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VwGH vom 24.11.1992, 92/08/0131

VwGH vom 24.11.1992, 92/08/0131

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde der R in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom , Zl. IVb/7022/7100 B, VSNr. 920/5380 100259, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist dem Erkenntnis vom , Zl. 89/08/0142, zu entnehmen: Die belangte Behörde hatte (aufgrund eines Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses) mit Bescheid vom der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Arbeitsamtes Versicherungsdienste vom betreffend Widerruf und Rückforderung unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes und Notstandshilfe insoweit keine Folge gegeben, als die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes vom bis und der Notstandshilfe vom bis widerrufen und ein Betrag von S 22.359,-- gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zum Rückersatz vorgeschrieben wurde. In der Begründung dieses Bescheides war ausgeführt worden, daß die Beschwerdeführerin aufgrund der Angaben des als Zeugen vernommenen Geschäftsführers einer näher bezeichneten Bar in der Zeit vom bis März 1987 dort ca. vier- bis fünfmal pro Monat beschäftigt gewesen sei und aus dieser Tätigkeit ein Einkommen von (nach Schätzungen des Zeugen) S 3.000,-- bis S 4.000,-- pro Monat erzielt habe. Da dieses Einkommen die "Geringfügigkeitsgrenze" von monatlich S 2.354,-- (bezogen auf das Jahr 1986) bzw. S 2.451,-- (bezogen auf das Jahr 1987) überstiegen habe, seien die Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung für den angegebenen Zeitraum zu widerrufen und die für diesen Zeitraum unberechtigt bezogenen Leistungen zurückzufordern gewesen.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 89/08/0142, wurde der Bescheid vom in diesem Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Nach Zitierung der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen führte der Verwaltungsgerichtshof darin aus, daß, ein Beschäftigungsverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit vorausgesetzt - wie dies von der belangten Behörde angenommen worden war -, zu prüfen sei, ob während des gesamten Zeitraumes ein durchgehendes Beschäftigungsverhältnis oder ob nur an den jeweiligen Tagen der Beschäftigung (mehrere) Beschäftigungsverhältnisse vorgelegen seien. Unter Hinweis auf die in diesem Zusammenhang ergangene Rechtsprechung hat es der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis daher Feststellungen darüber für erforderlich gehalten, ob die Arbeitsleistung im Sinne einer periodisch wiederkehrenden Leistungspflicht aufgrund einer ausdrücklichen oder doch schlüssigen Vereinbarung im voraus bestimmt war; diesfalls wäre ein durchgehendes Beschäftigungsverhältnis anzunehmen und das erzielte Entgelt der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 lit. b, zweiter Fall ASVG gegenüberzustellen. Liege eine derartige Vereinbarung nicht vor, so seien nur die reinen Beschäftigungszeiten als Beschäftigungsverhältnisse anzusehen und die Frage der Geringfügigkeit des Entgelts sei nach § 5 Abs. 2 lit. a oder b, erster Fall ASVG (bzw. bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 471b ASVG hingegen nach § 471c ASVG) zu beurteilen. Eine nachträglich feststellbare, tatsächlich periodisch wiederkehrende Leistung sei allerdings ein Indiz für eine im vorhinein zumindest schlüssig getroffene Vereinbarung. Hingegen hatte der Verwaltungsgerichtshof gegen die Annahme der belangten Behörde, daß das von der Beschwerdeführerin erzielte Entgelt für den Fall eines durchgehenden Beschäftigungsverhältnisses die monatliche Geringfügigkeitsgrenze überschritten habe, keine Bedenken.

Im fortgesetzten Verfahren hat die belangte Behörde zunächst den Geschäftsführer der Bar einvernommen. Dieser hat folgendes angegeben:

"Meine Zeugenaussage vom wurde mir in Erinnerung gebracht, die ich inhaltlich bestätige. Bezüglich der Beschäftigung (der Beschwerdeführerin) gebe ich bekannt, daß mündliche Vereinbarungen bezüglich verpflichtender Tätigkeit als Bardame im vorhinein nicht abgeschlossen wurden. Es gibt zwar einige Mitarbeiterinnen, die ständig und fast regelmäßig arbeiten, jedoch war dies bei (der Beschwerdeführerin) nicht der Fall. Vielmehr war (die Beschwerdeführerin) nur tätig in Einzelfällen, wenn (ergänze: sie) ohne vorherige Absprache in der Bar vorsprach und die Tätigkeit aufnahm. Eine Buchführung gibt es nur insofern, als aufgrund der von mir geführten Personallisten aufscheint, ob jemand mindestens einmal pro Monat beschäftigt war, nicht jedoch, wie oft, d.h, an wieviel Tagen/Monat dies war. Daher kann ich nicht sagen, wie oft (die Beschwerdeführerin) im relevanten Zeitraum beschäftigt war bzw. gekommen ist."

