VwGH vom 18.02.2003, 2001/01/0473
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des F in E, vertreten durch Mag. Rainer Rienmüller, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kohlmarkt 16, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom , Zl. 11-A-01, betreffend Verpflichtung zur erkennungsdienstlichen Behandlung und Ladung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid verpflichtete die Bezirkshauptmannschaft Mödling (die belangte Behörde) den Beschwerdeführer "auf Grund des § 65 Abs. 1 und 4,§ 77 Abs. 1 und 2 und § 78 Sicherheitspolizeigesetz", sich am erkennungsdienstlich behandeln zu lassen und an den dafür erforderlichen Handlungen mitzuwirken. Für den Fall des Unterbleibens der Mitwirkung drohte sie die Verhängung einer "Zwangsstrafe in der Höhe von S 5.000,-- (EUR 363,36)" an. Zur Begründung führte sie - nach Wiedergabe des § 65 Abs. 1 und 4,§ 77 Abs. 1 und 2 sowie des § 78 SPG - aus, der Beschwerdeführer sei laut einer Anzeige des Gendarmeriepostens Maria Enzersdorf vom verdächtig, "den Tatbestand der Körperverletzung (§§ 83f StGB) und Nötigung (§ 105 StGB) verwirklicht zu haben", weil er am
"1. gegen 18.35 Uhr mit (seinem) Sportcoupe, Marke Porsche, Kennzeichen MD-MOTT 1, den auf der rechten Spur fahrenden Lenker Pedro Luis de M. des PKW, Marke Mercedes, Kennzeichen MD- 459P, auf der Triester Bundesstraße (B 17) vor dem Kreuzungsbereich mit der Steinfeldstrasse überholt, danach - ohne vorher geblinkt zu haben - ihn mit Ihrem KFZ geschnitten und schließlich stark abgebremst ..., diesen mit Gewalt zu einer Notbremsung - sohin zu einer Handlung - gezwungen ...,
2. unmittelbar danach auf der Johann Steinböck-Strasse (sein) Sportcoupe, Marke Porsche, Kennzeichen MD-MOTT1, vor dem auf Höhe des Gebäudes der EVN hinter (ihm) fahrenden Lenker Pedro Luis de M. des PKW, Marke Mercedes, Kennzeichen MD- 459P, grundlos abgebremst, diesen mit Gewalt zu einer Notbremsung - sohin zu einer Handlung - gezwungen ...,
3. mit (seinem) Sportcoupe, Marke Porsche, Kennzeichen MD-MOTT1, den auf der rechten Spur der Johann Steinböck-Strasse fahrenden Lenker des PKW Pedro Luis de M. des PKW, Marke Mercedes, Kennzeichen MD-459P, im Kreuzungsbereich mit (der Strasse) In den Schnablern neuerlich überholt, danach - ohne vorher geblinkt zu haben - mit (seinem) KFZ geschnitten und sodann grundlos stark verzögert ..., diesen mit Gewalt zu einer Notbremsung - sohin zu einer Handlung - gezwungen ...,
4. Pedro Luis de M. einen Schlag mit einem ca. 65 cm langen, lackierten Holzstock in den Bauchbereich versetzt und diesem ein Haematom zugefügt ..."
habe.
Der Beschwerdeführer stehe daher im Verdacht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben. Um ihn von weiteren gefährlichen Angriffen abzuhalten, erscheine es erforderlich, ihn erkennungsdienstlich behandeln zu lassen. Er sei mit Schreiben vom 8. Mai gemäß § 77 Abs. 1 SPG formlos aufgefordert worden, sich der erkennungsdienstlichen Behandlung beim Gendarmerieposten Maria Enzersdorf zu unterziehen. Da er dieser Aufforderung nicht nachgekommen sei, müsse ihm die im Spruch angeführte Verpflichtung bescheidmäßig auferlegt werden.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
§ 65 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz - SPG in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 85/2000 lautet wie folgt:
"Erkennungsdienstliche Behandlung
§ 65. (1) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, einen Menschen, der in Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn der Betroffene im Rahmen krimineller Verbindungen tätig wurde oder dies sonst zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe des Betroffenen erforderlich scheint."
Die amtswegige Vornahme einer erkennungsdienstlichen Behandlung (unter sicherheitspolizeilichen Gesichtspunkten) ist demnach klar an zwei Voraussetzungen geknüpft. Einerseits muss die betreffende Person in Verdacht stehen, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, andererseits muss sie im Rahmen krimineller Verbindungen tätig geworden sein oder es muss die erkennungsdienstliche Behandlung zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe dieser Person erforderlich scheinen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/01/0289, mwH).
Die belangte Behörde sah offensichtlich die erste Voraussetzung des § 65 Abs. 1 SPG - den Verdacht der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung - in ihren Feststellungen über den sich auf die Anzeige des Gendarmeriepostens Maria Enzersdorf vom gegründeten Verdacht gegen den Beschwerdeführer erfüllt.
Die vorliegende Beschwerde weist jedoch zutreffend darauf hin, dass sich die belangte Behörde mit dem Vorliegen der weiteren Tatbestandsmerkmale des § 65 Abs. 1 SPG nur unzureichend auseinander gesetzt hat. Die diesbezügliche Begründung des angefochtenen Bescheides beschränkt sich auf den Satz, es erscheine erforderlich, den Beschwerdeführer erkennungsdienstlich zu behandeln, um ihn von weiteren gefährlichen Angriffen abzuhalten. Die von der belangten Behörde getroffenen, eingangs wiedergegebenen, auf den Verdacht von Angriffen durch den Beschwerdeführer beschränkten Feststellungen erweisen sich für die Prognose, die erkennungsdienstliche Behandlung erscheine zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe des Betroffenen erforderlich, als nicht tragfähig. Was der Gesetzgeber unter "Vorbeugung" im Sinn des § 65 Abs. 1 SPG versteht, ergibt sich aus der im § 65 Abs. 5 zweiter Satz SPG getroffenen Anordnung, wonach der Betroffene im Zusammenhang mit der erkennungsdienstlichen Behandlung "darauf hinzuweisen" ist, "dass die erkennungsdienstliche Behandlung deshalb erfolgte, um der Begehung gefährlicher Angriffe durch sein Wissen um die Möglichkeit seiner Wiedererkennung entgegenzuwirken" (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/01/0320, mwN).
Die belangte Behörde enthielt sich der Feststellung jeglicher Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen könnten, die erkennungsdienstliche Behandlung sei zur Vorbeugungweiterer gefährlicher Angriffe des Beschwerdeführers erforderlich. Allein auf Grund des Verdachtes, der Beschwerdeführer habe am , sohin an einem Tag einen anderen Fahrzeuglenker genötigt und am Körper verletzt, erscheint die Prognose, der Beschwerdeführer werde weitere gefährliche Angriffe begehen, noch nicht nachvollziehbar. Schließlich steht der Beschwerdeführer in Verdacht, die Mehrzahl der Angriffe als Lenker des offenbar auf ihn zugelassenen Fahrzeuges - sohin nicht im Vertrauen, unerkannt zu bleiben - gesetzt zu haben, sodass die Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung zur Verhinderung weiterer gefährlicher Angriffe durch das Wissen um die Möglichkeit einer Wiedererkennung, näher zu begründen gewesen wäre (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2001/01/0512, das den selben Beschwerdeführer betrifft).
Nach dem Gesagten hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Die Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war im Betrag von EUR 181,68 zuzusprechen.
Die Abweisung des Mehrbegehrens gründet sich darauf, dass die Zuerkennung von die Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG übersteigenden Gebühren gesetzlich nicht vorgesehen ist.
Wien, am