.02.1991, 87/13/0186
Beachte
Besprechung in:
ÖStZB 1992, 97;
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der M gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. 6/2-3227/3/1983, betreffend Einkommensteuer und Gewerbesteuer für die Jahre 1977 bis 1981, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin erzielte seit dem Jahr 1975 Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Handelsvertreterin. Für den Zeitraum 1975 bis 1981 fand bei ihr eine Betriebsprüfung statt.
Der Prüfer traf u.a. folgende Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin habe ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 1 EStG ermittelt; es sei jedoch keine Buchhaltung vorhanden gewesen. Den für die Jahre 1975 bis 1976 erklärten Provisionseinnahmen seien daher Sicherheitszuschläge von 10 Prozent der Einnahmen hinzugerechnet worden.
Für die Jahre 1977 bis 1981 seien keine Steuererklärungen abgegeben worden. Die Vollständigkeit der Provisionseinnahmen habe nicht überprüft werden können, weil ein Teil der Provisionen nicht auf die Bankkonten der Beschwerdeführerin überwiesen worden seien. Auch für diese Jahre sei daher jeweils ein zehnprozentiger Sicherheitszuschlag vorgenommen worden. Die Betriebsausgaben seien "unter Anlehnung an die Verordnung über Durchschnittssätze für Werbungskosten von Gebietsvertretern mit 35 Prozent der Einnahmen ermittelt" worden.
Der Betriebsprüfer gelangte auf diese Weise für die Jahre 1977 bis 1981 zu folgenden Betriebsergebnissen:
Jahr Gewinn
1977 S 70.866,--
1978 S 58.444,--
1979 S 320.063,--
1980 S 482.689,--
1981 S 545.097,--.
Bereits während der Betriebsprüfung hatten die Beschwerdeführerin bzw. ihr Ehegatte den Verlust der Buchhaltung damit erklärt, daß sie von ihrem Steuerberater am Tag vor Beginn der Betriebsprüfung ersucht worden seien, die Buchhaltungsunterlagen in seine Kanzlei zu bringen. Der Ehegatte der Beschwerdeführerin habe den Karton mit den Unterlagen neben der Garagentür auf einer Stufe abgestellt, wo sich üblicherweise der Koloniakübel befinde. Diesen habe er zwecks Entleerung vor das Grundstück getragen. Die Beschwerdeführerin sei der Meinung gewesen, es handle sich bei dem Kartoninhalt um Abfälle, und habe den Karton in den Koloniakübel gegeben. Der Ehegatte habe den Karton nach dem Frühstück ins Auto tragen wollen, ihn nicht mehr vorgefunden und die Beschwerdeführerin danach befragt. Diese habe ihm zur Antwort gegeben, daß sie den Karton bereits "hinein" gegeben habe. Sie habe damit den Koloniakübel gemeint, er aber habe geglaubt, sie meine das Auto. Auf diese Weise sei die ganze Buchhaltung in Verlust geraten.
Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ entsprechende Abgabenbescheide.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, die sich u.a. auch gegen die Einkommensteuerbescheide und Gewerbesteuerbescheide für die Jahre 1977 bis 1981 richtete (nur diese sind Gegenstand der Beschwerde).
Sie beantragte, von der Hinzurechnung eines Sicherheitszuschlages Abstand zu nehmen und die Betriebsausgaben für das Jahr 1981 "zumindest" mit
55,65 Prozent der Betriebseinnahmen zu berücksichtigen. Aus einer Aufstellung von Betriebsausgaben für das Jahr 1981 ergebe sich dieser Prozentsatz, der für die Vorjahre noch höher angesetzt werden möge, weil es sich zum Teil um Fixkosten handle und die Umsätze in den Vorjahren geringer gewesen seien. Zur besseren Erläuterung werde die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung beantragt.
Der Prüfer wies in seiner Stellungnahme zu der Berufung darauf hin, daß er die Betriebsausgaben seinerzeit nach den Angaben der Beschwerdeführerin rekonstruiert habe, um zu überprüfen, ob ein Ansatz von 35 v.H. den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen würde. Diese Rekonstruktion habe für die Jahre 1979 bis 1981 Betriebsausgaben in der Höhe zwischen 30 und 40 Prozent der Betriebseinnahmen ergeben. Die Schätzung mit einem Durchschnittswert von 35 Prozent erscheine daher gerechtfertigt.
In der mündlichen Berufungsverhandlung brachte der Steuerberater der Beschwerdeführerin vor, daß ab 1979 nur mehr Einnahmen von der Firma C erzielt worden seien. Für diese Einnahmen liege eine Provisionsbestätigung vor.
Der Prüfer hielt dem entgegen, daß Überweisungen nicht nur von der Firma C, sondern auch von der Firma P erfolgt seien. Infolge Fehlens von Unterlagen seien die Einnahmen nicht in voller Höhe rekonstruierbar. Die Sicherheitszuschläge seien daher zu Recht erfolgt.