Daraufhin erließ die belangte Behörde aufgrund des vom Unterausschuß des zuständigen Verwaltungsausschusses gefaßten Beschlusses den Bescheid vom , worin der Berufung der Beschwerdeführerin neuerlich keine Folge gegeben wurde.

Dieser Bescheid wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 91/08/0071 (als Anlaßfall des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom , G 295/90 und Folgezahlen, womit § 56 Abs. 3 AlVG 1977, BGBl. Nr. 609 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 61/1983, betreffend die Zuständigkeit des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses zur Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide der Arbeitsämter, als verfassungswidrig aufgehoben worden war) wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Mit dem nunmehr vom Landesarbeitsamt Wien erlassenen Bescheid vom wurde der Berufung der Beschwerdeführerin neuerlich keine Folge gegeben: Der belangten Behörde erschien die Aussage des Geschäftsführers der Bar als "essentiell", wonach es eine mündliche Vereinbarung zwischen der Beschwerdeführerin und dem Geschäftsführer insofern gegeben habe, als die Beschwerdeführerin auf der von ihm geführten Personalliste aufgeschienen und vereinbarungsgemäß ihre Tätigkeit in der Bar habe aufnehmen können, wann immer es ihr beliebte. In dieser Hinsicht sei eine gewisse Regelmäßigkeit gegeben, ohne daß konkrete Termine nachzuweisen wären. Außerdem habe der Geschäftsführer am zu einem Zeitpunkt, welche dem Ereignis noch wesentlich näher gelegen sei, diese Regelmäßigkeit mit vier bis fünfmal pro Monat niederschriftlich angegeben. Die Möglichkeit zur persönlichen Vorsprache habe die Beschwerdeführerin ungenutzt verstreichen lassen, weshalb die belangte Behörde in freier Beweiswürdigung die Auffassung vertrete, daß eine regelmäßige Tätigkeit aufgrund schlüssiger Vereinbarungen im voraus bestimmt gewesen sei, weshalb im spruchrelevanten Zeitraum Arbeitslosigkeit nicht gegeben gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Hinsichtlich der im Beschwerdefall (zeitraumbezogen) anzuwendenden Fassung des § 12 Abs. 1 AlVG 1977, BGBl. Nr. 609, und des § 5 Abs. 2 lit. a bis c ASVG in der Fassung der 32. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 704/1976, verweist der Verwaltungsgerichtshof auf das bereits erwähnte, in dieser Sache ergangene Erkenntnis vom , Zl. 89/08/0142 (§ 43 Abs. 2 VwGG).

Die belangte Behörde hat aufgrund der oben erwähnten Ergänzung des Ermittlungsverfahrens durch neuerliche Einvernahme des Geschäftsführers der Bar, in welcher die Beschwerdeführerin im beschwerdegegenständlichen Zeitraum vier bis fünfmal im Monat einer Beschäftigung nachgegangen ist, nunmehr als erwiesen angenommen, daß zwischen der Beschwerdeführerin und dem Geschäftsführer der Betreibergesellschaft der Bar eine mündliche Vereinbarung (nur) insoweit geschlossen worden war, als die Beschwerdeführerin ihre Tätigkeit in der Bar aufnehmen konnte, wann immer es ihr beliebte. Dazu bringt die Beschwerdeführerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor, daß es ihr freigestanden sei, wann und für wieviele Stunden sie aushelfen habe wollen. Es könne daher von der Vereinbarung einer periodisch wiederkehrenden Leistungspflicht (wovon die belangte Behörde ausgehe) keine Rede sein.

