VwGH vom 25.01.1989, 87/13/0117
Beachte
Besprechung in:
ÖStZB 1989, 226;
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Wimmer, über die Beschwerde der M-GmbH in W, vertreten durch Dr. Hans Pernkopf, Rechtsanwalt in Wien I, Mölkerbastei 10, gegen die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 5-1816/1/87, betreffend Lohnsteuer für die Zeit vom bis zum , zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die bei dieser Gelegenheit durch zwei Gesellschafter vertreten wurde, schloß mit dem Geschäftsführer am einen Geschäftsführer-Vertrag, in dem es u. a. heißt:
"1. Tätigkeit:" Der Geschäftsführer "wurde mit Beschluß der Generalversammlung der Gesellschaft vom zum Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt".
"9. Vorzeiten:" Dem Geschäftsführer "werden auf seine arbeitsrechtlichen Ansprüche aus dem Dienstverhältnis 23 Vordienstjahre angerechnet". Demgemäß wird der Geschäftsführer "in allen Fällen, für welche die Dauer des Dienstverhältnisses maßgebend ist, so behandelt, als wäre er am in die Dienste der Gesellschaft getreten".
"20. Dauer: Das Dienstverhältnis nach diesem Vertrag gilt auf die
Dauer der Bestellung .... zum Geschäftsführer der Gesellschaft. Es
endet, sobald die Bestellung .... zum Geschäftsführer durch
Beschluß der Gesellschafter gemäß § 16 GmbH-Gesetz widerrufen wird oder die Geschäftsführerfunktion aus anderen Gründen endet."
"21. Angestelltengesetz: In allen übrigen hier nicht ausdrücklich geregelten Punkten, wie z.B. hinsichtlich der vorzeitigen Auflösung des Dienstverhältnisses, gelten die Bestimmungen des Angestelltengesetzes."
Der eine Gesellschafter der Beschwerdeführerin, der schon den Geschäftsführervertrag mitgeschlossen hatte, hielt in seinem Schreiben an den Geschäftsführer vom u.a. fest:
"Sie haben uns davon in Kenntnis gesetzt, daß sie beabsichtigen, mit Ende des Jahres 1983 in den Ruhestand zu treten. Aus diesem Grund wird der zwischen der" Beschwerdeführerin "und Ihnen bestehende Dienstvertrag (Geschäftsführervertrag) einvernehmlich zum aufgelöst. In diesem Zusammenhang verweisen wir auf die Bestimmung Ihres Dienstvertrages, wonach der Anspruch auf Ruhe- und Versorgungsbezüge für die Zeit ruht, für die Sie Aktivbezüge bzw. Abfertigung von der Gesellschaft erhalten".
Eben derselbe Gesellschafter der Beschwerdeführerin hielt in seinem weiteren Schreiben an den Geschäftsführer vom sodann u.a. fest: "Mit Schreiben vom 07.07./ wurde das zwischen Ihnen und der" Beschwerdeführerin "bestehende Dienstverhältnis einvernehmlich aufgelöst. Wie mit Ihnen besprochen, soll Ihre Geschäftsführertätigkeit in der" Beschwerdeführerin "ab in befristeter Dauer weiter übernommen werden. Für die Dauer Ihrer weiteren Geschäftsführertätigkeit wird nachfolgender Dienstvertrag abgeschlossen: "1. Tätigkeit: Sie sind zum Geschäftsführer der" Beschwerdeführerin "bestellt".
"10. Dauer: Das vorliegende Dienstverhältnis ist in der Weise befristet, daß es endet, ohne daß es einer Kündigung bedarf, sobald ein weiterer Geschäftsführer für die Gesellschaft bestellt ist und dessen effektive Dienstleistung vier Monate gedauert hat, spätestens jedoch am ."
"11. Angestelltengesetz: In allen übrigen hier nicht ausdrücklich geregelten Punkten gelten die Bestimmungen des Angestelltengesetzes."
Der Prüfer, der bei der Beschwerdeführerin die Lohnsteuer für die Zeit vom bis geprüft hatte, stellte u.a. fest, daß dem Geschäftsführer am eine Abfertigung ausbezahlt worden war, obwohl nach Beendigung des ersten Dienstverhältnisses zur Beschwerdeführerin nahtlos ein weiteres Dienstverhältnis zur Beschwerdeführerin mit nahezu gleichen Bedingungen anschloß; der Prüfer versagte deshalb dieser Zahlung die begünstigte Versteuerung nach § 67 Abs. 3 EStG 1972 und versteuerte den Betrag durch Aufrollung des Jahresausgleiches nach.
