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VwGH vom 24.01.2002, 2000/21/0195

VwGH vom 24.01.2002, 2000/21/0195

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde der I in L, geboren am , vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom , Zl. 1-0456/99/E2, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom , erlassen am , wurde die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Die gegen diesen Ausweisungsbescheid erhobene Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zl. 96/21/0758, als unbegründet ab. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom wurde die Beschwerdeführerin in der Folge - ua. - für schuldig erkannt, sie sei "trotz der am von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg mit Bescheid verfügten Ausweisung (zugestellt am ) nicht spätestens ab dem ausgereist und" habe "sich bis zum weiterhin im Bundesgebiet aufgehalten"; sie habe dadurch die Verwaltungsvorschrift des § 107 Abs. 1 Z 1 "Fremdengesetz" (gemeint: Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75) übertreten und werde deshalb gemäß § 107 Abs. 1 leg. cit. zu einer Geldstrafe in Höhe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden) verurteilt (Spruchpunkt 1. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses). Der gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz erhobenen Berufung, soweit sie den eben erwähnten Spruchpunkt betraf, gab der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg (die belangte Behörde) mit Bescheid vom nur insoweit Folge, als die verhängte Strafe auf S 2.000,-- (48 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) herabgesetzt wurde. Bei ihrer Entscheidung ging die belangte Behörde davon aus, dass die Beschwerdeführerin entgegen ihrer Verpflichtung zur Ausreise aus dem Bundesgebiet nicht ausgereist sei und sich auch im Zeitraum vom bis im Bundesgebiet aufgehalten habe.

Über die gegen den letztgenannten Bescheid erhobene Beschwerde - die Berufungsentscheidung zu Spruchpunkt 2. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ist nicht streitgegenständlich - hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

1. Die Beschwerde macht primär geltend, dass die der gegenständlichen Bestrafung zu Grunde liegende Ausweisung durch Änderung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage "längst obsolet" geworden sei; sie beruft sich in diesem Zusammenhang insbesondere auf Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des nach dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei eingerichteten Assoziationsrates vom (ARB Nr. 1/80) und führt weiter ins Treffen, dass der Ausweisungsbescheid "langjährig" nicht vollstreckt worden sei.

Richtig ist, dass Ausweisungen nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wirkungslos werden können. Das wurde vor allem für Fälle einer nachträglichen Legalisierung des inländischen Aufenthalts eines Fremden - wenn diesem also nach Erlassung des Ausweisungsbescheides (wieder) ein Recht zum Aufenthalt zukommt - ausgesprochen (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom , Zl. 96/21/0980, oder vom , Zl. 98/21/0221, je mwN.). Aber auch dann, wenn sich die Beurteilungsgrundlagen nach § 37 Abs. 1 FrG maßgeblich zugunsten des Fremden verschieben, wird man davon ausgehen müssen, dass die Ausweisung ihre Wirksamkeit verliert. Im vorliegenden Fall jedoch ist weder eine Legalisierung des inländischen Aufenthalts der Beschwerdeführerin eingetreten (dass der Beschwerdeführerin nicht die Rechtsstellung nach Art. 7 ARB Nr. 1/80 zukommt, wurde schon in dem eingangs erwähnten, ihre Ausweisung betreffenden hg. Erkenntnis vom dargelegt; daran hat sich nichts geändert), noch kann der bloße weitere Verbleib der Beschwerdeführerin im Inland über den für die Beurteilung der seinerzeitigen Ausweisung maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Erlassung () hinaus bis zum Endpunkt des hier in Frage stehenden Tatzeitraumes () als ihre Privatinteressen derart verstärkend angesehen werden, dass von einer wesentlichen Änderung der Kriterien des § 37 FrG auszugehen wäre. Im Ergebnis ist daher nicht ersichtlich, was bis zur Unwirksamkeit der der gegenständlichen Bestrafung zu Grunde liegenden Ausweisung geführt haben könnte. Wenn die Beschwerde davon spricht, dass die Ausweisung über vier Jahre hinweg nicht vollstreckt worden sei, so ist ihr zu entgegnen, dass die belangte Behörde ungeachtet des Zeitpunktes ihrer Entscheidung eben lediglich die Nichtbefolgung des der Ausweisung immanenten Ausreisebefehls bis , somit bezüglich eines Zeitraums von nur knapp mehr als zwei Jahren nach Erlassung der Ausweisung, zu beurteilen hatte.

2. Die Beschwerde ist indes aus einem anderen Grund erfolgreich.

Gemäß § 44a VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, ua. (Z 2) die Verwaltungsvorschrift zu enthalten, die durch die Tat verletzt worden ist. Ein Strafbescheid ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet, wenn im Spruch ein Sachverhalt einem Straftatbestand unterstellt wird, der durch die Tat nicht verletzt wurde (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, (2000) zu § 44a VStG unter E 412. f. zitierte hg. Judikatur).

Im vorliegenden Fall legte die belangte Behörde (durch Bestätigung des Spruchpunktes 1. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses in der Schuldfrage) der Beschwerdeführerin im Rahmen der Sachverhaltsumschreibung zur Last, dass sie nicht spätestens ab dem ausgereist sei (und dass sie sich bis zum weiterhin im Bundesgebiet aufgehalten habe). Als maßgebliche Verwaltungsvorschrift iS des § 44a Z 2 VStG führte sie die Norm des § 107 Abs. 1 Z 1 FrG an. Diese Vorschrift ist freilich erst am in Kraft getreten (§ 111 Abs. 1 dritter Satz FrG), weshalb sie für den im Jahr 1997 gelegenen Tatzeitraum nicht rechtens herangezogen werden konnte. Vielmehr hätte die Unterlassung der gebotenen Ausreise bis der Bestimmung des § 82 Abs. 1 Z 1 des Fremdengesetzes aus 1992 unterstellt werden müssen. Indem sich die belangte Behörde dem gegenüber im Spruch des angefochtenen Bescheides auf die Nennung des § 107 Abs. 1 Z 1 FrG beschränkte, hat sie der Beschwerdeführerin die Verletzung einer Rechtsvorschrift angelastet, die nicht bezüglich des gesamten inkriminierten Tatzeitraumes in Kraft gestanden ist. Das belastet den angefochtenen Bescheid nach dem Vorgesagten mit einer Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/21/0433; siehe auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/20/0454), weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am

Fundstelle(n):
CAAAE-34795