Zum Fragenkomplex "Betriebsausgaben" läßt sich der Niederschrift über die mündliche Berufungsverhandlung nur entnehmen, daß der Steuerberater der Beschwerdeführerin auf die Steuererklärung für das Jahr 1982 verwies, in der wesentlich höhere Betriebsausgaben aufschienen als in den Vorjahren angenommen, und daß seines Erachtens ein äußerer Betriebsvergleich vorzunehmen wäre.
Die belangte Behörde wies die Berufung ab.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften
geltend gemacht wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, daß die Vornahme von Sicherheitszuschlägen deswegen unzulässig gewesen sei, weil der Prüfer und ihm folgend die belangte Behörde festgestellt hätten, daß die Beschwerdeführerin in den Streitjahren nur von der Firma C Provisionseinnahmen erzielt habe. Diese seien durch Provisionsbestätigungen nachgewiesen und zur Gänze erfaßt worden. Es wäre Sache der belangten Behörde gewesen, sich von der Firma P bestätigen zu lassen, daß in den Jahren 1978 bis 1981 keine Zahlungen an die Beschwerdeführer geleistet worden seien. Eine solche Bestätigung hätte auch von der Beschwerdeführerin "jederzeit ..... erbracht werden können".
Zunächst drängt sich die Frage auf, aus welchem Grund die Beschwerdeführerin diese Bestätigung nicht vorgelegt hat. Nach dem behaupteten unglücklichen Verlust ihrer gesamten Buchhaltung für den Zeitraum von fünf Jahren(Ü) durch irrtümliche Entleerung in den Koloniakübel mußte sie in besonderer Weise bemüht sein, alle der Wahrheitsfindung dienlichen Beweismittel, über die sie noch verfügte oder die sie unschwer beschaffen hätte können, auch tatsächlich beizubringen. Im übrigen darf nicht übersehen werden, daß die belangte Behörde berechtigt war, in Ausübung freier Beweiswürdigung den Umstand mitzuberücksichtigen, daß die Beschwerdeführerin fünf Jahre hindurch keine Steuererklärungen abgegeben hatte. Ein solches Verhalten spricht gegen die Bereitschaft, der im § 119 BAO verankerten steuerlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht nachzukommen. Vielmehr rechtfertigt es die Vermutung, daß der betreffende Steuerpflichtige bemüht ist, steuerlich relevante Tatsachen vor der Abgabenbehörde zu verbergen. Wenn sich daher die belangte Behörde aufgrund des Verhaltens der Beschwerdeführerin der Auffassung des Betriebsprüfers angeschlossen und Sicherheitszuschläge in Höhe von 10 Prozent der festgestellten Betriebseinnahmen vorgenommen hat, weil die Einnahmen infolge Fehlens von Unterlagen nicht vollständig rekonstruierbar erschienen, so vermag der Gerichtshof darin keine Rechtswidrigkeit zu erblicken.
Die Beschwerdeführerin rügt als weiteren Verfahrensmangel, daß die belangte Behörde sie in der mündlichen Berufungsverhandlung "vor vollendete gekürzte Betriebsausgaben gestellt" habe.
Dazu ist zu sagen, daß die Beschwerdeführerin weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde die Aussage des Betriebsprüfers bestritten hat, wonach die Betriebsausgaben "nach Angaben" der Beschwerdeführerin rekonstruiert worden seien. In der Berufung wurde dann ein höherer Prozentsatz an Betriebsausgaben geltend gemacht und eine entsprechende Auflistung "durch Schätzung" beigeschlossen. Weiters wurde eine mündliche Berufungsverhandlung beantragt "zur besseren Erläuterung unseres Standpunktes". In der Berufungsverhandlung wurde dann lediglich auf die "ab 1982 abgegebenen Erklärungen" verwiesen, aus denen hervorgehe, "daß die Betriebsausgaben in den Vorjahren zu nieder geschätzt waren".
Wodurch jedoch der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin gehindert war, die in Aussicht gestellte "Erläuterung unseres Standpunktes" vorzunehmen und wieso er sich "vor vollendete gekürzte Betriebsausgaben" gestellt sah, läßt sich weder der Niederschrift über die Berufungsverhandlung noch dem Beschwerdeschriftsatz entnehmen. Den Beschwerdeausführungen betreffend die Betriebsausgaben ist daher - soweit es sich dabei nicht ohnedies um unzulässige Neuerungen handelt - entgegenzuhalten, daß ein verwaltungsgerichtliches Verfahren nicht dazu dient, ein Tatsachenvorbringen nachzutragen, das die Partei im Verwaltungsverfahren versäumt hat, obwohl ihr Gelegenheit dazu geboten war.
Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom , BGBl. Nr. 206.