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VwGH vom 17.06.1992, 87/13/0157

VwGH vom 17.06.1992, 87/13/0157

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der G G.m.b.H. & Co KG, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidnung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VI) vom , Zl. 6/3-3003/86, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für die Jahre 1975 bis 1978, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

An der beschwerdeführenden GmbH & Co KG ist als einzige Kommanditistin die W-KG mit 90 vH beteiligt; die restlichen 10 vH werden von der Komplementär-GmbH gehalten, deren Anteile wiederum zu 100 vH im Gesamthandeigentum der W-KG stehen. An der W-KG ist unter anderem Hilde W. beteiligt (laut Aktenlage wechselndes Beteiligungsausmaß zwischen 21 und 25 vH).

Im Jahr 1974 gewährte Hilde W. der Beschwerdeführerin ein unverzinsliches aber wertgesichertes Darlehen in Höhe von S 11,000.000,--. Streit besteht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren darüber, ob im Hinblick auf die mittelbare Beteiligung der Hilde W. an der Beschwerdeführerin die Bestimmung des § 23 Z. 2 EStG 1972 anzuwenden ist, wonach Vergütungen, die Gesellschafter von der Gesellschaft (unter anderem) für die Hingabe von Darlehen bezogen haben, Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind und daher den Gewinn nicht kürzen.

Die belangte Behörde bejaht dies im angefochtenen Bescheid unter Bezugnahme auf die sogenannte "Bilanzbündeltheorie".

In der gegen diese Entscheidung erhobenen Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in einer Beschwerdeergänzung auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin bestreitet, daß die Bestimmung des § 23 Z. 2 EStG 1972 auch bei mittelbar beteiligten Personen anwendbar sei. (Fragen eines allfälligen Gestaltungsmißbrauches i.S.des § 22 BAO, die im Verwaltungsverfahren zur Diskussion standen, werden von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht mehr releviert.)

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie der Gerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 87/13/0118, ausgeführt hat, ergibt sich aus der notwendigen Verknüpfung der Steuerpflicht (§ 1 EStG 1972) mit der Steuerbemessungsgrundlage (= Einkommen gemäß § 2 Abs. 1 bis 4 leg.cit.), daß ein Einkommen nur einer natürlichen Person zugerechnet werden kann. Gleiches muß für die einzelnen Komponenten gelten, die zusammengefaßt das Einkommen ergeben. Zu diesen Komponenten zählt gemäß § 2 Abs. 4 EStG 1972 bei den ersten drei Einkunftsarten der Gewinn, der gemäß den §§ 4 bis 14 zu ermitteln ist. Sämtliche Vorschriften des Einkommensteuergesetzes 1972, die die Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage regeln, haben als Normadressaten natürliche Personen. Mit § 8 Abs. 1 KStG 1966 hat der Gesetzgeber den Kreis der Normadressaten ausdrücklich auf Körperschaften erweitert. Für Personengesellschaften und andere Mitunternehmerschaften fehlt es hingegen an einer vergleichbaren Bestimmung. Sie sind daher nicht Adressaten jenes Normenkomplexes, mit dem die Ermittlung des Einkommens und der einzelnen Einkommenskomponenten geregelt wird (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , 86/14/0128). Daraus folgt, daß alle Umstände und wirtschaftlichen Aktivitäten, die für die Einkommensermittlung von Bedeutung sind, vorerst einer natürlichen Person zugerechnet werden müssen und nur unter Beachtung dieser Zurechnung tatbestandsbezogen zu ermitteln und zu würdigen sind. Das gilt auch für die Anwendung der Bestimmung des § 23 Z. 2 EStG 1972, wonach Vergütungen, die die Gesellschafter von Mitunternehmerschaften für ihre Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern beziehen, Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind. Als Einkünfte aus Gewerbebetrieb müssen sie zunächst einem Einkommensteuersubjekt zugerechnet werden. Ist der Gesellschafter, der die Vergütungen bezieht, selbst wiederum eine Mitunternehmerschaft, so können einkommensteuerlich nur die hinter ihr stehenden natürlichen Personen als Vergütungsempfänger angesehen werden, weil eben die Vergütung nur bei ihnen Teil der Steuerbemessungsgrundlage sein kann. Die einkommensteuerliche Zurechnung von Vergütungen an Gesellschafter einer Mitunternehmerschaft führt daher notwendigerweise zu einem Durchgriff durch eine gesellschaftsrechtlich beteiligte Mitunternehmerschaft auf deren Gesellschafter.

