VwGH 14.09.1995, 95/06/0013
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Nach § 25 Abs 3 Vlbg BauG 1972 ist es gerade nicht Sache der Baubehörde, selbständig zu beurteilen, ob der Miteigentümer (hier: Wohnungseigentümer nach dem WEG 1975) - soweit ihm zivilrechtlich ein Zustimmungsrecht zukommt - durch die Bauführung tatsächlich beeinträchtigt wird, maW, ob er nach den Bestimmungen des WEG 1975 die bauliche Maßnahme zu dulden verpflichtet ist oder nicht. Das Vlbg BauG 1972 sieht vielmehr als Tatbestandsvoraussetzung für die Erteilung der Baubewilligung nur das tatsächliche Vorliegen der Zustimmung vor, welches - jedenfalls soweit ein Zustimmungserfordernis zu bejahen ist - nur durch eine rechtskräftige Entscheidung im Außerstreitverfahren gem § 13 Abs 2 WEG 1975 ersetzt werden kann. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie VwGH E 1995/03/16 94/06/0197 3
(hier betreffend die Frage der Duldungspflicht des
Miteigentümers aus einem Vorvertrag) |
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RS 2 | Die zivilrechtliche Verpflichtung eines Miteigentümers aus einem Vorvertrag, sich bei Planänderungen im Objekt, die die vertragsgegenständliche Wohnungseigentumseinheit nicht ummittelbar betreffen, als zustimmend zu einer solchen Planänderung behandeln zu lassen, vermag die liquid erforderliche Zustimmung des Miteigentümers im konkreten Bauvorhaben schon deshalb nicht zu ersetzen, weil sich diese Zustimmung auf kein konkretes, durch Pläne belegtes Vorhaben bezieht. |
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RS 3 | Selbst die fehlende Zustimmung eines Miteigentümers, die durch einen Gerichtsbeschluß ersetzt wird, kann nur für ein konkretes, durch Baupläne erfaßtes Projekt gelten (Hinweis E , 2669/53, VwSlg 3513 A/1954). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des F in L, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom , Zl. I-2-11/1992, betreffend die Erteilung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien:
1. R Gesellschaft m.b.H. in B, 2. Gemeinde L, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheiden des Bürgermeisters der zweitmitbeteiligten Partei vom und vom wurde der erstmitbeteiligten Partei die Baubewilligung für die Errichtung eines Neubaues auf Grundstück Nr. .92, KG L (Wohn- und Geschäftshaus), erteilt.
Am hat der Beschwerdeführer mit der erstmitbeteiligten Partei einen Vorvertrag und am einen Kaufvertrag über den Erwerb einer Wohnungseigentumseinheit im gegenständlichen Wohn- und Geschäftshaus abgeschlossen. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Bregenz vom ist das Eigentum des Beschwerdeführer grundbücherlich einverleibt worden.
Am hat die erstmitbeteiligte Partei die Erteilung der Baubewilligung für diverse Planabweichungen bei dem Wohn- und Geschäftshaus beantragt. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde die Baubewilligung für die Planabweichungen erteilt. Der Beschwerdeführer war diesem Verfahren nicht zugezogen worden. Über seine Aufforderung wurde ihm der Baubewilligungsbescheid vom am zugestellt. Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers hat die Gemeindevertretung der zweitmitbeteiligten Partei mit Bescheid vom als unzulässig zurückgewiesen. Der gegen diesen Bescheid eingebrachten Vorstellung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde mit Bescheid vom Folge gegeben, den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die zweitmitbeteiligte Partei zurückverwiesen. Die Aufhebung wurde damit begründet, daß im Zeitpunkt der Erlassung des seinerzeitigen Baubescheides des Bürgermeisters vom der Beschwerdeführer Miteigentümer der Liegenschaft und somit Partei des Verfahrens gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei, wenn auch ohne Verschulden der Baubehörde (die von der grundbücherlichen Einverleibung des Miteigentümers am erst am , also nach Bescheiderlassung, Kenntnis erlangt habe) als Partei übergangen worden. Über sein Berufungsvorbringen vom , wonach der Änderungsantrag der erstmitbeteiligten Partei mangels seiner Zustimmung als Miteigentümer hätte abgewiesen werden müssen, hätte die Baubehörde meritorisch zu entscheiden gehabt.
Nach einer vom Beschwerdeführer beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Säumnisbeschwerde hat die Gemeindevertretung der zweitmitbeteiligten Partei mit Bescheid vom die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom abgewiesen. Dies wurde im wesentlichen damit begründet, daß der Beschwerdeführer mit der Bauwerberin am einen Vorvertrag abgeschlossen habe, wonach die Erstmitbeteiligte berechtigt gewesen sei, Planänderungen am Objekt durchzuführen, die die vertragsgegenständliche Wohnungseigentumseinheit nicht unmittelbar beträfen. Dies sei hier der Fall gewesen. Im übrigen habe der Beschwerdeführer am schriftlich erklärt, mit der derzeitigen Bauausführung einverstanden zu sein. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer Vorstellung erhoben, der die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom keine Folge gegeben hat.
