VwGH vom 14.12.1995, 95/07/0095
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde des Ing. P in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-BN-94-011, betreffend Übertretung des Wasserrechtsgesetzes 1959 (weitere Partei gemäß § 21 Abs. 1 VwGG: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden (BH) vom wurde die Firma M-AG unter anderem gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959 verpflichtet, bei den Tankanlagen der Autobahntankstelle A bis die Fugen im Bereich der Betondecken und Entwässerungsringe flüssigkeitsdicht und mineralölbeständig auszuführen und durch eine Fachfirma nachzuweisen, auf welchem Wege Niederschlagswasser in den Füllschacht eindringt und darauf aufbauend entsprechende Sanierungsvorschläge der Wasserrechtsbehörde vorzulegen.
Mit Schreiben der BH vom erging an die M-AG die Aufforderung für die Nichteinhaltung der mit Bescheid der BH vom gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959 erteilten Aufträge, die am festgestellt worden seien, die nach § 9 Abs. 2 VStG verantwortliche Person bekanntzugeben.
Mit Schreiben vom gab die M-AG als verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG den Beschwerdeführer bekannt. Dieses Schreiben war sowohl von Organen der M-AG als auch zum Nachweis seiner Zustimmung vom Beschwerdeführer unterfertigt.
Mit Strafverfügung der BH vom wurde der Beschwerdeführer als nach § 9 Abs. 2 VStG verantwortlicher Beauftragter der M-AG gemäß den §§ 31 Abs. 3, 137 Abs. 3 lit. e WRG 1959 dafür bestraft, daß diese Gesellschaft den mit Bescheid der BH vom gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959 erteilten Aufträgen nicht nachgekommen ist. Als Tatzeit wurde der (Tag der Feststellung der Übertretung) angegeben.
Mit Schreiben vom erhob der Beschwerdeführer durch einen ausgewiesenen Vertreter Einspruch gegen diese Strafverfügung.
Mit Schreiben vom forderte die BH den Beschwerdeführer auf, sich zu rechtfertigen, der dies mit Schreiben vom durch seinen ausgewiesenen Vertreter auch tat.
Mit Straferkenntnis vom verhängte die BH über den Beschwerdeführer wegen zweier Übertretungen des WRG 1959 eine Geldstrafe in Höhe von insgesamt S 5.000,--.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Vertreter Berufung.
In der aufgrund der Berufung durch die belangte Behörde am durchgeführten Berufungsverhandlung erklärte der Vertreter des Beschwerdeführers, daß der Beschwerdeführer Leiter der Bauabteilung der M-AG sei. Der Beschwerdeführer wäre erst am (mit diesem Tag sei auch das Schreiben der M-AG an die BH datiert) zum verantwortlichen Beauftragten bestellt worden. Vor diesem Zeitpunkt sei eine Bestellung des Beschwerdeführers zum verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG nicht erfolgt. Ein tauglicher Nachweis, der bereits vor dem Tatzeitpunkt entstanden sein müsse, liege somit nicht vor.
Die Verhandlung wurde sodann auf vertagt. Vor dieser vertagten Verhandlung langten bei der belangten Behörde zwei Schreiben, datiert mit und ein. In diesen Schreiben wurde der Beschwerdeführer als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs. 2 VStG für die in den Aufforderungsschreiben der BH vom und angeführten Sachverhalte bekanntgegeben. Beide Schreiben - sowohl jenes vom als auch jenes vom - waren von Organen der M-AG und zum Nachweis der Zustimmung zu seiner Bestellung als verantwortlicher Beauftragter vom Beschwerdeführer unterfertigt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers nicht Folge. Der Spruch des Straferkenntnisses der BH wurde insoweit abgeändert als dem Beschwerdeführer zur Last gelegt wurde, er habe als verantwortlicher Beauftragter (§ 9 Abs. 2 VStG) der M-AG zu verantworten, daß die genannte Aktiengesellschaft den Aufträgen nach § 31 Abs. 3 WRG 1959 insofern nicht nachgekommen ist, als am die Fugen im Bereich der Entwässerungsrinne nicht flüssigkeitsdicht und mineralölbeständig ausgeführt waren, durch eine Fachfirma nicht nachgewiesen wurde, auf welchem Wege Niederschlagswasser in den Füllschacht eindringt und der Wasserrechtsbehörde keine entsprechenden Sanierungsvorschläge vorgelegt wurden.
Begründend führte die belangte Behörde aus, daß der Beschwerdeführer Leiter der Bauabteilung der M-AG und zumindest seit Frühjahr 1991 verantwortlicher Beauftragter hinsichtlich allfälliger Übertretungen der genannten Aktiengesellschaft bezüglich der technischen Einrichtungen bei der Autobahntankstelle A sei. Die M-AG habe nämlich in einem anderen Verwaltungsverfahren gegen den Beschwerdeführer der BH bereits im Frühjahr 1991 mitgeteilt, daß der Beschwerdeführer verantwortlicher Beauftragter sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Beschwerdeführer bringt vor, daß die Schreiben vom , und nicht als wirksame Bestellung seiner Person im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG angesehen werden könnten, weil sie sich lediglich auf einzelne bereits zuvor konkretisierte Sachverhalte bezögen, nicht aber den Verantwortungsbereich pro futuro abstrakt nach räumlichen oder sachlichen Kriterien abgrenzen würden.
