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VwGH vom 18.04.2002, 2001/01/0120

VwGH vom 18.04.2002, 2001/01/0120

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schimetits, über die Beschwerde des SSEAS in K, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/I, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom , Zl. 1W-PERS-899/6-2001, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Bundesland Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) ab. Der Beschwerdeführer, ein ägyptischer Staatsangehöriger, befinde sich seit 1989 im Bundesgebiet und sei als Zeitungskolporteur beschäftigt. Gemäß Stellungnahme der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten seien über ihn nachstehende rechtskräftige Verwaltungsstrafen verhängt worden:

"1. Straferkenntnis vom , Zl. GW-303/606/97; wegen Übertretung der §§ 366 Abs. 1 Ziff. 1 iVm § 5 Abs. 3 GewO 1994 (unbefugte Gewerbeausübung - Rosenverkauf) S 500,--;

2. Straferkenntnis vom , Zl. GW-303/165/98; wegen Übertretung der §§ 366 Abs. 1 Ziff. 1 iVm § 5 Abs. 3 und § 1 Abs. 4 GewO 1994 (unbefugte Gewerbeausübung - Rosenverkauf)

S 1.000,--;

3. Straferkenntnis vom , Zl. GW-303/420/458/99;

wegen Übertretung der §§ 366 Abs. 1 Ziff. 1 iVm § 5 Abs. 3 und § 1 Abs. 4 GewO 1994 (unbefugte Gewerbeausübung - Rosenverkauf)

S 3.000,--;

4. Straferkenntnis vom , Zl. GW-303/177/99, rk. , wegen Übertretung der §§ 366 Abs. 1 Ziff. 1 iVm §§ 1 Abs. 4 und 5 Abs. 3 GewO 1994 (unbefugte Gewerbeausübung)

S 3.000,--."

Darüber hinaus existiere eine verwaltungsstrafrechtliche Vormerkung vom wegen § 64 Abs. 1 KFG (unberechtigtes Lenken eines Kraftfahrzeuges) "in Höhe von S 2.000,--". Weiters habe dem Erhebungsbericht entnommen werden können, dass der Beschwerdeführer beim Amt der Kärntner Landesregierung um die Gleichstellung mit Inländern zum Zweck der Ausübung des freien Gewerbes "Verkauf von Schnittblumen im Umherziehen" angesucht habe; dieses Ansuchen sei jedoch mit Bescheid vom "mangels Bedarfes" abgewiesen worden.

Wie erwähnt sei der Beschwerdeführer im Zeitraum 1997 bis 1999 einmal nach dem KFG wegen unberechtigten Lenkens eines Fahrzeuges und viermal wegen Übertretung gewerberechtlicher Vorschriften bestraft worden. Die Verurteilungen wegen unbefugter Gewerbeausübung würden umso schwerer wiegen, als es dem Beschwerdeführer spätestens nach seiner ersten Verurteilung hätte klar sein müssen, dass seine Tätigkeiten als Rosenverkäufer Verstöße gegen die Gewerbeordnung darstellten. Trotzdem habe er sich von seinem unrechtmäßigen Handeln nicht abhalten lassen, weder Geldstrafen noch eine bescheidmäßige Ablehnung seines Antrages auf Gleichstellung mit Inländern zum Zwecke der Ausübung des freien Gewerbes "Verkauf von Schnittblumen im Umherziehen" hätten dies bewirken können. Insgesamt habe sich daher bei der Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des Beschwerdeführers der Eindruck ergeben, dass die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG nicht gegeben zu sein scheine. Das Verhalten des Einbürgerungswerbers lasse befürchten, dass er sich auch in Zukunft nicht an wesentliche Rechtsvorschriften halten werde und dass daher insgesamt eine bejahende Einstellung zur Republik Österreich unter Achtung ihrer Gesetze nicht gegeben sei.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde hat den Verleihungsantrag des Beschwerdeführers allein deshalb abgewiesen, weil die Verleihungsvoraussetzung nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG nicht gegeben sei. Die genannte Bestimmung - in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998 - lautet wie folgt:

"Verleihung

§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft kann einem Fremden verliehen werden, wenn

...

6. er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet;

..."