Damit ist die Beschwerdeführerin zwar im Prinzip im Recht, vermag aber insoweit kein Ergebnis des Verwaltungsverfahrens aufzuzeigen, wodurch sie in ihren Rechten verletzt wurde; dies aus folgenden Gründen:

Der von der belangten Behörde angenommene und von der Beschwerdeführerin sogar noch bekräftigte Sachverhalt bedeutet nämlich, daß es sich bei der fallweisen Beschäftigung der Beschwerdeführerin in der Bar jedenfalls nicht um die Erbringung von Arbeitsleistungen in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gehandelt hat, da die Freiheit der Beschwerdeführerin, zu arbeiten, wann und in welchem zeitlichen Umfang immer es ihr beliebe (woraus sich umgekehrt auch das Recht der Beschwerdeführerin ergibt, ein entsprechendes Ersuchen des Geschäftsführers der Bar im Einzelfall abzulehnen), der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von vornherein entgegensteht (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom , Slg. Nr. 11361/A, vom , Zl. 83/08/0128, vom , Zl. 88/08/0200, und vom , Zl. 89/08/0349). Die Erbringung von bloß gattungsmäßig umschriebenen Dienstleistungen ohne eine Bindung, wie sie für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit als wesentlich angesehen wird, wird im allgemeinen als "freier Dienstvertrag" (und insoweit als ein im Verhältnis zum abhängigen Arbeitsverhältnis, aber auch zum Werkvertrag Verschiedenes:

vgl. das Erkenntnis vom , Slg. Nr. 10140/A, mit ausführlichen Hinweisen zu Rechtsprechung und Lehre) beurteilt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Annahme von Arbeitslosigkeit Voraussetzung, daß das (im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG zu verstehende) Beschäftigungsverhältnis, an welches die Arbeitslosenversicherungspflicht anknüpft, gelöst ist (vgl. das Erkenntnis vom , Slg. Nr. 11600/A, uva.) und eine neue BESCHÄFTIGUNG nicht gefunden wurde. Als Beschäftigung im zuletzt gemeinten Sinne ist jede mit einem Erwerbseinkommen verbundene Tätigkeit zu verstehen, der zwar ein Dienstverhältnis im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. a AlVG (das ist ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG: vgl. das Erkenntnis vom , Slg. Nr. 11600/A) zugrunde liegen kann, aber nicht muß (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom , Zl. 85/08/0100, vom , Zl. 86/08/0084, mit zahlreichen Hinweisen). Liegt der Beschäftigung (wie hier) KEIN Beschäftigungsverhältnis gemäß § 4 Abs. 2 ASVG zugrunde, so wird unter "Arbeitseinkommen" (Erwerbseinkommen) die aus dieser Beschäftigung erzielten Einkünfte in Geld- oder Güterform verstanden (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 85/08/0010, uva.). Bei nicht in persönlicher Abhängigkeit erbrachten Arbeitsleistungen kommt als Maßstab dafür, ob die erzielten Einkünfte geringfügig im Sinne des § 12 Abs. 6 lit. a bis c AlVG seien von vornherein nur § 5 Abs. 2 lit. c ASVG (also die jeweils monatliche Geringfügigkeitsgrenze in Betracht (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 85/08/0196, Slg. Nr. 12276/A).

Ungeachtet dessen, daß die belangte Behörde aufgrund des von ihr nunmehr angenommenen (und auch in der Beschwerde nicht bestrittenen) Sachverhaltes in rechtlicher Hinsicht nicht mehr von einem Beschäftigungsverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit (als Voraussetzung für die Anwendung der Geringfügigkeitsgrenzen des § 5 Abs. 2 lit. a und b ASVG) ausgehen durfte, hat sie somit im Ergebnis zu Recht die (ebenfalls monatliche) Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 lit. c ASVG angewendet. Daß die von der Beschwerdeführerin aus ihrer Tätigkeit in der Bar erzielten Einkünfte diese Geringfügigkeitsgrenze überschritten haben, wird in der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen.

Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG ist die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen, wenn sie die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt.

Gemäß § 25 Abs. 1 AlVG ist in diesen Fällen der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen mußte, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.

Eine Verjährung des Rückforderungsanspruches war in § 25 AlVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 615/1987 (nunmehr aber in § 25 Abs. 5 AlVG) nicht vorgesehen.

Soweit die Beschwerdeführerin eine "Verfristung" im Sinne des § 51 Abs. 7 VStG behauptet, ist darauf hinzuweisen, daß die Rückforderung zu Unrecht bezogener Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung im Administrativverfahren nach dem AVG erfolgt und (daher) kein Strafverfahren vorliegt, auf welches das Verwaltungsstrafgesetz, insbesondere dessen § 51 Abs. 7 anzuwenden wäre.

Da die Beschwerdeführerin unter dem Blickwinkel der geltend gemachten Beschwerdepunkte durch den angefochtenen Bescheid somit in ihren Rechten nicht verletzt wurde, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, wobei jedoch nur der in der Gegenschrift ziffernmäßig beantragte (hinter den Pauschalsätzen der genannten Verordnung zurückbleibende) Schriftsatz- und Vorlageaufwand zugesprochen werden konnte.