VwGH vom 30.01.1989, 87/10/0131

VwGH vom 30.01.1989, 87/10/0131

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Waldner und Dr. Sittenthaler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kirchner, über die Beschwerde des MR in I, vertreten durch Dr. Kurt Waneck, Rechtsanwalt in Wien I, Schellinggasse 5, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom , Zl. IV-2552/2-1987, betreffend Versagung einer naturschutzbehördlichen Bewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer begehrte mit dem am beim Amt der Burgenländischen Landesregierung eingelangten Antrag eine "Rodungsbewilligung" für die auf einem ihm gehörigen, näher bezeichneten Grundstück stehenden Bäume und Sträucher mit der Begründung, dass das Grundstück in einer Weingartenried liege und der Beschwerdeführer einen Weingarten auspflanzen wolle. In seiner schriftlichen Stellungnahme vom zu den eingeholten Gutachten der Amtssachverständigen für Natur- und Landschaftsschutz wies der Beschwerdeführer auch auf seine ungünstige wirtschaftliche Lage hin und erklärte sich "auch zu Kompromissen" bereit, wie z.B. nur den Baumbestand zu erhalten, das Grundstück zu verpachten oder ein Ersatzgrundstück "auszupflanzen".

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde gemäß § 6 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 der Natur- und Landschaftsschutzverordnung Neusiedlersee (LGBl. Nr. 22/1980, im folgenden: NSchVO) das Ansuchen des Beschwerdeführers um naturschutzbehördliche Ausnahmebewilligung zur Schlägerung einer Baumgruppe auf dem ihm gehörigen, näher bezeichneten Grundstück ab und erteilte nicht die naturschutzbehördliche Ausnahmebewilligung.

In der Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung der angeführten Bestimmungen der NSchVO, des Ansuchens des Beschwerdeführers, einer wörtlichen Wiedergabe der Gutachten der Amtssachverständigen für Naturschutz und für Landschaftsschutz aus, die beabsichtigte Schlägerung stelle, wie aus dem Gutachten des Naturschutzsachverständigen klar und deutlich zu entnehmen sei, einen Eingriff dar, der geeignet sei, die Natur zu schädigen. Er würde die Vernichtung eines für diese Gegend seltenen Biotopes, nämlich des Lebensraumes für einige gänzlich geschützte Vogelarten, deren Habitate durch die landwirtschaftliche Nutzung ohnehin bereits stark eingeschränkt seien, bedeuten. Aus der Sicht des Landschaftsschutzes stelle die geplante Maßnahme eine Veränderung und Beschädigung des Landschaftsbildes dar, die überdies geeignet sei, das Landschaftsbild zu verunstalten und den Naturgenuss zu beeinträchtigen, da die gegenständliche Baumgruppe ein belebendes Element der an hoher Vegetation armen Landschaft darstelle. Es sei deshalb das öffentliche Interesse des Naturschutzes, welches der Erhaltung solcher Biotope größte Bedeutung beimesse, über die vom Bewilligungswerber geltend gemachten Interessen zu stellen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Es ist unbestritten, dass das gegenständliche Grundstück vom Schutzgebiet des § 1 Abs. 2 Z. I, 5 NSchVO erfasst ist, deren § 1 Abs. 1 den Neusiedlersee und seine Umgebung zum Landschaftsschutzgebiet sowie zum Teilnaturschutzgebiet (Pflanzen- , Tier- und Vogelschutzgebiet) erklärt.

Nach § 2 Einleitungssatz NSchVO ist es innerhalb des in § 1 bezeichneten Gebietes verboten, Landschaftsteile zu verändern, zu beschädigen oder zu beseitigen oder überhaupt Eingriffe vorzunehmen, die geeignet sind, die Natur zu schädigen, den Naturgenuss zu beeinträchtigen, das Landschaftsbild zu verunstalten oder die Sicht auf den See und die Zugänglichkeit des Seeufers zu erschweren oder zu unterbinden.

Was zunächst den Einwand anlangt, es mangle an der Eingriffsqualität, so vermag der Verwaltungsgerichtshof die oben dargestellte Ansicht der belangten Behörde nicht als rechtswidrig zu erkennen. Der Beschwerdeführer übersieht mit seinem Vorbringen, dass das in Rede stehende Gebiet durch die NSchVO nicht nur zu einem Naturschutzgebiet, sondern auch zu einem Landschaftsschutzgebiet erklärt wurde.

§ 4 Abs. 1 NSchVO normiert, dass u.a. die übliche land- und forstwirtschaftliche Nutzung unberührt bleibt.

Die belangte Behörde hat sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht mit der zuletzt genannten Regelung auseinander gesetzt, doch ist dieser Begründungsmangel nicht wesentlich, weil die Schlägerung einer Baumgruppe zur Umwandlung der davon betroffenen Fläche in eine Weinanbaufläche, entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers, keine "übliche" landwirtschaftliche Nutzung darstellt. Die vom Beschwerdeführer beabsichtigte Maßnahme ist die notwendige Voraussetzung zur Anlegung eines Weingartens (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/10/0091) und damit nicht dem genannten Begriff "übliche landwirtschaftliche Nutzung zu subsumieren. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang erstmals in der Beschwerde vorbringt, das in Rede stehende Grundstück sei jahrelang als Weingarten bewirtschaftet gewesen und nur aus weinbautechnischen Gründen unbewirtschaftet geblieben, kann darauf im Hinblick auf das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG nicht eingegangen werden.