Die belangte Behörde gelangte auf Grund der insgesamt fünf vom Beschwerdeführer gesetzten Verwaltungsübertretungen - wobei sie sich insbesondere auf die vier Übertretungen der GewO 1994 stützte - zu dem Schluss, dass "er sich auch in Zukunft nicht an wesentliche Rechtsvorschriften halten wird und daher insgesamt eine bejahende Einstellung zur Republik Österreich unter Achtung seiner Gesetze nicht gegeben ist". Sie hat damit ausdrücklich auf den ersten Fall des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG abgestellt, ungeachtet dessen, dass sich die dort geforderte positive Einstellung zur Republik Österreich auf die politische Gesinnung eines Einbürgerungswerbers bezieht - Derartiges hatte die belangte Behörde zweifelsohne nicht vor Augen - und dass dieser Fall (nur) gewährleisten soll, dass nicht Personen mit antidemokratischer Einstellung in den österreichischen Staatsverband aufgenommen werden (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/01/0430). Durch diese Verkennung der Rechtslage wäre der Beschwerdeführer freilich nicht in Rechten verletzt, wenn die Schlussfolgerung zuträfe, er werde sich auch in Zukunft nicht an wesentliche Rechtsvorschriften halten, und wenn damit weiter der zweite Fall des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG erfüllt würde, er also keine Gewähr dafür böte, dass er weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interesse gefährde.

Wie die belangte Behörde richtig erkannte, ist bei Prüfung der Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG vom Gesamtverhalten des Einbürgerungswerbers auszugehen, welches wesentlich durch das sich aus der Art, Schwere und Häufigkeit der von ihm begangenen Straftaten ergebende Charakterbild bestimmt ist. Hiebei stellt der Gesetzgeber nicht auf formelle Gesichtspunkte ab, sondern es ist lediglich maßgebend, ob es sich um Rechtsbrüche handelt, die den Schluss rechtfertigen, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung oder - so zu ergänzen seit der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998 - andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen erlassene Rechtsvorschriften missachten (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 99/01/0323, oder vom , Zl. 99/01/0377).

Die von der belangten Behörde primär ins Treffen geführten vier Übertretungen der GewO 1994 (nach den §§ 366 Abs. 1 Z 1 iVm

§ 5 Abs. 3 und - mit Ausnahme des ersten Straferkenntnisses -

§ 1 Abs. 4) erfolgten nach den im bekämpften Bescheid getroffenen

Feststellungen bzw. nach der Aktenlage allesamt deshalb, weil der Beschwerdeführer unbefugt das freie Gewerbe "Verkauf von Schnittblumen im Umherziehen" ("Rosenverkauf") ausübte. Die erwähnten Vorschriften der GewO 1994, und ergänzend § 14 leg. cit., lauten wie folgt:

"§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt, soweit nicht die §§ 2 bis 4 anderes bestimmen, für alle gewerbsmäßig ausgeübten und nicht gesetzlich verbotenen Tätigkeiten.

(2) Eine Tätigkeit wird gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, gleichgültig für welche Zwecke dieser bestimmt ist; ...

(3) ...

(4) Auch eine einmalige Handlung gilt als regelmäßige Tätigkeit, wenn nach den Umständen des Falles auf die Absicht der Wiederholung geschlossen werden kann oder wenn sie längere Zeit erfordert. Das Anbieten einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit an einen größeren Kreis von Personen oder bei Ausschreibungen wird der Ausübung des Gewerbes gleichgehalten.

...

§ 5. (1) Soweit dieses Bundesgesetz hinsichtlich einzelner Gewerbe nicht anderes bestimmt, dürfen Gewerbe bei Erfüllung der allgemeinen und der etwa vorgeschriebenen besonderen Voraussetzungen auf Grund der Anmeldung des betreffenden Gewerbes (§ 339) ausgeübt werden.

(2) ...

(3) Tätigkeiten im Sinne des § 1 Abs. 1, die nicht als Handwerke (§ 94), gebundene Gewerbe (§§ 124 und 127) oder Teilgewerbe (§ 31 Abs. 4), ausdrücklich angeführt sind, sind freie Gewerbe. Unbeschadet allfälliger Ausübungsvorschriften ist für diese kein Befähigungsnachweis zu erbringen.

...

