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VwGH vom 27.07.2001, 2000/08/0181

VwGH vom 27.07.2001, 2000/08/0181

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2000/08/0212 E

2000/08/0213 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. Monika Linder, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Bernardgasse 28, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 15-II-D 7/99, betreffend Haftung für Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid verpflichtete die belangte Behörde die beschwerdeführende Partei gemäß § 67 Abs. 10 ASVG als Geschäftsführer einer näher bezeichneten Gesellschaft mbH zur Zahlung von rückständigen, bei der Gesellschaft uneinbringlich gewordenen Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von S 138.487,06 zuzüglich Verzugszinsen seit "in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, berechnet von S 122.720,50".

Dieser Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die genannten, aus Zeiträumen, während derer die beschwerdeführende Partei Geschäftsführer der genannten Gesellschaft gewesen sei, unberichtigt aushaftenden Sozialversicherungsbeiträge im Insolvenzverfahren der Gesellschaft uneinbringlich geworden seien und die beschwerdeführende Partei nicht (ausreichend) dargetan habe, dass sie an der Nichtentrichtung dieser Beiträge kein Verschulden treffe, insbesondere dass die Verbindlichkeiten der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse nicht schlechter behandelt worden seien als die übrigen Verbindlichkeiten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Handelsgesellschaft, offene Erwerbsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, Kommandit-Erwerbsgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend.

Im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zlen. 98/08/0191, 0192, hat der Verwaltungsgerichtshof in Abänderung seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung nunmehr die Auffassung vertreten, dass unter den "den Vertretern auferlegten Pflichten" im Sinne dieser Gesetzesstelle in Ermangelung weiterer in den gesetzlichen Vorschriften ausdrücklich normierter Pflichten des Geschäftsführers im Wesentlichen die Melde- und Auskunftspflichten, soweit diese in § 111 ASVG i.V.m. § 9 VStG auch gesetzlichen Vertretern gegenüber sanktioniert sind, sowie die in § 114 Abs. 2 ASVG umschriebene Verpflichtung zur Abfuhr einbehaltener Dienstnehmerbeiträge zu verstehen sind. Auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Entgegen dieser nunmehrigen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes ist die belangte Behörde (noch) davon ausgegangen, dass die beschwerdeführende Partei gemäß § 67 Abs. 10 ASVG für alle nicht entrichteten, bei der Gesellschaft uneinbringlich gewordenen Sozialversicherungsbeiträge haftet, hinsichtlich derer sie nicht in der Lage ist, nachzuweisen, dass sie an der Nichtentrichtung kein Verschulden trifft, insbesondere durch den Nachweis fehlender Gesellschaftsmittel im Zeitraum des Beitragsrückstandes und der jeweiligen Gleichbehandlung der Gebietskrankenkasse mit anderen Gläubigern bei der Erbringung von Zahlungen. Im Beschwerdefall resultierende uneinbringlich gewordene Beiträge aus einer Nachverrechnung. Die belangte Behörde hat jedoch zur Frage, ob dem Beschwerdeführer allenfalls eine Meldepflichtverletzung (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, 2001/08/0069) zur Last liegt, keine Feststellungen getroffen.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse wendet sich in ihrer Gegenschrift gestützt auf eine Literaturstelle (Derntl, Soziale Sicherheit 4/2001, Seite 345, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers) gegen die neue Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Darin wird - soweit die Argumente (insbesondere die geforderte - analoge ?! - Anwendung des § 80 Abs. 1 BAO) nicht bereits durch die Begründung des Erkenntnisses des verstärkten Senates widerlegt sind und daher hier unerörtert bleiben können - aus § 26 Satz 2 ABGB abgeleitet, dass Pflichten des Dienstgebers "bei juristischen Personen auf deren zur Vertretung berufenen Organe übergehen" (!), womit sowohl die zitierte Bestimmung, als auch generell die Unterscheidung in den Rechtsbeziehungen der juristischen Person gegenüber Dritten und der Organe dieser juristischen Person gegenüber Dritten fundamental verkannt werden. Gleiches gilt für die Argumentation mit § 25 GmbHG, der - soweit diese (oder auch andere) Bestimmungen nicht auch dem Gläubigerschutz dienen - ausschließlich die Pflichten der Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft und nicht Dritten gegenüber regelt, worauf der verstärkte Senat im vorgenannten Erkenntnis ausführlich eingegangen ist. Der von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse ins treffen geführte Aufsatz geht daher schon von unzutreffenden Prämissen aus. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren hinsichtlich der Umsatzsteuer war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand ein Kostenersatz unter dem Titel der Umsatzsteuer nicht zusteht (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, 686).

Wien, am