Nach § 6 Abs. 1 NSchVO kann die Landesregierung im Einzelfall Ausnahmen von den in den §§ 2, 4 und 5 angeordneten Verboten und Beschränkungen mit Bescheid bewilligen, wenn der Eingriff aus Gründen naturwissenschaftlicher Forschung oder für Heilzwecke oder aus volkswirtschaftlichen Interessen erforderlich ist.

Die Fälle der Eingriffe aus Gründen naturwissenschaftlicher Forschung oder für Heilzwecke haben im Beschwerdefall außer Betracht zu bleiben. Bei Prüfung der Frage, ob volkswirtschaftliche Interessen vorliegen, ist, da die genannte Bestimmung diesen Begriff nicht umschreibt, auf das burgenländische Naturschutzgesetz, LGBl. Nr. 23/1961 in der Fassung der Novelle Nr. 9/1974 (in der Folge: NSchG), zurückzugreifen.

§ 15 Abs. 4 NSchG normiert, dass die Landesregierung in Teilnaturschutzgebieten im Einzelfall Ausnahmen von den nach Abs. 2 angeordneten Verboten und Beschränkungen mit Bescheid bewilligen kann, wenn der Eingriff aus Gründen naturwissenschaftlicher Forschung oder für Heilzwecke oder aus volkswirtschaftlichen Interessen erforderlich ist.

Volkswirtschaftliche Interessen liegen insbesondere dann vor, wenn die beabsichtigten Eingriffe der üblichen land- und forstwirtschaftlichen Nutzung ... dienen.

Gemäß § 19 Abs. 6 NSchG kann die Landesregierung in Landschaftsschutzgebieten im Einzelfall Ausnahmen von den nach Abs. 1 angeordneten Verboten bewilligen, soweit solche Ausnahmen aus wissenschaftlichen oder volkswirtschaftlichen Interessen oder für Heilzwecke erforderlich sind. Für diese Ausnahmebewilligungen ist § 15 Abs. 5 und 6 sinngemäß anzuwenden.

Wenn auch die letztgenannte Regelung keine Umschreibung des Begriffes "volkswirtschaftliches Interesse" enthält, so geht aus dem Verweis dieser Gesetzesstelle auf die Regelungen des § 15 Abs. 5 und 6 NSchG in Verbindung mit der in der erstgenannten Vorschrift enthaltenen Bezugnahme auf § 15 Abs. 4 leg. cit. mit hinreichender Deutlichkeit hervor, dass nach den Intentionen des Gesetzgebers unter dem in § 19 Abs. 6 NSchG verwendeten Begriff "volkswirtschaftliche Interessen" derselbe zu verstehen ist wie im § 15 Abs. 4 zweiter Satz NSchG. Daher liegen volkswirtschaftliche Interessen auch im Zusammenhang mit dem Landschaftsschutz insbesondere dann vor, wenn die beabsichtigten Eingriffe der "üblichen landwirtschaftlichen Nutzung" dienen. Allerdings kam, selbst wenn die beabsichtigte Maßnahme der üblichen landwirtschaftlichen Nutzung diente, eine Ausnahmegenehmigung nur dann in Betracht, wenn sie überdies erforderlich war (vgl. § 6 Abs. 1 NSchVO). Für eine Interessenabwägung ist nach dieser Rechtslage kein Raum.

Da die Behörde zu Unrecht vorweg auf das Interesse des Naturschutzes und Landschaftsschutzes abgestellt hatte und - offenbar in Verkennung der Rechtslage - das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes des § 6 Abs. 1 NSchVO überhaupt nicht untersuchte -, ist der Bescheid inhaltlich rechtswidrig.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine im "volkswirtschaftlichen Interesse" gründende Ausnahmebewilligung behauptete der Beschwerdeführer insoweit implizit, als er vorbrachte, er sei durch das Erfrieren von Weinstöcken in den vergangenen Wintern gezwungen, Neupflanzungen vorzunehmen; nach der Bodenbeschaffenheit sei das betroffene Grundstück geradezu prädestiniert, bessere Weinqualitäten zu erzeugen. Ob die Schlägerung der Baumgruppe der üblichen landwirtschaftlichen Nutzung durch den Beschwerdeführer dient und überdies erforderlich ist, lässt sich den Akten wie auch dem angefochtenen Bescheid nicht einmal andeutungsweise entnehmen.

Für das fortgesetzte Verfahren sei darauf verwiesen, dass die belangte Behörde nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides nur über den die Baumgruppe betreffenden Teil des Begehrens und nicht über die Sträucher abgesprochen hat. Dies ist umsoweniger verständlich, als der Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom einen Kompromissvorschlag gegenteiligen Inhalts gemacht hat. Die belangte Behörde wird darzulegen haben, warum sie von einer Trennbarkeit des Abspruches ausgeht und weshalb sie diese Vorgangsweise für zweckmäßig erachtet.

Nach den vorstehenden Ausführungen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Das Mehrbegehren betreffend Schriftsatzaufwand und Stempelgebührenersatz war abzuweisen, da der pauschalierte Schriftsatzaufwand lediglich S 9.270,-- beträgt und die Vorlage weiterer Beilagen (mit Ausnahme des angefochtenen Bescheides) zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich war.

Wien, am