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VwGH vom 22.02.2002, 2001/02/0010

VwGH vom 22.02.2002, 2001/02/0010

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-280545/2/Kon/Pr, betreffend Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften (mitbeteiligte Partei: HH), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom war der Mitbeteiligte für schuldig befunden worden, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als im Sinn des § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener einer näher genannten GmbH in Wels zu verantworten, dass bei der Überprüfung des Arbeitsinspektorates vom folgende Mängel festgestellt wurden:

(1. ...)

2. "Die Namen der Sicherheitsvertrauenspersonen waren

dem Arbeitsinspektorat Wels nicht schriftlich mitgeteilt worden.

3. Die Durchführung der Ermittlung und Beurteilung der

Gefahren war nicht fertig gestellt.

4. Die Durchführung der Festlegung von Maßnahmen zur

Gefahrenverhütung war nicht fertig gestellt.

5. Die Durchführung der Erstellung der Sicherheits-

und Gesundheitsschutzdokumente war nicht fertig gestellt.

6. Die Arbeitnehmer waren nicht nachweislich über

Sicherheit und Gesundheitsschutz unterwiesen worden.

7. Es wurden keine Aufzeichnungen über alle tödlichen

Arbeitsunfälle sowie über alle Arbeitsunfälle, die eine Verletzung eines Arbeitnehmers mit einem Arbeitsausfall von mehr als drei Kalendertagen zur Folge hatten, geführt."

Der Mitbeteiligte habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach zu 2) § 130 Abs. 1 Z. 31 i.V.m. § 10 Abs. 8 ASchG zu 3) § 130 Abs. 1 Z. 5 i.V.m. §§ 4 Abs. 1 i.V.m.

§ 102 Abs. 2 Z. 2 ASchG

zu 4) § 130 Abs. 1 Z. 6 i.V.m. §§ 4 Abs. 3 i.V.m.

§ 102 Abs. 2 Z. 2 ASchG

zu 5) § 130 Abs. 1 Z. 7 i.V.m. §§ 5 i.V.m. § 102

Abs. 2 Z. 2 ASchG

zu 6) § 130 Abs. 1 Z. 11 i.V.m. § 14 Abs. 1 ASchG

zu 7) § 130 Abs. 1 Z. 13 i.V.m. § 16 Abs. 1 ASchG

begangen, weshalb gegen ihn

zu 2) eine Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe

von 7 Stunden),

zu 3) eine Geldstrafe von S 4.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe

von 13 Stunden),

zu 4) eine Geldstrafe von S 4.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe

von 13 Stunden),

zu 5) eine Geldstrafe von S 4.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe

von 13 Stunden),

zu 6) eine Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe

von 34 Stunden),

zu 7) eine Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe

von 7 Stunden),

zu verhängen gewesen sei.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid

wurde der Berufung des Mitbeteiligten teilweise Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich der Fakten 2, 3, 4, 5, 6 und 7 aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG eingestellt. Die belangte Behörde führte begründend aus, dass in keinem der Tatvorwürfe der Behörde erster Instanz zum Ausdruck komme, dass die GmbH als Arbeitgeberin ihren Verpflichtungen gemäß den §§ 10 Abs. 8, 4 Abs. 1, 4 Abs. 3, 5, 14 Abs. 1 und 16 Abs. 1 ASchG nicht nachgekommen sei und dies der Beschuldigte als ihr zur Vertretung nach außen berufenes Organ verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten habe. "Schon auf Grund dieses allen Fakten gemeinsamen Spruchmangels, mit dem auch die Verfolgungshandlung behaftet ist" - so die belangte Behörde weiter - sei das vor ihr angefochtene Straferkenntnis zu beheben gewesen. Darüber hinaus seien auch die zu den Fakten 3 bis 7 zu Grunde liegenden Tatumschreibungen nicht in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale der jeweils als verletzt behaupteten Verwaltungsvorschriften erfolgt. Aus diesem Grund wäre eine sämtliche Tatbestandsmerkmale umfassende Subsumtion dieser Tatvorwürfe unter die jeweils als verletzt erachteten Verwaltungsnormen nicht möglich. Im Übrigen gehe aus keinen der unter Faktum 2 bis 7 erhobenen Tatvorwürfe hervor, hinsichtlich welcher örtlich zu umschreiben gewesener Arbeitsstätte die GmbH als Arbeitgeberin ihren Verpflichtungen nach dem ASchG nicht nachgekommen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Soweit die belangte Behörde die Aufhebung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens darauf stützte, dass das erstinstanzliche Straferkenntnis nicht auf die Eigenschaft des Mitbeteiligten als zur Vertretung des Arbeitgebers berufenes Organ eingegangen sei, wobei auch Verfolgungsverjährung vorliege, ist ihr entgegenzuhalten, dass der Umstand, ob ein Beschuldigter die Tat als Arbeitgeber, als zur Vertretung nach außen Berufener, als gewerberechtlicher Geschäftsführer, als verantwortlicher Beauftragter oder als Bevollmächtigter zu verantworten hat, nicht als Sachverhaltselement der angelasteten Tat zu werten ist, sondern ein die Frage der Verantwortlichkeit der von Anfang an als Beschuldigter angesprochenen Person betreffendes Merkmal darstellt. Der verwaltungsstrafrechtlichen Verfolgung des Mitbeteiligten als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der genannten, als Arbeitgeber anzusehenden Gesellschaft wäre somit - unabhängig davon, dass die im Verwaltungsstrafverfahren gegen den Mitbeteiligten gerichteten Verfolgungshandlungen nicht auf die Arbeitgebereigenschaft Bedacht genommen haben - nicht Verfolgungsverjährung gemäß § 31 VStG entgegengestanden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 97/02/0450, vom , Zl. 95/11/0087 und vom , Zl. 90/19/0527). Zu einer diesbezüglich präziseren Umschreibung der jeweils angelasteten Tat im Spruch wäre aber die belangte Behörde selbst berechtigt und verpflichtet gewesen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/11/0171, mwN; siehe auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/11/0102).

