VwGH vom 03.03.2004, 2001/01/0445
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Thoma und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des O in H, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 02/32/5028/2001/12, betreffend behauptete Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In seiner gegen die "Republik Österreich Bundespolizeidirektion Wien" gerichteten Beschwerde wegen "Ausübung von unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt" brachte der Beschwerdeführer vor, er sei am mit dem Zug von Deutschland nach Österreich gereist. Nach seiner Ankunft in Wien um etwa 9.05 Uhr sei er bis Mittag angehalten und während dieser Anhaltung seien er und sein Gepäck einer Durchsuchung unterzogen worden. Hiebei sei auch der Einsatz eines Spürhundes der Drogenfahndung erfolgt. Die Durchsuchung der Gepäckstücke sei in keiner Weise schonend durchgeführt worden. Ein Handkoffer und andere Gepäckstücke seien aufgeschnitten und hiedurch Eigentum im Wert von DM 2000,-- mutwillig zerstört worden. Danach sei er gezwungen worden, sein Einverständnis zur Untersuchung seines Abdominaltraktes auf Drogen zu erteilen. Die Durchsuchung sei in einem Spital durchgeführt worden. Diese Untersuchung mittels bildgebendem Verfahren sei - ungeachtet der Bestimmung des § 43 SMG - rechts- und somit verfassungswidrig gewesen, weil sie nicht medizinisch indiziert gewesen sei. Die für die Untersuchung abgenötigte Einverständniserklärung sei rechtlich irrelevant. Der Beschwerdeführer habe sich vor die Alternative gestellt gesehen, sich einer tagelangen Anhaltung mit erheblichen finanziellen Verlusten und der entwürdigenden Beobachtung während der Abgabe seiner Körperausscheidungen auszusetzen oder die Untersuchung zu erdulden. Er beantrage die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und Fällung des "Erkenntnisses", dass er durch seine am durch Beamte der Bundespolizei vorgenommene Festnahme und Anhaltung in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit, durch die Röntgenuntersuchung in seinem Recht auf körperliche Integrität und durch das Zerschneiden seiner Gepäckstücke in seinem Recht auf Eigentum verletzt worden sei.
Die belangte Behörde übermittelte hierauf eine Abschrift dieser Beschwerde an die Bundespolizeidirektion Wien, die hiezu mitteilte, der Beschwerdeführer bezeichne die Behörde unrichtig, weil die Bundespolizeidirektion Wien am angegebenen Ort und zur angegebenen Zeit keine Amtshandlung mit dem Beschwerdeführer durchgeführt habe. Auf ein diesbezügliches Ersuchen der belangten Behörde teilte die Bundespolizeidirektion Wien weiters mit, dass die gegenständliche Amtshandlung - nach dem dortigen Informationsstand - von der MÜG-Zollwache A. durchgeführt worden sei.
Die belangte Behörde brachte diese Mitteilungen dem Beschwerdeführer mit Erledigung vom "zur Kenntnis".
In seiner, nunmehr die "Republik Österreich Bundespolizeidirektion Wien und Finanzlandesdirektion f. Oberösterreich" als durch die Maßnahmenbeschwerde belangte Behörden bezeichnenden Stellungnahme vom brachte der Beschwerdeführer vor, als (durch die Maßnahmenbeschwerde) belangte Behörde sei die Bundespolizeidirektion Wien gewählt worden, weil die Amtshandlung in Wien von Beamten dieser Bundespolizeidirektion durchgeführt worden sei. Die Beschwerde richte sich auch gegen die Finanzlandesdirektion für Oberösterreich, Zollverwaltung, MÜG-Zollwache A. als belangte Behörde, die laut dem Brief der Bundespolizeidirektion Wien ebenfalls an der gegenständlichen Amtshandlung beteiligt gewesen sei.
