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VwGH vom 09.02.1993, 92/08/0211

VwGH vom 09.02.1993, 92/08/0211

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der W in S, vertreten durch E, Sekretär der Arbeiterkammer für Oberösterreich in Linz, dieser vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des Landesarbeitsamtes Oberösterreich vom , Zl. IVa-AlV-7022-9-B/5151 13066/Vöcklabruck, betreffend Widerruf und Rückforderung von Karenzurlaubsgeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales hat der Bfrin Aufwendungen von S 11.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin bezog nach der Aktenlage (zunächst) vom bis beim Arbeitsamt R Karenzurlaubsgeld. Am langte beim Arbeitsamt eine am zur Post gegebene Verständigung ein, worin die Beschwerdeführerin bekannt gab, daß sie "ab dem verheiratet" ist. In einer am beim Arbeitsamt R aufgenommenen Niederschrift gab die Beschwerdeführerin dazu an, daß sie sich am mit dem Kindesvater verehelicht und nach S (somit in den Sprengel des Arbeitsamtes V) übersiedelt sei. Mit Bescheid vom sprach das Arbeitsamt R daraufhin aus, daß das Karenzurlaubsgeld für den Zeitraum vom bis widerrufen und der Überbezug in der Höhe von S 26.829,-- zurückgefordert werde. Nach der Begründung dieses Bescheides habe die Beschwerdeführerin durch ihre verspätete Meldung den im Spruch angeführten Übergenuß für den dort genannten Zeitraum verschuldet. Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.

Mit Bescheid vom gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin Folge, behob den erstinstanzlichen Bescheid des Arbeitsamtes und sprach in der Begründung dieses Bescheides aus, daß das Arbeitsamt R zur Entscheidung über die Rückforderung nicht zuständig sei, da die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz in den Sprengel des Arbeitsamtes V verlegt habe. Unter einem ergingen entsprechende Weisungen an die genannten Arbeitsämter.

Mit Bescheid vom 27. Feber 1992 hat das Arbeitsamt V das von der Beschwerdeführerin bezogene Karenzurlaubsgeld für die Zeit vom bis widerrufen und die Beschwerdeführerin gemäß § 25 Abs. 1 AlVG 1977 sowie § 58 AlVG 1977 in Verbindung mit § 50 Abs. 1 AlVG 1977 zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Karenzurlaubsgeldes in der Höhe von S 25.853,-- verpflichtet. Auch gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom hat die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin nicht stattgegeben und ausgesprochen, daß das Karenzurlaubsgeld gemäß § 24 Abs. 1 in Verbindung mit § 29 Abs. 1 sowie den §§ 44 und 58 AlVG rückwirkend mit eingestellt und die in der Zeit vom 13. April bis zu Unrecht empfangene Leistung im Gesamtbetrag von S 25.853,-- gemäß § 25 Abs. 1 in Verbindung mit § 29 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung vorgeschrieben werde. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, die Beschwerdeführerin habe in ihrer Berufung vorgebracht, ihr Akt sei zwar nach Meldung des Wohnungswechsels an das Arbeitsamt V abzutreten gewesen, die Verletzung der Anzeigepflicht des § 50 AlVG berechtige jedoch noch nicht zum Widerruf. Gemäß § 25 Abs. 1 AlVG sei die Beschwerdeführerin nur zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten. Dies entspreche dem Betrag von S 80,80 täglich, da sie hätte erkennen müssen, daß ihr nur noch das Karenzurlaubsgeld für verheiratete Mütter zustehe. Deshalb sei - so die Wiedergabe der Berufungsgründe im angefochtenen Bescheid - die Rückzahlungsverpflichtung auf S 8.564,80 einzuschränken (die Berufungsschrift der Beschwerdeführerin selbst ist in den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten nicht enthalten). Nach Zitierung der von der belangten Behörde angewendeten Rechtsvorschriften führte die belangte Behörde zu diesem Berufungsvorbringen aus, daß mit der Übersiedlung der Beschwerdeführerin in den Bezirk V das Arbeitsamt R im Hinblick auf § 44 und § 58 AlVG seine Zuständigkeit verloren habe. Mit dem Wegfall der Zuständigkeit fehle es aber auch an einer Voraussetzung für den Bezug von Karenzurlaubsgeld beim Arbeitsamt R, weshalb der Leistungsbezug mit gemäß § 24 Abs. 1 in Verbindung mit § 29 Abs. 1 AlVG einzustellen gewesen sei. Am habe die Beschwerdeführerin beim zuständigen Arbeitsamt in V die Zuerkennung von Karenzurlaubsgeld beantragt, worauf ihr die Leistung "im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten ab " gewährt worden sei. In der Zeit vom bis (106 Tage a S 243,90) habe die Beschwerdeführerin das Karenzurlaubsgeld allerdings zu Unrecht bezogen. Da die Beschwerdeführerin ihren Überbezug "in Mißachtung der bestehenden Meldepflicht (siehe § 50 AlVG)" verursacht habe, sei der Übergenuß von S 25.853,-- vom Arbeitsamt zu Recht zur Rückzahlung vorgeschrieben worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Bestimmungen über das Karenzurlaubsgeld finden sich im Abschnitt 2 (§§ 26 bis 32) des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977; gemäß § 29 Abs. 1 leg. cit. sind auf das Karenzurlaubsgeld u.a. die Bestimmungen des § 24 und § 25 (Einstellung und Berichtigung des Arbeitslosengeldes) sinngemäß anzuwenden. Der Abschnitt 2 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes ist Teil von dessen Artikel II, der die LEISTUNGEN der Arbeitslosenversicherung regelt. Art. III dieses Gesetzes regelt hingegen das VERFAHREN, wobei sich die Zuständigkeit der Arbeitsämter und Landesarbeitsämter gemäß § 44 in Angelegenheiten "die den Dienstnehmer berühren, nach dessen Wohnsitz, mangels eines solchen nach dessen gewöhnlichem Aufenthaltsort" richten. Gemäß § 50 Abs. 1 ist, wer Arbeitslosengeld bezieht, verpflichtet, den Eintritt in ein Arbeitsverhältnis, jede andere für das Fortbestehen und das Ausmaß eines Anspruches maßgebende Änderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse sowie jede Wohnungsänderung dem Arbeitsamt ohne Verzug, spätestens jedoch binnen einer Woche seit dem Eintritt des Ereignisses anzuzeigen.

