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VwGH vom 28.09.2000, 2000/09/0084

VwGH vom 28.09.2000, 2000/09/0084

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-07/A/37/676/1998/10, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom (schriftliche Ausfertigung vom ) wurde der Beschwerdeführer der Begehung von zehn Verwaltungsübertretungen nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl Nr. 218/1975 idF BGBl. Nr. 450/1990 - AuslBG - dahingehend schuldig erkannt, er habe es als Vorstand und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der P Hochbau Aktiengesellschaft mit dem Sitz in W zu verantworten, dass diese Gesellschaft zumindest am auf einer Baustelle in Wien zehn namentlich genannte, von der L Bauges.m.b.H. überlassene Arbeitskräfte beschäftigt habe, obwohl für diese weder gültige Beschäftigungsbewilligungen erteilt noch für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnisse oder Befreiungsscheine ausgestellt gewesen seien. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über den Beschwerdeführer nach dem dritten Strafsatz des § 28 Abs. 1 Z. 1 AuslBG idF BGBl. Nr. 895/1995 zehn Geldstrafen in der Höhe von jeweils S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen jeweils zehn Tage) verhängt.

Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid unter anderem damit, dass der vom Beschwerdeführer namhaft gemachte verantwortliche Beauftragte Ing. St. nicht rechtswirksam zum Tatzeitpunkt bestellt gewesen sei. Ing. St. sei zwar mit Schreiben vom durch die Partnerfirmen der Arbeitsgemeinschaft, nämlich der P Hochbau AG, der I Ges.m.b.H. und der U Bau AG, zum verantwortlichen Beauftragten bestellt worden. Zu seinem Aufgabenbereich habe ua. die Einhaltung der Vorschriften über die Beschäftigung von Ausländern gezählt. Er habe am mittels Unterschrift seine Zustimmung erteilt. Jedoch sei am § 28a Abs. 3 AuslBG in Kraft getreten. Danach werde die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 und 3 VStG für die Einhaltung des AuslBG erst wirksam, nachdem beim zuständigen Arbeitsinspektorat eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des Bestellten eingelangt sei. Im gegenständlichen Fall sei eine Meldung der Bestellung des Ing. St. zum verantwortlichen Beauftragten durch die Partnerfirmen der Arbeitsgemeinschaft bis zum Tatzeitpunkt nicht erfolgt, weshalb nicht von einer rechtswirksamen Bestellung des Ing. St. zum verantwortlichen Beauftragten der P Hochbau AG und somit vom Ausschluss der Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers ausgegangen werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhalts geltend machende Beschwerde. Der Beschwerdeführer bekämpft den oben wiedergegebenen Teil der rechtlichen Beurteilung durch die belangte Behörde. Er ist der Ansicht, dass die Änderung der Rechtslage erst für ab erfolgende Bestellungen gelte, vorher erfolgte Bestellungen jedoch ungeachtet des Umstandes, dass sie dem zuständigen Arbeitsinspektorat nicht mitgeteilt wurde, dennoch weiter wirksam wären.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zum Tatzeitpunkt standen folgende, im gegenständlichen Fall wesentliche Vorschriften in Geltung:

§ 9 VStG idF der Wiederverlautbarung BGBl. 1991/52 lautet:

"(1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

(2) Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt ..., aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als

verantwortliche

Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. ...

...

(4) Verantwortlicher Beauftragter kann nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.

..."

§ 28a Abs. 3 und 4 AuslBG idF BGBl. 1995/895 lauten:

"(3) Die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs 2 und 3 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl Nr 52, in der jeweils geltenden Fassung, für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes wird erst rechtswirksam, nachdem beim zuständigen Arbeitsinspektorat eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des Bestellten eingelangt ist. Dies gilt nicht für die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten auf Verlangen der Behörde gemäß § 9 Abs 2 VStG.

(4) Der Arbeitgeber hat den Widerruf der Bestellung und das Ausscheiden von verantwortlichen Beauftragten nach Abs 3 dem zuständigen Arbeitsinspektorat unverzüglich schriftlich mitzuteilen."

§ 23 Abs. 1 und 3 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 - ArbIG, BGBl. 1993/27, lauten:

"(1) Die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 und 3 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52, in der jeweils geltenden Fassung für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften und für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes wird erst rechtswirksam, nachdem beim zuständigen Arbeitsinspektorat eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des/der Bestellten eingelangt ist. Dies gilt nicht für die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten auf Verlangen der Behörde gemäß § 9 Abs. 2 VStG.

(3) Der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin hat den Widerruf der Bestellung und das Ausscheiden von verantwortlichen Beauftragten nach Abs. 1 dem zuständigen Arbeitsinspektorat unverzüglich schriftlich mitzuteilen."

§ 26 Abs. 3 ArbIG, BGBl. 1993/27, lautet:

"(3) Eine vor dem erfolgte Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 bis 4 VStG für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften gilt nicht für Übertretungen, die nach diesem Zeitpunkt begangen werden, sofern nicht bis zu diesem Zeitpunkt eine Mitteilung an das Arbeitsinspektorat gemäß § 23 Abs. 1 erfolgt."

Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die zuletzt genannten Vorschriften des § 28a Abs. 3 AuslBG und § 23 Abs. 1 ArbIG zu § 9 VStG nicht nur die späteren, sondern auch die spezielleren Normen sind. Denn in ihnen ist eine "Meldepflicht" als über die Tatbestandselemente des § 9 VStG hinausgehende Voraussetzung für die Wirksamkeit der Bestellung verantwortlicher Beauftragter normiert.

Unstrittig ist im gegenständlichen Fall festgestellt worden, dass betreffend Ing. St. vor dem Tatzeitpunkt keine Mitteilung an das zuständige Arbeitsinspektorat im Sinne der in § 28a Abs. 3 AuslBG genannten Voraussetzungen erfolgte.

Gemäß § 1 Abs. 2 VStG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre.

Die Regelung des § 23 Abs. 1 ArbIG war die erste Regelung abweichend von den Vorschriften des VStG für die nach außen wirksame Bestellung verantwortlicher Beauftragter. Die Erläuterungen (RV 813 BlgNR 18. GP, 31f) zu § 23 ArbIG führen aus, dass die Bekanntgabe der Bestellung von verantwortlichen Beauftragten samt Vorlage eines mit einem Datum aus der Zeit vor der Begehung der Tat versehenen Zustimmungsnachweises zunehmend erst während des Strafverfahrens zweiter Instanz, sohin "häufig erst zu einem Zeitpunkt" erfolge, "da dieser" - der Bestellte - "wegen Verjährung nicht mehr verfolgt werden kann". Weiters sei bei Betrieben, "in denen regelmäßig die Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften festgestellt" werde, "zu beobachten, dass für jedes Strafverfahren ein 'neuer' verantwortlicher Beauftragter - während des jeweiligen Strafverfahrens - bekanntgegeben" werde.

Die Änderung des ArbIG erscheine für eine wirksame Durchsetzung des Arbeitnehmerschutzes "unerlässlich". Es wäre zu gewährleisten, dass im Falle einer Übertretung Sanktionen nicht "durch eine entsprechende Gestaltungsmöglichkeit bei der nachträglichen Bekanntgabe von verantwortlichen Beauftragten verhindert werden könne". Dies solle dadurch erreicht werden, dass die "Bestellung von verantwortlichen Beauftragten erst rechtswirksam wird, nachdem beim zuständigen Arbeitsinspektorat eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des/der Bestellten eingelangt ist". Zur Übergangsvorschrift des § 26 Abs. 3 ArbIG besagen die Erläuterungen, dass eine vor Inkrafttreten des ArbIG erfolgte Bestellung von verantwortlichen Beauftragten für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften für die bis zu diesem Zeitpunkt begangenen Übertretungen wirksam bleibe. Für die nach Inkrafttreten des ArbIG begangenen Übertretungen bleiben solche Bestellungen jedoch nur wirksam, wenn die Bestellung den zuständigen Arbeitsinspektorat spätestens zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des ArbIG mitgeteilt wurde. "Ohne entsprechende Meldung verlieren daher die bisher erfolgten Bestellungen ihre Wirksamkeit."

§ 28a Abs. 3 AuslBG wurde mit dem "Antimissbrauchsgesetz" eingeführt. Das Antimissbrauchsgesetz hat generell eine Stärkung der Strafvollzugsbehörden vorgenommen (vgl. zB die Beweislastumkehr in § 28 Abs. 7 AuslBG). Eine Übergangsvorschrift mit einem § 26 Abs. 3 ArbIG vergleichbaren Inhalt existiert nicht.

Wenn der Beschwerdeführer einwendet, es habe im konkreten Fall bereits im Jahre 1995 durch Bestellung des Ing. St. ein nach der damaligen Rechtslage wirksamer Wechsel im Adressatenkreis der Verwaltungsstrafnorm stattgefunden, so ist ihm zuzustimmen. Aus dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 ArbIG und § 28a Abs. 3 AuslBG "Die

Bestellung ... wird erst rechtswirksam" ist der Schluss zu ziehen,

dass nach alter Rechtslage bereits wirksam erfolgte Bestellungen von verantwortlichen Beauftragten iSd § 9 VStG unberührt bleiben. Andernfalls hätte es der Gesetzgeber nicht für notwendig erachtet, mit § 26 Abs. 3 ArbIG eine (andernfalls überflüssige) Übergangsnorm zu schaffen. Da eine solche Übergangsnorm zu § 28a Abs. 3 AuslBG fehlt, ist der Beschwerdeführer damit im Recht, dass die mit der Zustimmungserklärung des Ing. St. am wirksam gewordene Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten für den im gegebenen Zusammenhang interessierenden Bereich auch nach Inkrafttreten des § 28a Abs. 3 AuslBG am - auch ohne Mitteilung an das zuständige Arbeitsinspektorat - weiterhin wirksam geblieben ist.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am