In der Folge stellte die belangte Behörde fernmündliche Erhebungen bei der Zollwache A. an, denen zufolge die beschwerdegegenständliche Amtshandlung von Beamten der Mobilen Überwachungsgruppe A. gesetzt worden sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde über die Beschwerde "wegen behaupteter Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien infolge einer am erfolgten Festnahme, Anhaltung und Röntgenuntersuchung sowie Zerschneidens von Gepäckstücken" wie folgt ab:
"Gemäß § 67a Abs. 1 Z 2 iVm § 67c Abs. 3 AVG wird die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen.
Der Antrag des Beschwerdeführers auf Ersatz von Aufwendungen wird gemäß § 79a AVG als unbegründet abgewiesen."
Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges aus, sie habe bei der Zollwache A. eruiert, dass "tatsächlich von da. die vom BF in Beschwerde gezogene Amtshandlung geführt worden und die BPD Wien an der Amtshandlung in keiner Weise beteiligt gewesen" sei. In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, gemäß § 67c Abs. 2 Z 2 AVG sei im Beschwerdeschriftsatz - soweit dies zumutbar sei - anzugeben, welches Organ den angefochtenen Verwaltungsakt gesetzt habe und welcher Behörde dieser zuzurechnen sei. Der Beschwerdeschrift sei zu entnehmen, dass der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer die gegenständliche Amtshandlung unzweifelhaft der Bundespolizeidirektion Wien zugerechnet habe, weil er diese ausdrücklich (sowohl auf dem Deckblatt des Schriftsatzes als auch in den darin befindlichen Ausführungen) als (durch die Maßnahmenbeschwerde) belangte Behörde bezeichnet habe. Wie sich jedoch aus den Antwortschreiben der BPD Wien und den Erhebungen des UVS bei der Mobilen Überwachungsgruppe der Zollwache A. ergebe, sei die BPD Wien "weder als belangte Behörde anzusehen" noch in irgendeiner sonstigen Weise an der in Beschwerde gezogenen Amtshandlung beteiligt gewesen. Somit sei "die gegenständliche Beschwerde" wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt "nicht der Bundespolizeidirektion Wien zuzurechnen". Abgesehen davon, dass die am bei der belangten Behörde eingelangte Stellungnahme mit der darin enthaltenen Bezeichnung einer anderen belangten Behörde (Finanzlandesdirektion für Oberösterreich) außerhalb der sechswöchigen Beschwerdefrist, also verspätet eingebracht worden sei, sei auch diese Bezeichnung verfehlt. Vielmehr seien die gerügten Verwaltungsakte jener Behörde zuzurechnen, deren Vollziehungsgewalt die einschreitenden Zollwachebeamten gehandhabt hätten. Im vorliegenden Fall seien die in Beschwerde gezogenen Maßnahmen dem Hauptzollamt Linz zuzurechnen. Die Bezeichnung der richtigen belangten Behörde sei im vorliegenden Beschwerdefall nicht mit derartigen Schwierigkeiten verbunden gewesen, dass es dem rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführer nicht möglich gewesen wäre, innerhalb der sechswöchigen Beschwerdefrist jene Behörde zu benennen, der die gegenständliche Amtshandlung tatsächlich zuzurechnen gewesen sei. Eine gegen eine Behörde, der die beschwerdegegenständliche Amtshandlung gar nicht zuzurechnen sei, erhobene Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sei "nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zurückzuweisen (vgl. z.B. Zl. 90/01/0208)". Darüber hinaus sei die belangte Behörde zur Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde auch gar nicht zuständig gewesen. Die Maßnahme der Zollorgane gegen den Beschwerdeführer sei im Rahmen der allgemeinen Zollaufsicht erfolgt, weil gegen den Beschwerdeführer der Verdacht des Suchtgiftschmuggels bestanden habe. Es sei offensichtlich, dass gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Zollorgane nach § 85a ZollR-DG der Rechtsbehelf der Berufung beim örtlich zuständigen Hauptzollamt offen stehe. Der Beschwerdeführer hätte im vorliegenden Fall eine Berufung beim Hauptzollamt Linz einbringen müssen statt die belangte Behörde anzurufen. Die gegenständliche Beschwerde sei daher auch mangels Zuständigkeit der belangten Behörde zurückzuweisen gewesen.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde gründete die Zurückweisung der bei ihr erhobenen Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in tatsächlicher Hinsicht darauf, dass die behauptete Maßnahme entgegen den Angaben im Beschwerdeschriftsatz nicht von Organen der Bundespolizeidirektion Wien, sondern von Zollwachebeamten gesetzt worden sei.