Gemäß § 58 leg. cit. ist auf das Verfahren in Angelegenheiten des Karenzurlaubsgeldes dieser Artikel (somit auch die §§ 44 und 50) mit Ausnahme der §§ 48 und 49 sinngemäß anzuwenden.

Gemäß § 24 Abs. 1 AlVG ist (zufolge sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmung) Karenzurlaubsgeld einzustellen, wenn eine der VORAUSSETZUNGEN FÜR DEN ANSPRUCH wegfallen; wenn sich eine für das Ausmaß des Karenzurlaubsgeldes maßgebende Voraussetzung ändert, ist es neu zu bemessen.

Gemäß § 25 Abs. 1 leg. cit. ist bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung der Empfänger zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen mußte, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.

Die Voraussetzungen des Anspruches auf Karenzurlaubsgeld sind in § 26 und § 26a AlVG umschrieben. Aus diesen Bestimmungen ist nicht erkennbar, daß die Aufrechterhaltung des Wohnsitzes im Sprengel des Arbeitsamtes, das die Leistung zuerkannt hat, als (weitere) Voraussetzung für die weitere Gewährung von Karenzurlaubsgeld anzusehen wäre (dies trifft im übrigen auch auf die übrigen in den Abschnitten 1, 3, 4 und 5 geregelten Geldleistungen zu; hinsichtlich der Bedeutung der Zuständigkeit des Arbeitsamtes bei der Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 196/80).

§ 24 Abs. 1 AlVG setzt für die Einstellung des Karenzurlaubsgeldes voraus, daß eine der Voraussetzungen für den Anspruch wegfällt. Aus der gesamten Systematik des Arbeitslosenversicherungsgesetzes ist nicht der geringste Hinweis darauf zu entnehmen, daß der Wechsel der Zuständigkeit des Arbeitsamtes zufolge Übersiedlung eine jener Voraussetzungen darstellen könnte, unter denen der Anspruch auf Karenzurlaubsgeld "wegfällt". Dies liegt auch deshalb nicht nahe, weil im § 51 AlVG ausdrücklich geregelt ist, daß die Auszahlung der Leistungen nach diesem Bundesgesetz grundsätzlich dem Bundesrechenamt obliegen, sodaß mit dem Wechsel der Zuständigkeit des Arbeitsamtes nicht einmal eine Änderung in der Zuständigkeit zur Auszahlung des Arbeitslosengeldes eintritt. Eine Vermittlung der (beschäftigungslosen) Bezieherin von Karenzurlaubsgeld durch das (zuständige) Arbeitsamt kommt von vornherein nicht in Betracht, sodaß auch dieser Gesichtspunkt als denkbare Begründung für die Rechtsauffassung der belangten Behörde ausscheidet. Eine Wohnungsänderung ist im Zusammenhang mit dem Bezug von Karenzurlaubsgeld zwar in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung und daher auch bei sinngemäßer Anwendung des § 50 Abs. 1 AlVG 1977 anzuzeigen. Dies bedeutet aber nicht, daß schon die Verletzung dieser Meldepflicht das Arbeitsamt bereits zur Einstellung des Karenzurlaubsgeldes berechtigt. Die Meldepflichtverletzung ist vielmehr nur eine von mehreren, alternativen Voraussetzungen für die Rückforderung im Sinne des § 25 Abs. 1 AlVG. Grundvoraussetzung dafür, daß eine Rückforderung aber überhaupt in Betracht kommt, ist das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Leistungsänderung im Sinne des § 24 AlVG. Da von einem bloßen Wechsel der Zuständigkeit des Arbeitsamtes die Voraussetzungen für die Gewährung von Karenzurlaubsgeld nach dem Abschnitt 2 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, soweit sie für den Grund des Anspruches von Bedeutung sind, unberührt bleiben, erfolgte schon deshalb der Widerruf des Karenzurlaubsgeldes ZUR GÄNZE für den beschwerdegegenständlichen Zeitraum zu Unrecht. Da die belangte Behörde Feststellungen darüber, in welchem Ausmaß der Widerruf und die Rückforderung des Karenzurlaubsgeldes im Hinblick auf die Verehelichung der Beschwerdeführerin vorzunehmen sind, nicht getroffen hat, war der angefochtene Bescheid zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.