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VwGH 07.11.1989, 87/07/0160

VwGH 07.11.1989, 87/07/0160

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
AVG §45 Abs3;
RS 1
Legt die Berufungsbehörde den von der Vorinstanz angenommenen Sachverhalt ihrer Entscheidung zu Grunde, so muß sie dem Berufungswerber keine Möglichkeit zur Stellungnahme nach § 45 Abs 3 AVG 1950 geben.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2167/65 E RS 2
Norm
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
RS 2
Ausführungen zur Verfahrensrüge eines untätig gebliebenen Bfr. (Hinweis auf E , 2496/56, Vwslg 5007A/1959))
Norm
VStG §9 Abs4;
RS 3
Die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten wirkt erst ab dem Zeitpunkt, zu dem der Behörde die Zustimmung der zum verantwortlichen Beauftragten bestellten Person nachgewiesen wird (Hinweis E VS , 86/18/0073, VwSlg 12375 A/1987).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Boigner, über die Beschwerde des EB in P, vertreten durch Dr. Hans Estermann, Rechtsanwalt in Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom , Zl. Wa-9077/6-1987/Sel, betreffend Übertretung des Wasserrechtsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach § 31 Abs. 1 WRG 1959 schuldig erkannt und gemäß § 137 Abs. 1 WRG 1959 über ihn eine Geldstrafe von S 10.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfall ein Ersatzarrest in der Dauer von vierzehn Tagen) verhängt, weil er bei der Ableitung der in seinem Schlachthaus anfallenden Abwässer am nicht die zur Reinhaltung der Gewässer gebotene Sorgfalt aufgebracht habe, "damit" (= so daß) blutverschmutztes Wasser im Bereich des Einganges zur Schlachthalle in Richtung Hausecke (Schlachtbereich-Wohnhaus) geflossen, dort in einem Loch verschwunden sowie weiters an der Rückseite der Schlachthalle von einem betonierten Schacht aus verschmutztes Abwasser mit hohem Blutgehalt in einer Menge von ca 1/2 l/sek. über einen weiteren Schacht in den anschließenden Wiesengraben abgeflossen und dort im Boden versickert sei, was zu einer Einwirkung auf ein Gewässer - nämlich die qualitative Beeinträchtigung des Grundwassers - geführt habe.

Mit Bescheid vom wies der Landeshauptmann von Oberösterreich die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 24 VStG 1950 ab. Begründend bezog sich die Rechtsmittelbehörde auf § 31 Abs. 1 WRG 1959 und führte aus, Tatbestandselement einer Übertretung dieser Verwaltungsvorschrift sei der Eintritt einer Gewässerverunreinigung, in diesem Fall des Grundwassers. Wenn nun der Beschwerdeführer zunächst in Abrede stelle, daß einerseits am überhaupt keine Einleitung in den Wiesengraben erfolgt sei und andererseits die festgestellte braune Verfärbung im Wiesengraben von der Einleitung von Blut herrühre, sei dem das Erhebungsergebnis der Amtssachverständigen entgegenzuhalten, die am einen Lokalaugenschein durchgeführt hätten. Aus dem darüber aufgenommenen Aktenvermerk gehe zweifelsfrei hervor, daß am (damit sei der Tatzeitpunkt eindeutig konkretisiert) ca. ein halber Liter stark rot (nicht braun) gefärbtes, mit typischem Blutgeruch behaftetes Abwasser pro Sekunde in den Wiesengraben eingeleitet worden sei. Damit sei auch die Ableitung von (blut-)kontaminierten Fleischereiabwässern verifiziert. In Verbindung mit einem weiteren eingeholten Gutachten stehe die qualitative Beeinträchtigung des Grundwassers durch die im Wiesengraben erfolgende Versickerung fest.

Mit den folgenden Berufungsausführungen werde das Verschulden bestritten. Die damit verbundenen Vorbringen stünden im Widerspruch zu den bisherigen Berufungseinwendungen. Werde einleitend eine Abwasserableitung in den Wiesengraben bestritten, bringe der Beschwerdeführer anschließend vor, daß zum Zeitpunkt des Lokalaugenscheines (am ) das Schlachthaus mit Wasser gereinigt worden sei. Dabei werde zumindest die Möglichkeit zugegeben, daß kontaminiertes Abwasser in den fraglichen Graben gelangen könne. Da der festgestellte Sachverhalt bereits durch das Ergebnis des Lokalaugenscheines erwiesen sei, diene dieser Widerspruch auch im Zusammenhang mit der vor der Erstbehörde am durch den Beschwerdeführer getroffenen Aussage, das Abfließen von mit Blut vermischtem Wasser in den Wiesengraben nicht in Abrede zu stellen, nur zur Untermauerung der getroffenen Feststellungen.