Die belangte Behörde verletzte den Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang zunächst dadurch in seinem Recht auf Gehör, dass sie ihm - wie eingangs dargestellt - nur einen Teil der von ihr gewonnenen Ermittlungsergebnisse zur Kenntnis brachte, jedoch das Ergebnis ihrer - für ihre Feststellung, dass nicht Organe der Bundespolizeidirektion Wien, sondern Zollorgane eingeschritten seinen, offenbar wesentlichen - fernmündlichen Ermittlungen bei der Zollwache A. vorenthielt. Die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Feststellungen über das Einschreiten von Zollorganen beruhten daher nicht auf einem mangelfreien Verfahren. Der in der Beschwerde ausdrücklich gerügte Verfahrensmangel ist - mit Rücksicht darauf, dass der Beschwerdeführer in der Beschwerde daran festhält, er sei "von uniformierten Wiener Polizisten ... beamtshandelt" worden und die von der belangten Behörde eingeholte Auskunft der Zollwache müsse aus näher dargestellten Gründen falsch sein - auch nicht ohne Relevanz.
Die belangte Behörde hat es darüber hinaus nicht für erforderlich gehalten, näher zu begründen, warum es dem Beschwerdeführer im Sinne des § 67c Abs. 2 Z 2 AVG zumutbar gewesen sei, zu erkennen, dass die Amtshandlung nicht der Polizei zuzurechnen sei. Wäre ihm dies nicht zumutbar gewesen, so hätte es aber - auch im Falle einer dadurch ausgelösten Fehlerhaftigkeit der in der Maßnahmenbeschwerde enthaltenen Angaben über die einschreitenden Organe und über die Behörde, der deren Verhalten zuzurechnen sei - im Sinne der von Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit (1983), 113, zur damaligen Fassung des § 28 Abs. 1 Z 2 VwGG vertretenen Ansicht der (hier) belangten, vom Beschwerdeführer angerufenen Behörde oblegen, die mit der Maßnahmenbeschwerde bei ihr belangte Behörde "ausfindig zu machen". Eine Zurückweisung der Maßnahmenbeschwerde wegen unzureichender Angaben gemäß § 67c Abs. 2 Z 2 AVG - insofern hätte es zuvor auch eines Vorgehens nach § 13 Abs. 3 AVG bedurft - oder, wie im angefochtenen Bescheid wohl in erster Linie intendiert, mangels Legitimation zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Bundespolizeidirektion Wien wäre dann nicht in Frage gekommen.
Hätte sich in diesem Fall ergeben, dass für die Entscheidung über eine Maßnahmenbeschwerde gegen die Behörde, der die Amtshandlung richtigerweise zuzurechnen sei, nicht die belangte Behörde zuständig sei, so wäre die Beschwerde grundsätzlich nicht zurückzuweisen, sondern an die zuständige Beschwerdeinstanz weiterzuleiten gewesen. Angesichts des Umstandes, dass der Beschwerdeführer daran festhält, es sei ohnehin, wie von ihm schon von Anfang an behauptet, die Polizei eingeschritten, ist auf die - zum Teil auch verfassungsrechtliche Problematik - einer allfälligen weiteren Behandlung der Maßnahmenbeschwerde als "Berufung" im Sinne des § 85a Abs. 1 Z 2 Zollrechts-Durchführungsgesetz beim derzeitigen Stand des Verfahrens aber nicht einzugehen.
Der angefochtene Bescheid war aus den dargestellten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Die im Betrag von S 2.500,-- verzeichnete Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war im Betrag von EUR 181,68 zuzusprechen.
Wien, am