Das Finanzamt erließ einen Haftungs- und Zahlungsbescheid, wobei es sich der Auffassung des Prüfers anschloß.
Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Berufung. Da der am schriftlich ausgefertigte Dienstvertrag keine Angaben über eine Abfertigung enthalten habe, habe bei Beendigung des Dienstverhältnisses eine Abfertigung nach § 23 Angestelltengesetz in der dort normierten Höhe gebührt. Mit Schreiben des Gesellschafters der Beschwerdeführerin sei die einvernehmliche Lösung des Dienstverhältnisses mit bestätigt worden. Da der für die Beschwerdeführerin vorgesehene neue Geschäftsführer noch nicht abkömmlich gewesen sei, sei an den Geschäftsführer mit der Bitte herangetreten worden, ein befristetes Dienstverhältnis ab derart einzugehen, daß die Beendigung ohne Kündigung erfolgen sollte, sobald ein weiterer Geschäftsführer für die Gesellschaft bestellt sei und dessen effektive Dienstleistung vier Monate gedauert habe. Als spätester Termin sei der vereinbart worden. Entsprechend dieser Vereinbarung sei mit Schreiben vom ein schriftlicher Dienstvertrag errichtet worden. Auch dieser Vertrag habe ebenso wie der ursprüngliche Dienstvertrag eine Klausel enthalten, wonach für alle nicht geregelten Punkte das Angestelltengesetz gelten sollte. Die Beendigung des mit dem neuen Dienstvertrag abgeschlossenen Dienstverhältnisses sei mit erfolgt. Da die Dauer dieses Dienstverhältnisses nur sechs Monate betragen habe, sei auch keine Auszahlung einer Abfertigung auf Grund dieses Vertrages erfolgt. Das ursprünglich eingegangene Dienstverhältnis sei mit aufgelöst, die Abfertigung ausbezahlt und nach § 67 Abs. 3 EStG 1972 versteuert worden. Unter der Annahme, daß das Dienstverhältnis mit nicht beendet, sondern bis fortgesetzt worden sei, sei dem Geschäftsführer zum eine Abfertigung überhaupt nicht zugestanden, da keine Vereinbarung darauf hinweise, daß eine Abfertigung vor Beendigung des Dienstverhältnisses zur Auszahlung gelangen sollte. In Anbetracht dieser Tatsache, daß kein zuständiges Organ dem Geschäftsführer die Auszahlung einer Abfertigung vor Beendigung des Dienstverhältnisses gestattet habe, müsse die erfolgte Zahlung als Entnahme eines "Akontos" gewertet werden, welches mit dem Abfertigungsanspruch per zu verrechnen und in diesem Zeitpunkt nach § 67 Abs. 3 EStG 1972 zu versteuern gewesen wäre. Einzuräumen sei, daß für den Zeitraum Jänner bis Juni 1984 allenfalls der Zinsenvorteil aus dieser "Akontozahlung" bei der Berechnung der Lohnsteuer in Ansatz zu bringen gewesen wäre. Für die Akontozahlung habe eine Rückzahlungsverpflichtung des Geschäftsführers bestanden. Die Forderung der Beschwerdeführerin sei dann mit dem Abfertigungsanspruch per zu verrechnen gewesen.
Die Finanzlandesdirektion wies mit der nunmehr angefochtenen Berufungsentscheidung diese Berufung ab. Aus den - eingangs wiedergegebenen - Vertragsbestimmungen könne nur der Schluß gezogen werden, daß das Dienstverhältnis tatsächlich erst am geendet habe. Da sogar eine kurze Unterbrechung mit anschließender Weiterführung des Dienstverhältnisses die Versteuerung einer "Abfertigung" nach § 67 Abs. 3 EStG 1972 nicht zulasse, müsse auch hier die begünstigte Besteuerung der Abfertigung versagt werden. Ob gegen den Geschäftsführer ein Rückforderungsanspruch bestanden habe, sei irrelevant, weil ein "solcher tatsächlich nicht zum Tragen" gekommen sei. Auch eine allfällige Akontozahlung zum sei nach § 78 Abs. 1 EStG 1972 als Lohnzahlung zu versteuern gewesen; § 67 Abs. 3 leg. cit. habe nicht Platz greifen können.