§ 14. (1) Ausländische natürliche Personen dürfen, sofern dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, Gewerbe wie Inländer ausüben, wenn dies in Staatsverträgen festgelegt worden ist oder wenn der Bezirksverwaltungsbehörde nachgewiesen wurde, dass österreichische natürliche Personen in dem Heimatstaat des Ausländers bei der Ausübung des betreffenden Gewerbes keinen anderen wie immer gearteten Beschränkungen unterliegen als die Angehörigen dieses Staates (Gegenseitigkeit).

(2) Angehörige eines Staates, hinsichtlich dessen diese Gegenseitigkeit nicht nachgewiesen werden kann, und Staatenlose bedürfen für die Ausübung des Gewerbes einer Gleichstellung mit Inländern durch den Landeshauptmann. Die Gleichstellung ist auszusprechen, wenn nachgewiesen wird, dass die Ausübung des Gewerbes durch den Ausländer oder Staatenlosen im volkswirtschaftlichen Interesse liegt und nicht den sonstigen öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

...

§ 366. (1) Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe ... zu bestrafen ist, begeht, wer

1. ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben;

..."

Im Hinblick auf den im bekämpften Bescheid erwähnten und in den Akten des Verwaltungsverfahrens erliegenden Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom , mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf Gleichstellung mit Inländern zum Zweck der Ausübung des freien Gewerbes "Verkauf von Schnittblumen im Umherziehen" gemäß § 14 Abs. 2 GewO 1994 abgewiesen worden ist, war die mangelnde Befugnis des Beschwerdeführers zur Ausübung des gegenständlichen Gewerbes offensichtlich darin begründet, dass er ausländischer Staatsbürger ist und weder die Voraussetzung der Gegenseitigkeit (§ 14 Abs. 1 GewO 1994) noch jene der Gleichstellung (§ 14 Abs. 2 leg. cit.) erfüllte. Jedenfalls lässt sich weder den Verwaltungsakten noch dem bekämpften Bescheid ein anderer Grund hiefür entnehmen. Die vom Beschwerdeführer gesetzten Übertretungen der GewO 1994 waren daher zweifellos nicht dergestalt, dass sie das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit oder die öffentliche Ruhe und Ordnung gefährdeten. Angesichts des bei der Gleichstellung wesentlichen volkswirtschaftlichen Interesses ist allerdings zu prüfen, ob die in Frage stehende unbefugte Gewerbeausübung unter dem nach Art. 8 Abs. 2 EMRK maßgeblichen Gesichtspunkt des "wirtschaftlichen Wohles des Landes" eine Rolle spielen kann. Das ist indes im konkreten Fall zu verneinen, weil einem "unbefugten Rosenverkauf" nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes typischerweise doch eher bloß Bagatellcharakter zukommt. Anderes könnte gelten, wenn der Beschwerdeführer den "unbefugten Rosenverkauf" in großem Umfang organisiert hätte, wofür vorliegend jedoch kein Hinweis besteht (vgl. auch die Erwähnung des § 1 Abs. 4 GewO 1994 in den Straferkenntnissen aus 1998 und 1999, was auf eine bloß einmalige Handlung hindeutet).

Haben die Übertretungen der GewO 1994 nach dem Gesagten keine wesentliche Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen bewirkt, so erweist sich aber der Schluss als nicht zulässig, der Beschwerdeführer werde "sich auch in Zukunft nicht an wesentliche Rechtsvorschriften" - im oben dargestellten speziellen Sinn - halten. Auch aus dem Umstand der wiederholten Tatbegehung lässt sich für sich betrachtet diese Prognose nicht ableiten (vgl. zu gehäuften Verwaltungsübertretungen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/01/0135; vgl. außerdem, ebenfalls zu wiederholten Übertretungen der GewO 1994, das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/01/0059). Damit bleibt nur auf die Verwaltungsübertretung nach § 64 Abs. 1 KFG einzugehen. Diese lag allerdings bei Erlassung des bekämpften Bescheides zumindest drei Jahre - Näheres wurde nicht festgestellt und lässt sich auch den Verwaltungsakten nicht entnehmen - zurück. Außerdem ist sie während des mehr als 12-jährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich ein Einzelfall geblieben, weshalb im Ergebnis die Ansicht der belangten Behörde, es sei vorliegend die Verleihungsvoraussetzung gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG nicht erfüllt, mit dem Gesetz nicht in Einklang steht.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am