Die Ausführungen des Beschwerdeführers, für die Versickerung kein Verschulden zu tragen, indem er die beschriebenen Tätigkeiten an einen Angestellten delegiert und ausreichend überwacht habe, gingen insofern ins Leere, als die Berufungsbehörde zur Auffassung habe gelangen müssen, daß gerade dieser Aufsichtspflicht nicht gehörig nachgekommen worden sei. Die von der Erstbehörde bei der Strafbemessung zutreffend als erschwerend gewerteten Vorstrafen wegen Übertretungen des Wasserrechtsgesetzes hätten dem Beschwerdeführer deutlich werden lassen müssen, daß bei der Art und Weise der Abwasserbeseitigung aus seinem Betrieb ein erhöhtes Maß an Sorgfalt aufzuwenden sei, um Gewässerverunreinigungen zu vermeiden. Da die von der Erstbehörde festgestellte Gewässerbeeinträchtigung keine Einzelerscheinung darstelle, hätte den Beschwerdeführer die Verpflichtung getroffen, jede Manipulation mit Abwasser zu überwachen oder selbst durchzuführen, zumal ihm die bestehende Möglichkeit einer Gewässergefährdung durch die gegebene betriebliche Situation habe bekannt sein müssen und seinen eigenen Angaben zufolge auch bekannt gewesen sei. Die Betrauung eines Angestellten mit der Reinigung des Schlachthofes bilde aus diesen Überlegungen keinen Schuldausschließungsgrund.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers könne ihm die mangelnde Aufsicht trotz der anderweitigen beruflichen Verpflichtungen als fahrlässiges Verhalten zugerechnet werden, worin der Grund des Verschuldens liege, weshalb wie im Spruch zu entscheiden gewesen sei.

Der Berufungsbescheid wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft, wobei sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt erachtet, nicht der bezeichneten Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und hiefür bestraft zu werden.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 137 Abs. 1 WRG 1959 sind unter anderem Zuwiderhandlungen gegen dieses Bundesgesetz als Verwaltungsübertretungen zu bestrafen.

Gemäß § 31 Abs. 1 WRG 1959 hat jedermann, dessen Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen können, mit der im Sinne des § 1297, zutreffendenfalls mit der im Sinne des § 1299 ABGB gebotenen Sorgfalt seine Anlagen so herzustellen, instandzuhalten und zu betreiben oder sich so zu verhalten, daß eine Gewässerverunreinigung vermieden wird, die den Bestimmungen des § 30 zuwiderläuft und nicht durch eine wasserrechtliche Bewilligung gedeckt ist.

Der Beschwerdeführer behauptet zunächst, im Beschwerdefall sei der Tatbestand der ihm angelasteten Übertretung nicht erfüllt. Der dafür maßgebende Eintritt einer Gewässerverunreinigung sei nie festgestellt worden. Es seien keine Bodenproben entnommen und das Grundwasser nicht untersucht worden. Daher habe lediglich eine Gefahr einer Grundwasserverunreinigung durch die abgeleiteten Abwässer vermutet werden können. Der Amtssachverständige für Geologie habe zwar erklärt, es sei mit Sicherheit anzunehmen, daß zumindest ein Teil der Abwässer des betroffenen Schlachthofes in den Boden versickere, und es werde mit Sicherheit die Filterwirkung des Lehmbodens überfordert, so daß eine qualitative Beeinträchtigung des Grundwassers im allgemeinen nach § 30 WRG 1959 gegeben sei; doch eigne sich diese Annahme nicht, um den Verdacht einer Gewässerverunreinigung aus den Schlachthofabwässern des Beschwerdeführers zu erhärten. Die Behörde hätte zumindest Probebohrungen durchführen, das entzogene Wasser chemisch analysieren und angeben müssen, welche Schadstoffe im Grundwasser enthalten seien. Wegen der geringen Menge des Abwassers sei anzunehmen, daß sämtliche Fremdstoffe durch den Lehmboden herausgefiltert worden seien.

Dazu ist zu bemerken, daß schon nach dem Inhalt der an den Beschwerdeführer gerichteten Aufforderung zur Rechtfertigung vom ebenso wie im erstinstanzlichen Bescheid davon ausgegangen wurde, es sei verschmutztes Abwasser mit hohem Blutgehalt in einer Menge von ca. 1/2 l/sek. in einen bestimmten Wiesengraben abgeflossen und dort im Boden versickert, woraus sich ergibt, daß weder der Quantität noch der Qualität nach eine geringfügige - und daher nicht als Beeinträchtigung geltende Einwirkung (§ 32 Abs. 1 WRG 1959 - andere Merkmale für eine nicht als Beeinträchtigung zu wertende Einwirkung treffen im Beschwerdefall ebenfalls nicht zu -) vorlag. Da aber eine nach § 31 Abs. 1 WRG 1959 dem § 30 zuwiderlaufende Gewässerverunreinigung im übrigen jede Beeinträchtigung der natürlichen Beschaffenheit und Minderung des Selbstreinigungsvermögens des Wassers einschließlich des Grundwassers darstellt, bedurfte es unter der angegebenen sachverhaltsmäßigen Voraussetzung keiner chemischen Analyse und Ermittlung einzelner Schadstoffe mehr. Der Beschwerdeführer hat bei seiner Vernehmung am die Wahrnehmungen, daß "mit Blut vermischtes Wasser in den Wiesengrund abgeflossen ist", nicht in Abrede gestellt und auch die ihm bekanntgegebene Menge nicht bestritten. Daß die belangte Behörde den Wahrnehmungen ihrer Organe und dieser Aussage des Beschwerdeführers mehr Glauben geschenkt hat als dem Berufungsvorbringen, in dem die Ableitung derartiger Abwässer verneint, zumindest der Vorfall abgeschwächt wurde, stellt einen Beweiswürdigungsvorgang dar, der als unbedenklich gelten kann. Was die Versickerung betrifft, hat der Amtssachverständige für Geologie aus der näher beschriebenen Bodenbeschaffenheit im Versickerungsbereich mit Sicherheit eine qualitative Beeinträchtigung des Grundwassers für gegeben erachtet, so daß die diesbezügliche Annahme der belangten Behörde auch auf einer hinreichend bestimmten und schlüssigen fachlichen Beurteilung beruhte.