Im Beschwerdefall trat als Darlehensgeber der Beschwerdeführerin die Gesellschafterin eines ihrer eine Personengesellschaft bildenden Gesellschafters auf. Damit stellt sich die Frage, ob der eben aufgezeigte Durchgriff von der Basisgesellschaft durch eine gesellschaftsrechtlich beteiligte Mitunternehmerschaft auf deren Gesellschafter auch in umgekehrter Richtung gerechtfertigt bzw. erforderlich ist. Um dies zu untersuchen, muß zunächst der rechtsystematische Hintergrund der Regelung des § 23 Z. 2 EStG 1972 Beachtung finden. Der oben dargelegte Durchgriff durch die Mitunternehmerschaft auf die dahinter stehenden natürlichen Personen führt dazu, daß ein Betrieb, der handelsrechtlich von einer Personengesellschaft geführt wird, einkommensteuerlich unmittelbar den einzelnen Gesellschaftern zuzurechnen ist, und zwar (quotenmäßig) aufgeteilt in soviele gedankliche "Betriebe", als Gesellschafter und somit Steuersubjekte vorhanden sind (= sogenannte Bilanzbündeltheorie). Dies wiederum ist Folge der definitionsgemäßen Verknüpfung von Gewinn als zurechnungsbedürftiger Einkommenskomponente mit dem Begriff des Betriebsvermögens. Den Begriff "Gewinn" definiert § 4 Abs. 1 EStG 1972 nämlich als den Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluß des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen. Wird einer natürlichen Person ein Gewinn zugerechnet, dann muß ihr auch zwingend ein Betriebsvermögen und damit ein Betrieb zugerechnet werden. Dem Gesellschafter einer Mitunternehmerschaft ist daher in gleicher Weise und mit vergleichbaren steuerlichen Konsequenzen ein Betrieb zuzurechnen wie einem Einzelunternehmer. Dieser einkommensteuerlich gebotenen Gleichstellung dient § 23 Z. 2 EStG 1972: Ebensowenig wie ein Einzelunternehmer sich selbst als Dienstnehmer beschäftigen oder mit sich selbst einen Darlehens- oder Bestandvertrag abschließen kann, soll dies im Verhältnis eines Mitunternehmers zu seiner Mitunternehmerschaft zulässig sein. Dabei hat der Gesetzgeber die im § 23 Z. 2 EStG 1972 angesprochenen Leistungsbeziehungen zwischen einer Mitunternehmerschaft und ihren Mitunternehmern nicht aufgespalten in unzulässige Leistungsbeziehungen des einzelnen Mitunternehmers zu SEINEM gedachten Betrieb und in zulässige Leistungsbeziehungen zu den gedachten Betrieben der übrigen Mitunternehmer, sondern er hat einer einheitlichen Regelung den Vorzug gegeben und subsumiert die genannten Vergütungen von Mitunternehmern zur Gänze den Einkünften aus Gewerbebetrieb.

Mißt man der Bestimmung des § 23 Z. 2 EStG 1972 dieses Verständnis bei, so ergibt sich als weitere Konsequenz folgendes:

Auch Leistungsbeziehungen zwischen einer Mitunternehmerschaft und einer Person, die zwar nicht unmittelbar an der Mitunternehmerschaft beteiligt ist, sondern nur mittelbar (über eine weitere Mitunternehmerschaft), dürfen nicht dazu führen, daß der steuerlich maßgebende Erfolg der Mitunternehmerschaft durch Vergütungen i.S. des § 23 Z. 2 EStG 1972 mit dem Ergebnis gemindert wird, daß Teile des Erfolges nicht mehr als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern unter einer anderen Einkunftsart zu erfassen wären. Für diese rechtliche Beurteilung ist dieselbe steuersubjektbezogene Betrachtungsweise maßgebend, die bereits weiter oben dargestellt wurde und auf der letztlich die Bilanzbündeltheorie beruht. Da die einkommensteuerliche Erfassung von Einkünften, die aus den wirtschaftlichen Aktivitäten einer Mitunternehmerschaft resultieren, unmittelbar bei jenen Steuersubjekten vorgesehen ist, denen der Erfolg der Mitunternehmerschaft zuzurechnen ist, können auch als Empfänger von Vergütungen im Sinne des § 23 Z. 2 EStG 1972 nur Steuersubjekte in Betracht kommen. Der in der zitierten Bestimmung verwendete Begriff "Gesellschafter" spricht eindeutig die Bezieher von Einkünften und damit Steuersubjekte an. Für "ihre Tätigkeit" werden jene Vergütungen gewährt, die § 23 Z. 2 EStG 1972 den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuordnet. Tritt demnach als handelsrechtlicher Gesellschafter einer Personengesellschaft (= Basisgesellschaft) eine weitere Personengesellschaft auf, so kann sie nicht Normadressat der zitierten Bestimmung sein, weil ihr ja einkommensteuerlich auch keine Einkünfte zugerechnet werden können. Vielmehr sind die hinter ihr stehenden Gesellschafter, soweit sie ihrerseits Steuersubjekte sind, als "Gesellschafter" der Basisgesellschaft im Sinne der zitierten Bestimmung anzusehen. Wird eine solche Person für die Basisgesellschaft tätig bzw. gewährt sie ihr - wie im Beschwerdefall - ein Darlehen, so werden die betreffenden Vergütungen von den Rechtsfolgen des § 23 Z. 2 EStG 1972 in gleicher Weise erfaßt wie Vergütungen an Personen, die unmittelbar an der Basisgesellschaft beteiligt sind.

Der Gerichtshof teilt somit nicht die gegenteilige Auffassung, wie sie in der von der Beschwerdeführerin zitierten Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland und in verschiedenen Lehrmeinungen zum Ausdruck gebracht wird. Diese Auffassung geht von einer handelsrechtlichen Beurteilung aus und läßt eine steuersubjektbezogene Betrachtungsweise weitestgehend missen. Eine derartige Betrachtungsweise erscheint dem Gerichtshof aber bei Lösung der Frage geboten, welcher Einkunftsart bestimmte Einkünfte zuzurechnen sind, insbesondere dann, wenn für diese Zurechnung Umstände mitbestimmend sind, die in den persönlichen Verhältnissen der Bezieher der Einkünfte liegen. Das trifft auf § 23 Z. 2 EStG 1972 in besonderem Maße zu, weil für die dort normierte Subsumtion bestimmter Vergütungen, die von einer Mitunternehmerschaft gewährt werden, unter die Einkünfte aus Gewerbebetrieb von Bedeutung ist, ob der Empfänger der Vergütungen Mitunternehmer der betreffenden Mitunternehmerschaft ist oder nicht.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.