Die Beschwerdeführerin behauptet in der gegen diese Berufungsentscheidung erhobenen Beschwerde, sie sei in ihrem Recht auf Unterlassung der Heranziehung zur Haftung gemäß § 82 Abs. 1 EStG 1972 für Beträge, die beim Empfänger nicht unter den Einkommensbegriff nach § 2 EStG 1972 fallen, in eventu in ihrem Recht auf Anwendung der Besteuerung nach § 67 Abs. 3 EStG 1972 verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 67 Abs. 3 EStG 1972 wird die Lohnsteuer von Abfertigungen, deren Höhe sich nach einem von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängigen Mehrfachen des laufenden Arbeitslohnes bestimmt, so berechnet, daß die auf den laufenden Arbeitslohn entfallende tarifmäßige Lohnsteuer mit der gleichen Zahl vervielfacht wird, die dem bei der Berechnung des Abfertigungsbetrages angewendeten Mehrfachen entspricht. Ist die Lohnsteuer bei Anwendung der Steuersätze des § 67 Abs. 1 leg. cit. niedriger, so erfolgt die Besteuerung der Abfertigung nach dieser Bestimmung. Unter Abfertigung ist die einmalige Entschädigung zu verstehen, die einem Arbeitnehmer bei Auflösung des Dienstverhältnisses auf Grund gesetzlicher Vorschriften, von Gebietskörperschaften erlassener Dienstordnungen, aufsichtsbehördlich genehmigter Dienst(Besoldungs)ordnungen der Körperschaften des öffentlichen Rechts oder auf Grund eines Kollektivvertrages oder der für Bedienstete des österreichischen Gewerkschaftsbundes geltenden Arbeitsordnung vom Arbeitgeber zu leisten ist.
Gemäß § 78 Abs. 1 EStG 1972 hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten. Lohnzahlungen sind auch Vorschuß- oder Abschlagszahlungen oder sonstige vorläufige Zahlungen auf erst später fällig werdenden Arbeitslohn.
Gemäß § 82 Abs. 1 EStG 1972 ist der Arbeitnehmer beim Lohnsteuerabzug Steuerschuldner. Der Arbeitgeber haftet aber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer.
Der Geschäftsführervertrag vom - der auch das Dienstverhältnis regelt und für die Beschwerdeführerin von zwei Gesellschaftern unterfertigt ist (§ 15 Abs. 1 GmbH-Gesetz) - wäre durch die im Schreiben des Gesellschafters der Beschwerdeführerin vom (§ 15 Abs. 1 GmbH-Gesetz) festgehaltene einvernehmliche Auflösung zum aufgelöst worden. Dieser einvernehmlichen Auflösung wurde aber durch den am geschlossenen Dienstvertrag - der auch die weitere Bestellung zum Geschäftsführer beurkundet und für die Beschwerdeführerin von einem Gesellschafter unterfertigt ist (§ 15 Abs. 1 GmbH-Gesetz) - noch vor dem die Wirksamkeit genommen und das im wesentlichen unveränderte Dienstverhältnis über den hinaus fortgesetzt. Das bedeutet, daß zum ein Anspruch des Geschäftsführers auf Abfertigung - noch - nicht bestand.
Der belangten Behörde ist deshalb zuzustimmen, daß sie den zum zur Auszahlung gelangten Betrag nicht als Abfertigung qualifizierte und ihm die begünstigende Behandlung nach § 67 Abs. 3 EStG 1972 versagte. Das ein Rückforderungsanspruch der Beschwerdeführerin gegen den Geschäftsführer wegen vorzeitiger Auszahlung eines noch nicht entstandenen Abfertigungsanspruches gewollt war, ist dem abgabenbehördlichen Verfahren nicht zu entnehmen; der von der Beschwerdeführerin - wenn auch unrichtig - vorgenommene Lohnsteuerabzug spricht dagegen. Für Akontozahlungen - wenn eine solche überhaupt vorgelegen sein sollte - besteht keine Ausnahmeregelung.
Die Auffassung der Beschwerdeführerin, es widerspreche verfassungsrechtlichen Grundsätzen, wenn der Dienstnehmer nach dem Dienstnehmerhaftpflichtgesetz dem Dienstgeber nur bei einem Versehen für den Schaden hafte und auch der Rechtsträger vom Organ nach dem Organhaftpflichtgesetz nur wenn die Handlung nicht - bloß - auf einer entschuldbaren Fehlleistung beruht - bzw. nach dem Amtshaftungsgesetz nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit - Ersatz bzw. Rückersatz begehren könne, der Arbeitgeber aber nach § 82 Abs. 1 EStG 1972 selbst ohne Verschulden dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer hafte, wird nicht geteilt; der Arbeitgeber ist weder als Hilfsstelle oder Erfüllungsgehilfe des Finanzamtes noch als Dienstnehmer oder Organ des Bundes schlechthin anzusprechen
Die Beschwerde ist deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 243.
Wien, am