Auch der in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer erhobene Vorwurf, das im Bescheid nicht ausdrücklich angeführte geologische Amtssachverständigengutachten sei dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gebracht worden, führt die Beschwerde nicht zum Erfolg. Die Verwaltungsstrafbehörden sind nämlich von Anfang an (so in der Aufforderung zur Rechtfertigung und im erstinstanzlichen Bescheid) sachverhaltsmäßig von einer Versickerung der Abwässer im Boden und einer dadurch herbeigeführten qualitativen Beeinträchtigung des Grundwassers ausgegangen, wobei die zuletzt genannte Sachverhaltsannahme nach Lage der Verwaltungsakten auf jener erwähnten Stellungnahme des Amtssachverständigen für Geologie vom Oktober 1986 beruhte. Der Beschwerdeführer hat diesen Sachverhalt im Verwaltungsverfahren nicht in Frage gestellt. Legt aber die Berufungsbehörde den von der Vorinstanz angenommenen Sachverhalt ihrer Entscheidung zugrunde, so muß sie dem Berufungswerber keine Möglichkeit zur Stellungnahme nach § 45 Abs. 3 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) geben, eigene Ermittlungen hat die belangte Behörde ihrerseits nicht durchgeführt (siehe die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens3, 1987, S. 283, angegebene Rechtsprechung). Die bezeichnete Verfahrensrüge des insofern untätig gebliebenen Beschwerdeführers ist daher als ungerechtfertigt anzusehen (siehe die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 616, angeführte Rechtsprechung).

Der Beschwerdeführer meint schließlich, die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, den von ihm namhaft gemachten, mit den Arbeiten im Schlachthof betrauten Fleischhauer zu vernehmen, der - als der angeblich für diesen Bereich "verantwortliche Beauftragte" - für die ordnungsgemäße Entsorgung der Abwässer verantwortlich sei und auch angeben hätte können, ob der Beschwerdeführer als Inhaber des Unternehmens seiner Aufsichtspflicht nachgekommen sei.

Der Beschwerdeführer hat erstmals in der Berufung vorgebracht, daß die Arbeiten im Schlachthof und die Reinigungsarbeiten von besagtem Fleischhauer durchgeführt würden. Er hat in diesem Zusammenhang den möglichen Vorwurf einer Vernachlässigung seiner Aufsichtspflicht von sich gewiesen und erklärt, er übe diese in gehörigen Zeitabständen aus und habe dem Genannten auch mehrfach die Anweisung gegeben, darauf zu achten, daß beim Reinigen des Schlachthauses und auch sonst kein blutvermischtes Wasser in den Graben fließen könne; falls sich der Beauftragte an diese Anweisung nicht gehalten habe, könne dies dem Beschwerdeführer nicht zur Last gelegt werden.

Nun kann zwar gemäß § 9 Abs. 3 VStG 1950 eine physische Person, die Inhaber eines räumlich oder sachlich gegliederten Unternehmens ist, für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche ihres Unternehmens einen verantwortlichen Beauftragten bestellen. Gemäß § 9 Abs. 4 VStG 1950 kann jedoch verantwortlicher Beauftragter nur eine Person sein, die unter anderem ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat. Die Bestellung wirkt somit erst ab dem Zeitpunkt, zu dem der Behörde die Zustimmung der zum verantwortlichen Beauftragten bestellten Person nachgewiesen wird (siehe das Erkenntnis eines verstärkten Senats des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 12.375/A). Da diese Voraussetzung im Beschwerdefall nicht erfüllt war, ist die beantragte Zeugeneinvernahme zu Recht unterblieben und der Beschwerdeführer auch insofern nicht als entlastet anzusehen. Die Ausführungen im angefochtenen Bescheid zur Schuldfrage sind vom Beschwerdeführer nicht entkräftet worden.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §45 Abs3;
VStG §9 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Schlagworte
Verfahrensbestimmungen Berufungsbehörde
Verfahrensbestimmungen Amtswegigkeit des Verfahrens
Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1989:1987070160.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
UAAAE-34776