Gemäß § 9 Abs. 2 VStG könne eine Person, die nicht zu jenem Personenkreis zähle, der zur Vertretung einer juristischen Person nach außen berufen sei, nur für einen bestimmten räumlich oder sachlich abgegrenzten Bereich des betreffenden Unternehmens bestellt werden, der überdies gemäß § 9 Abs. 4 VStG klar abzugrenzen sei. Eine solche Abgrenzung des Verantwortungsbereiches könne weder dem Schreiben vom noch jenem vom entnommen werden. Im übrigen sei die Behauptung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei verantwortlicher Beauftragter bezüglich der technischen Einrichtungen bei der Autobahntankstelle A in keiner Weise durch das Ermittlungsergebnis gedeckt und daher aktenwidrig.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde hat einen Fall zum Gegenstand, in welchem es um die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch eine juristische Person geht.
Nach § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.
Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind nach § 9 Abs. 2 leg. cit. berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.
Nach § 9 Abs. 4 VStG kann verwantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden, klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.
Die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten bewirkt einen Wechsel in der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit. Diese geht von dem nach außen zur Vertretung Berufenen auf den verantwortlichen Beauftragten über; dies allerdings nur, wenn sämtliche Voraussetzungen des § 9 VStG erfüllt sind (vgl. Thienel, Der Beginn der Rechtsstellung verantwortlicher Beauftragter nach § 9 VStG, ZfV 3/93, 243, und die dort angeführte hg. Judikatur).
Im Beschwerdefall geht es um die Einhaltung des § 31 Abs. 3 WRG 1959 durch die M-AG. Hiefür sind zunächst die zur Vertretung dieser AG nach außen Berufenen, also der Vorstand, verantwortlich. Dieser konnte die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit aber durch Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten überwälzen. Um von einem verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 VStG sprechen zu können, ist gemäß Abs. 4 dessen nachweisliche Zustimmung zu seiner Bestellung erforderlich. Diese Bestellung wird erst ab dem Zeitpunkt, zu dem der Behörde die Zustimmung der zum verantwortlichen Beauftragten bestellten Person nachgewiesen wird, wirksam. Erst mit dem Einlangen des Zustimmungsnachweises bei der Behörde tritt ihr gegenüber der namhaft gemachte verantwortliche Beauftragte in rechtswirksamer Weise als Adressat der Verwaltungsstrafnorm an die Stelle der zur Vertretung nach außen Berufenen. Die Berufung auf einen verantwortlichen Beauftragten ist daher nur dann zulässig, wenn bei der Behörde spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens ein - aus der Zeit vor der Begehung der Übertretung stammender - Zustimmungsnachweis eines derartigen verantwortlichen Beauftragten einlangt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. N.F. 12.375/A u.a.).
Die mit datierte Zustimmungserklärung erfüllt diese zeitlichen Voraussetzungen (Tatzeitpunkt ) nicht.
§ 9 Abs. 4 VStG sieht vor, daß verantwortlicher Beauftragter nur eine Person sein kann, der für den ihrer Verantwortung unterliegenden, klar abzugrenzenden Bereich eine ensprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.
Die Zuweisung der (der Verantwortung) "entsprechenden Anordnungsbefugnis" ist - gleich der Zustimmung zur Bestellung - der Behörde nachzuweisen. Andernfalls liefe die Anordnung des § 9 Abs. 4 VStG insoweit ins Leere, als die Behörde keine Möglichkeit hätte, zu überprüfen, ob die von einer bestimmten Person (für einen klar abzugrenzenden Bereich) übernommene Verantwortung nicht bloß eine leere Hülse ist, sondern tatsächlich in die Wirklichkeit umgesetzt werden kann, wozu es eben der "entsprechenden Anordnungsbefugnis" bedarf. Nicht zwingend, wenn auch zweckmäßig, ist es allerdings, daß der besagte Nachweis über die Anordnungsbefugnis der Behörde zugleich mit dem die Bestellung betreffenden Zustimmungsnachweis erbracht werden muß. Wohl aber muß jener so wie dieser aus der Zeit vor der Begehung der Tat stammen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Okober 1994, 94/07/0027).
Die Zustimmungserklärungen des Beschwerdeführers vom und vom zu seiner Bestellung als verantwortlicher Beauftragter enthalten keinen Nachweis über die Zuweisung einer entsprechenden Anordnungsbefugnis, sondern erschöpfen sich lediglich in der bloßen Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten für die in den Aufforderungsschreiben der BH angeführten Sachverhalte. Es findet sich auch kein derartiger Nachweis im Akt. Da der Behörde demnach das Erfordernis der entsprechenden Anordnungsbefugnis des § 9 Abs. 4 VStG nicht nachgewiesen worden war, durfte sie aus diesem Grund nicht von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers ausgehen.
Des weiteren ist die Behautpung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei verantwortlicher Beauftragter "bezüglich der technischen Einrichtungen bei der Autobahntankstelle A."
durch Ermittlungsergebnisse nicht gedeckt und daher aktenwidrig.
Da die Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes einer Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht (vgl. dazu die bei Dolp,
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S 592 angeführte
hg. Judikatur), war der Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand, da zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung für die Beschwerde S 360,-- und für die Beilagen lediglich S 120,-- an Stempelgebühren erforderlich waren.
Fundstelle(n):
OAAAE-35228