Die Behandlung der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof vom , Zl. B 2064/94-3, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
In der über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Beschwerdeführer erstattete eine Replik zur Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 25 Abs. 3 lit. a des Vorarlberger Baugesetzes, LGBl. 39/1972, ist einem Bauantrag der Nachweis des Eigentums oder Baurechtes am Grundstück oder, wenn der Antragsteller nicht selbst Eigentümer oder bauberechtigt ist, die Zustimmung des Eigentümers bzw. Bauberechtigten anzuschließen. Die Zustimmung eines Eigentümers bzw. Miteigentümers muß "liquid" nachgewiesen werden, das heißt, es darf keinesfalls fraglich sein, ob die Zustimmung vorliegt.
Der Verwaltungsgerichtshof geht ebenso wie die belangte Behörde schon in ihrem Bescheid vom , dessen die Aufhebung tragenden Gründe für das weitere Verfahren bindend sind, davon aus, daß die Zustimmung des Beschwerdeführers für das Projekt zum Änderungsbescheid vom notwendig war.
Die belangte Behörde vermeint ebenso wie die mitbeteiligte Gemeinde, die erforderliche Zustimmung des Beschwerdeführers für das mit Bescheid vom bewilligte Bauvorhaben im Vorvertrag vom erblicken zu können. Dieser Vertrag lautete im entscheidenden Absatz wie folgt:
"§ 5
Sonderwünsche, Sonderausstattungen und Abweichungen vom Lieferumfang sowie Minderleistungen:
1. Auf der Kaufliegenschaft wird nach den vorliegenden Entwürfen ein Bauvorhaben errichtet, das die vertragsgegenständliche Wohnungseigentumseinheit gemäß dem Plane enthält.
Der von der Wohnungsgesellschaft vorgelegte Plan wurde von der Käuferseite eingesehen und genehmigt. Die Wohnungsgesellschaft ist berechtigt, Planänderungen durchzuführen, soweit dies durch behördliche Vorschriften oder technische Gegebenheiten erforderlich ist. Darüber hinaus ist die Wohnungsgesellschaft berechtigt, Planänderungen im Objekt durchzuführen, die die vertragsgegenständliche Wohnungseigentumseinheit nicht unmittelbar betreffen. Aus derartigen Veränderungen stehen der Käuferseite keine Ausgleichszahlungen zu. Maßangaben in den Plänen beziehen sich auf die Rohbaumaße."
Die belangte Behörde hat die Frage abgeklärt, ob der Beschwerdeführer bzw. dessen Wohnungseigentumseinheit durch die Planabweichungen laut Bescheid vom unmittelbar betroffen wurde und kam nach Gegenüberstellung der Baubeschreibung der ursprünglichen Bewilligung und der Änderungsbewilligung zu dem Schluß, daß Gegenstand des Bescheides vom nur Änderungen im Bereich des Wohntraktes einschließlich des "Postbereiches" sowie die Neuordnung im Untergeschoß (Tiefgarage, Kellerbereich und Geschäftslokale) waren und der Beschwerdeführer auch durch die geänderte Parkplatzsituation nicht unmittelbar betroffen wurde. Durch die Änderung im Wohnungsbereich (Versetzung tragender Wände), die in jenem Bautrakt liege, in dem auch die Post untergebracht sei, sei der Beschwerdeführer nicht unmittelbar betroffen worden, dasselbe gelte für den Kinderspielplatzbereich. Insgesamt sei daher festzustellen, daß der Beschwerdeführer durch die Bewilligung vom nicht unmittelbar betroffen sei und für diese Bauführung aufgrund des Vorvertrages vom als zustimmend angesehen werden konnte.
Mit dieser Beurteilung verkennt die belangte Behörde, daß es nach § 25 Abs. 3 des Vorarlberger Baugesetzes gerade nicht Sache der Baubehörde ist, selbständig zu beurteilen, ob der Miteigentümer - soweit ihm zivilrechtlich ein Zustimmungsrecht zukommt - durch die Bauführung tatsächlich beeinträchtigt wird, das heißt, ob er nach den Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes oder aus einem Vorvertrag bauliche Maßnahmen zu dulden verpflichtet ist oder nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/06/0197). Das Gesetz sieht vielmehr als Tatbestandsvoraussetzung für die Erteilung der Baubewilligung nur das tatsächliche Vorliegen der Zustimmung vor, welche - jedenfalls soweit ein Zustimmungserfordernis zu bejahen ist - nur durch eine rechtskräftige Entscheidung des Zivilgerichtes ersetzt werden kann.
Die zivilrechtliche Verpflichtung in bezug auf Änderungen des Beschwerdeführers im Vorvertrag vom vermochte die liquid erforderliche Zustimmung des Miteigentümers im konkreten Bauvorhaben schon deshalb nicht zu ersetzen, weil sich diese Zustimmung auf kein konkretes, durch Pläne belegtes Vorhaben bezogen hat. Selbst die fehlende Zustimmung eines Miteigentümers, die durch einen Gerichtsbeschluß ersetzt wird, kann nur für ein konkretes, durch Baupläne erfaßtes Projekt gelten (vgl. schon das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 3513/A).
Da die belangte Behörde dies verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Das Mehrbegehren war abzuweisen, da in der zitierten Verordnung im Aufwandersatz die Umsatzsteuer bereits berücksichtigt ist und der Schriftsatzaufwand nur einmal zuerkannt werden kann.
Zusatzinformationen
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:1995:1995060013.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
GAAAE-34532