Dem beschwerdeführenden Bundesminister ist auch zuzustimmen, wenn er vorbringt, die belangte Behörde stütze die Aufhebung bzw. Einstellung zu Unrecht darauf, dass "die den Fakten 3 bis 7 zugrundeliegenden Tatumschreibungen nicht in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale erfolgt seien", denn aus dem Spruch der erstinstanzlichen Behörde geht mit voller Deutlichkeit hervor, welches Verhalten dem Mitbeteiligten zur Last gelegt wird.

Die Beschwerde rügt grundsätzlich (zu der sich aus § 102 Abs. 2 AschG ergebenden abweichenden Rechtslage siehe unten) auch zu Recht die Auffassung der belangten Behörde, dem Mitbeteiligten hätte vorgeworfen werden müssen, hinsichtlich welcher örtlich zu umschreiben gewesenen Arbeitsstätten (zu diesem Begriff allgemein vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/02/0234) die Gesellschaft ihren Verpflichtungen nach dem ASchG nicht nachgekommen sei. Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom , Zl. 97/11/0340, ebenfalls zu einer arbeitnehmerschutzrechtlichen Regelung ausgeführt hat, ist Tatort der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung der Sitz des Unternehmens, an dem das Organ im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG Verstöße gegen arbeitnehmerschutzrechtliche Bestimmungen hätte verhindern müssen. Dies trifft (auch) bei den hier zu Grunde liegenden Pflichtverletzungen wie der Pflicht zur schriftlichen Mitteilung der Sicherheitsvertrauensperson, zur Ermittlung und Beurteilung der Gefahren, zur Festlegung von Maßnahmen zur Gefahrenverhütung, zur Erstellung der Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumente, zur Unterweisung der Arbeitnehmer über Sicherheit und Gesundheitsschutz sowie zur Aufzeichnung über Arbeitsunfälle, alles Verletzungen der allgemeinen Anforderungen des ASchG, die nicht nur für die einzelnen Abschnitte von Bedeutung sind, sondern generell gelten (vgl. auch Schramhauser/Heider, ArbeitnehmerInnenschutzgesetz3, 58), zu, wird doch jeweils eine den Arbeitgeber treffende Handlungspflicht angeordnet (und die damit verbundene Unterlassung unter Verwaltungsstrafsanktion gestellt).

Etwas anderes folgt jedoch aus den Übergangsbestimmungen des § 102 Abs. 2 AschG. Danach muss die Durchführung der Ermittlung und Beurteilung der Gefahren, die Festlegung von Massnahmen zur Gefahrenverhütung und die Erstellung der Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumente spätestens (Z 1) für Arbeitsstätten, in denen regelmäßig mehr als 100 Arbeitnehmer beschäftigt werden, mit , (Z 2) für Arbeitsstätten, in denen regelmäßig 51 bis 100 Arbeitnehmer beschäftigt werden, mit , (Z 3) für Arbeitsstätten, in denen regelmäßig 11 bis 50 Arbeitnehmer beschäftigt werden, mit und (Z 4) für Arbeitsstätten, in denen regelmäßig bis zu zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden, mit fertig gestellt sein. Insoweit wäre daher die den Arbeitgeber treffende Handlungspflicht im Hinblick auf die einzelnen Arbeitsstätten zu differenzieren gewesen. Der im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides gemachte Vorwurf wäre daher, da er sich auf das gesamte Unternehmen bezieht, allenfalls (bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 102 Abs. 2 ASchG) hinsichtlich der Tatumschreibung unrichtig. Dies hätte jedoch die belangte Behörde nicht zu der von ihr vorgenommenen Einstellung sondern (nur) zu einer Entscheidung nach Klärung des Bestehens der Voraussetzungen einer derartigen Handlungspflicht des Arbeitgebers berechtigt, zumal wegen des (allenfalls zu weiten) Vorwurfs in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom auch noch keine Verjährung eingetreten sein konnte.

Da somit die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Aufhebung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses und die Verfügung der Einstellung des Verwaltungsverfahrens auf einer unzutreffenden Rechtsauffassung der belangten Behörde beruhten, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Wien, am