VwGH vom 19.12.1990, 87/13/0070
Beachte
Besprechung in:
ÖStZB 1991, 426;
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der H-GmbH gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 7-2328/86, betreffend Festsetzung eines Säumniszuschlages, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.350,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Streit besteht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Vorschreibung eines Säumniszuschlages. Dem angefochtenen Bescheid liegt im wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
Mit Bescheid vom wurde der beschwerdeführenden GmbH für das Jahr 1984 Gewerbesteuer im Ausmaß von S 245.738,-- vorgeschrieben. Diese Steuer überstieg die geleisteten Gewerbesteuervorauszahlungen für das Jahr 1984 um S 143.738,-- und führte daher zu einer entsprechenden Nachzahlungsverpflichtung, die am fällig wurde. Da die Gewerbesteuernachzahlung zum Fälligkeitstag nicht entrichtet wurde, schrieb das Finanzamt gemäß § 217 BAO einen Säumniszuschlag in Höhe von S 2.875,-- vor.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Über ihr Vermögen sei mit Edikt vom das Ausgleichsverfahren eröffnet worden. Von diesem Verfahren sei auch die Gewerbesteuer für das Jahr 1984 betroffen, sodaß die Vorschreibung eines Säumniszuschlages unzulässig sei.
Das Finanzamt erließ eine abweisende Berufungsvorentscheidung und wies darauf hin, daß das Ausgleichsverfahren bereits am aufgehoben worden sei. Für die später fällig gewordene aber nicht entrichtete Gewerbesteuerschuld sei daher zu Recht ein Säumniszuschlag vorgeschrieben worden.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Vorlage ihrer Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Die Gewerbesteuernachzahlung falle unter "die Masse" und werde daher nur im Ausmaß der 40 %igen Ausgleichsquote zu entrichten sein. Eine Teilzahlung sei bereits "mit der ersten Quotenzahlung aus der Masse geleistet" worden.
Die belangte Behörde wies die Berufung ab.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 4 Abs. 2 lit. b BAO entsteht der Abgabenanspruch bei der Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird. Die Gewerbesteuerschuld der Beschwerdeführerin für das Jahr 1984 war daher ungeachtet des Umstandes, daß sie erst später bescheidmäßig festgesetzt wurde, bereits am entstanden. Wie der Gerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 85/13/0058, ausgesprochen hat, ist der Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschuld gemäß § 4 BAO gleichzusetzen mit dem Zeitpunkt der Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes im Sinne des § 46 Abs. 1 Z. 2 KO in der Fassung BGBl. 1982/370. Gleiches gilt für die analoge Bestimmung des § 23 Abs. 1 Z. 2 AO. Auch hier sind Abgabenforderungen nur dann bevorrechtet, d.h. solche, die gemäß § 46 Abs. 2 AO voll zu befriedigen sind, wenn sie erst nach Eröffnung des Ausgleichsverfahrens entstanden sind. Dies trifft im Beschwerdefall (Ausgleichseröffnung mit Edikt vom , Entstehen des Abgabenanspruches am ) nicht zu.
Die Gewerbesteuernachzahlung für das Jahr 1984 war daher nur nach Maßgabe der Ausgleichsquote zu entrichten.
Weiters ist zu beachten, daß der Gerichtshof in seinen Erkenntnissen vom , Zl. 1168/78, und vom , Zl. 84/15/0009, die Auffassung vertreten hat, daß die Vorschriften der Konkursordnung, die eine vom abgabenrechtlichen Fälligkeitstag abweichende Entrichtung (Befriedigung) einer Abgabe vorsehen, den Vorrang gegenüber den einschlägigen abgabenrechtlichen Bestimmungen haben. Dies im Interesse der übrigen Gläubiger, deren Befriedigung nach den Bestimmungen der Konkursordnung sonst gefährdet wäre.
Dieselben Überlegungen, auf Grund derer der Gerichtshof zu dieser Auffassung gelangt ist, gelten für die entsprechenden Vorschriften der Ausgleichsordnung. Gehört daher eine Abgabenschuld zu jenen Verbindlichkeiten, von denen der Schuldner durch den rechtskräftig bestätigten Ausgleich gemäß § 53 Abs. 1 AO befreit wird, so treten die Vorschriften der Bundesabgabenordnung, insbesondere jene des § 217 leg. cit. über die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages gegenüber den Vorschriften der Ausgleichsordnung in den Hintergrund, sodaß die Vorschreibung eines Säumniszuschlages nicht in Betracht kommt.
Die belangte Behörde meint, daß die Gewerbesteuernachzahlung für das Jahr 1984 deswegen nicht von den Rechtswirkungen des Ausgleichsverfahrens betroffen war, weil der Gewerbesteuerbescheid 1984 erst nach Aufhebung des Ausgleichsverfahrens () erlassen wurde. Sie übersieht dabei, daß, wie bereits gesagt, nicht der Zeitpunkt des Erlassens eines Abgabenbescheides für das Entstehen der darin festgesetzten Abgabenschuld maßgebend ist, sondern der im § 4 BAO genannte Zeitpunkt. Mit dem Abgabenbescheid wird lediglich das Leistungsgebot ausgesprochen und die Fälligkeit der Abgabe bestimmt. Es liegt daher nicht in der Dispositionsfreiheit der Abgabenbehörde, ob und inwieweit eine Abgabenschuld von den Rechtswirkungen eines Ausgleichsverfahrens betroffen wird oder nicht, je nach dem, ob sie den betreffenden Abgabenbescheid vor oder nach Eröffnung oder nach Aufhebung des Ausgleiches erläßt. Ebenso ist es auch unmaßgeblich, ob und inwieweit eine vor Eröffnung des Ausgleiches entstandene, aber erst später festgesetzte Abgabe bereits durch entsprechende Vorauszahlungen entrichtet wurde.
Mit Rücksicht auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid sei schließlich noch festgehalten, daß die vorstehenden Ausführungen nicht davon berührt werden, ob der Abgabepflichtige ein Zahlungserleichterungsansuchen einbringt oder nicht, weil, wie bereits dargelegt, für die Einhebung einer vom Ausgleichsverfahren betroffenen Abgabenschuld vorrangig die Vorschriften der Ausgleichsordnung anzuwenden sind.
Da die belangte Behörde dies verkannt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom , BGBl. Nr. 206, insbesondere deren Art. III Abs. 2.