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VwGH vom 24.02.2003, 2000/21/0012

VwGH vom 24.02.2003, 2000/21/0012

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des H in S, vertreten durch Dr. Christian Lind, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Kremser Gasse 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom , Zl. Fr 2055/99, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde gegen den Beschwerdeführer, einen algerischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 Z 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Begründend stellte die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer sei am (von Ungarn kommend) illegal nach Österreich eingereist und nach seinem Aufgriff wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes aus dem Bundesgebiet wieder ausgewiesen worden. (Nach der Aktenlage wurden dem Beschwerdeführer in der Folge Abschiebungsaufschübe, zuletzt bis erteilt.) Am 13. (richtig: 10.) März 1998 habe der Beschwerdeführer versucht, illegal (von Österreich) nach Deutschland einzureisen. Daraufhin sei er wegen § 107 Abs. 1 Z 3 iVm § 2 Abs. 1 FrG (Aufenthalt im Bundesgebiet als passpflichtiger Fremder ohne gültiges Reisedokument) und nach "§ 10 Abs. 1 iVm § 16 Abs. 1 Z 4 Grenzkontrollgesetz" (Nichteinhaltung der für den Grenzübertritt vorgesehenen Verkehrswege) zu einer Geldstrafe (von je ATS 2.000,--) verurteilt worden. Im Juni 1998 sei der Beschwerdeführer neuerlich nach Deutschland ausgereist und habe sich nach seinen Angaben auch in Belgien aufgehalten. Schließlich sei er Ende Juli/Anfang August 1998 wieder illegal nach Österreich zurückgekehrt und halte sich hier "nach wie vor" unberechtigt auf. Am (richtig: ) habe er einen Asylantrag gestellt.

Auf Grund dieses Sachverhaltes gehe die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer nicht gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften, vor allem das Fremdengesetz, einzuhalten. Obwohl er über kein gültiges Reisedokument verfüge, habe er durch seine illegale Ausreise nach Deutschland seine "Ignoranz gegenüber der österreichischen Rechtsordnung unter Beweis gestellt". In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde zur Gefährdungsprognose nach § 36 Abs. 1 FrG aus, maßgebliches Kriterium sei das erwähnte Straferkenntnis. Nach § 36 Abs. 2 Z 2 FrG sei zwar eine zweimalige Bestrafung erforderlich, um ein Aufenthaltsverbot erlassen zu können. Der Beschwerdeführer sei aber ein weiteres Mal nach Deutschland und auch nach Belgien gereist und letztlich wieder illegal nach Österreich zurückgekehrt. Seine "ständige Nichtbeachtung fremdenrechtlicher Bestimmungen" verkörpere für die belangte Behörde den gleichen Unrechtsgehalt, wie eine weitere Verurteilung auf Grund derartiger Verfehlungen. Der Beachtung der für die Einreise nach und die Ausreise aus Österreich bestehenden Vorschriften komme im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung aber ein hoher Stellenwert zu. Zur Ermessensübung nach § 36 Abs. 1 FrG führte die belangte Behörde in diesem Zusammenhang noch ergänzend aus, die belangte Behörde könne auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes (illegale Ein- und Ausreise) nicht ausschließen, dass er derartige Handlungen wiederholen und auch weiterhin illegal in Österreich aufhältig bleiben werde. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erscheine daher "vor dem Hintergrund der hiefür wesentlichen Rechtsbestimmungen" erforderlich, um den Beschwerdeführer für einen längeren Zeitraum vom Bundesgebiet fernzuhalten. Schließlich verwies die belangte Behörde unter dem Gesichtspunkt des § 37 FrG darauf, dass der Beschwerdeführer in Österreich niemals rechtmäßig aufhältig gewesen sei und auch keine familiären Beziehung zu hier lebenden Personen bekannt seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß der von den Behörden herangezogenen Bestimmung des § 36 Abs. 1 Z 1 FrG ist die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, dass der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit erheblich gefährdet. Daraus folgt, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nur dann in Betracht kommt, wenn ein solches erforderlich ist, um die festgestellte vom Fremden ausgehende Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden. In § 36 Abs. 2 FrG sind (demonstrativ) Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 gelten und bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/21/0340).

Die - allerdings eine taxative Aufzählung enthaltende (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/21/0040) - Z 2 des § 36 Abs. 2 FrG - in der Fassung vor der FrG-Novelle 2002 - lautet:

"2. (wenn ein Fremder) mehr als einmal wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 1 oder 2 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des Sicherheitspolizeigesetzes - SPG, BGBl. Nr. 566/1991, oder gemäß den §§ 9 oder 14 in Verbindung mit § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 233, oder wegen einer schwerwiegenden Übertretung dieses Bundesgesetzes, des Grenzkontrollgesetzes, BGBl. Nr. 435/1996, des Meldegesetzes 1991, BGBl. Nr. 9/1992, oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;"

Auch die belangte Behörde ist davon ausgegangen, dass angesichts der nur einmaligen Bestrafung des Beschwerdeführers der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 2 FrG nicht verwirklicht ist. Sie vertrat aber in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zutreffend die Auffassung, dass ein Aufenthaltsverbot rechtens auch direkt auf § 36 Abs. 1 Z 1 FrG gestützt werden könne, wenn zwar keiner der Tatbestände des § 36 Abs. 2 erfüllt sei, wohl aber triftige Gründe vorlägen, die in ihrer Gesamtheit die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertigten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/21/0321). Die in Abs. 2 genannten Sachverhalte sind dabei als Maßstab für die Schwere jener Tatsachen heranzuziehen, die bei der Verhängung eines bloß auf § 36 Abs. 1 FrG gegründeten Aufenthaltsverbotes vorliegen müssen (vgl. etwa das bereits erwähnte Erkenntnis vom ).

Nach der zitierten Rechtsprechung bedarf es im vorliegenden Fall somit triftiger Gründe für die Annahme, der Beschwerdeführer werde auch in Zukunft die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden, namentlich schwerwiegende Verstöße gegen das Fremdengesetz oder das Grenzkontrollgesetz begehen. Die von der belangten Behörde ins Treffen geführten Verhaltensweisen, die in Bezug auf die Ein- und Ausreise ohne Reisepass (nur) einen - keinen Straftatbestand erfüllenden - Verstoß gegen § 2 Abs. 1 FrG darstellen, reichen für die Annahme derartiger triftiger Gründe jedoch nicht aus, wenn das Gesetz in Bezug auf Verwaltungsübertretungen auf das Vorliegen von rechtskräftigen Bestrafungen abstellt. Im Übrigen unternahm die belangte Behörde gar nicht den Versuch, in schlüssiger Weise darzustellen, dass sich das nach der erwähnten Bestrafung erfolgte Verhalten des Beschwerdeführers als schwerwiegende Übertretung des Fremdengesetzes oder des Grenzkontrollgesetzes qualifizieren ließe (vgl. im Ergebnis ebenso das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/18/0356; vgl. demgegenüber das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/21/0321, wo dem Beschwerdeführer neben mehrfacher illegaler Einreise(versuche) auch die (zweimalige) Verwendung eines verfälschten Reisepasses vorgeworfen wurde).

Schon aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über die Kostenersatzpflicht gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am