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VwGH vom 11.12.1990, 87/05/0075

VwGH vom 11.12.1990, 87/05/0075

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. BauR-7138/3-1987 Le/Ja, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1) BS, 2) HB, und

3) Stadtgemeinde Gmunden, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Erstmitbeteiligte und der Zweitmitbeteiligte (Bauwerber) suchten um die baubehördliche Bewilligung zur Überdachung einer Terrasse auf dem Grundstück X-Gasse n in Gmunden nach den vorgelegten Plänen an. Bei der hierüber anberaumten mündlichen Bauverhandlung gab die Beschwerdeführerin als Nachbarin nachstehende Stellungnahme ab:

"Gegen die vorgesehene Überdachung der Terrasse, wie in den Plänen eingetragen, spreche ich mich aus, weil ich hiedurch eine Verschlechterung der Belichtungsverhältnisse für meine Liegenschaft befürchte. Außerdem weise ich auf die mit Datum vom getroffene Vereinbarung zwischen mir und den Antragstellern hin."

Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde die Baubewilligung für die Errichtung einer teilweisen Überdachung der vorhandenen Terrasse im Bereich des Dachgeschoßes beim Haus X-Gasse n zur Unterbringung eines Abstellraumes unter den im Amtsgutachten festgehaltenen Bedingungen und Auflagen. Gleichzeitig wurde die Errichtung des südlichen Fensterteiles im Gegensatz zur planlichen Darstellung untersagt und die Errichtung einer Feuermauer in einer Tiefe von mindestens einem Meter vorgeschrieben. Die Einwendung der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Verschlechterung der Belichtungsverhältnisse wurde abgewiesen, die auf die getroffene Vereinbarung gestützte auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Hiezu führte die Baubehörde erster Instanz aus, daß das Wohnhaus der Bauwerber in einem geschlossen bebauten Gebiet liege, eine Bauführung bis zur Grundgrenze daher möglich sei. Zur vermuteten Verschlechterung der Lichtverhältnisse wurde ausgeführt, daß der Nachbar grundsätzlich keinen Anspruch auf Belichtung und Belüftung aus einem benachbarten fremden Grundstück besitze. Zur getroffenen Vereinbarung vom wurde ausgeführt, daß privatrechtliche Einwendungen der Erteilung einer Baubewilligung nicht entgegenstünden; da ein Vergleichsversuch keinen Erfolg gehabt habe, sei die Einwendung auf den Zivilrechtsweg zu verweisen gewesen.

In der dagegen erhobenen Berufung wies die Beschwerdeführerin u.a. darauf hin, daß die Vereinbarung, auf die sie sich stütze, im Zuge eines anderen Bauverfahrens vor der mitbeteiligten Gemeinde geschlossen worden sei und einer vergleichsweisen Lösung im Zuge eines Berufungsverfahrens gedient habe. Damit sei sie als Bestandteil eines öffentlich-rechtlichen Vorganges anzusehen. Nach Durchführung eines Lokalaugenscheines durch die Mitglieder des Rechtsausschusses gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom der Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

In der dagegen erhobenen Vorstellung bekämpfte die Beschwerdeführerin die Rechtsansicht der Baubehörde zweiter Instanz, daß das Gebiet als "geschlossen bebaut" anzusehen sei, weil zwischen den Häusern fast durchwegs Gärten - zum Teil von erheblicher Größe - situiert seien. Weiters wiederholte sie ihren Hinweis auf die aus Anlaß eines Bauverfahrens getroffene Vereinbarung; es würde gegen Treu und Glauben verstoßen, würde die Baubehörde, die die Vereinbarung aufgenommen habe, auf diese nicht Bedacht nehmen.

Zur Frage des "geschlossen bebauten Gebietes" holte die belangte Behörde ein Gutachten des Bezirksbauamtes Gmunden ein.

Dieses gab die örtliche Situation wie folgt wieder:

"Die Liegenschaft X-Gasse Nr. n mit der vom Bauvorhaben betroffenen Baufläche Nr. nn Kg. Gmunden liegt etwa 1/2 km südwestlich des Altstadtkerns, also noch zentrumsnahe, in einem Gebäudeblock, der aus insgesamt 9-10 bebauten Liegenschaften gebildet wird. Dieser Gebäudeblock wird durch die öffentlichen Verkehrsflächen der X-Gasse, der Y-Gasse, der Z-Gasse und der Esplanade begrenzt und hat ein Ausmaß von etwa 40 x 50 m. Während X-Gasse und Z-Gasse nur enge gepflasterte Gehwege darstellen, wie sie für dichtere städtische Bebauung typisch sind, sind die Y-Gasse im Norden und die Esplanade im Süden Fahrstraßen. In der Y-Gasse verläuft auch die Straßenbahnlinie vom Stadtzentrum zum Bahnhof. Die überwiegend schon ältere Bebauung des Bereiches, auch westlich und östlich anschließend an den beschriebenen Gebäudeblock, weist insbesondere im Verlauf der Y-Gasse fast durchwegs eine geschlossene Bauweise im Sinn der Festlegungen des O.ö. ROG. auf.

Im beschriebenen Gebäudeblock mit dem gegenständlichen Vorhaben sind die einzelnen Liegenschaften ebenfalls sowohl entlang der Y-Gasse wie auch entlang der Esplanade in geschlossener Bauweise angeordnet. Auch im Verlauf der X-Gasse sind sowohl die Hauptgebäude wie auch hofseitige Nebengebäude mit wenigen Ausnahmen aneinandergebaut bzw. bis unmittelbar an die Nachbargrundgrenzen angebaut. Die Gebäudehöhen variieren zwischen erdgeschossiger bis zu 4-geschossiger Bebauung."

Die Beschwerdeführerin, der diese Erhebungsergebnisse zur Kenntnis gebracht worden waren, führte aus, daß zwar die im Norden ihres Objektes gelegene Y-Gasse geschlossen verbaut sei, dies jedoch nicht für den Bereich der Esplanade, insbesondere die X-Gasse und die Z-Gasse gelte. Es handle sich dabei um den Bereich der Altgmundner-See-Vorstadt. Die dort stehenden alten und auch in der Folge errichteten Gebäude seien in der Höhe beträchtlich verschieden, sie stünden durchwegs in größeren oder kleineren Hausgärten und seien nur vereinzelt aneinandergebaut. Von einer Zugehörigkeit des Gebietes zum eigentlichen "Ortskern" von Gmunden könne daher keine Rede sein. Insgesamt überwiegen nämlich die Garten- bzw. Hofflächen bei weitem die Bauflächen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung der Beschwerdeführerin keine Folge; begründend führte sie nach Wiedergabe des Sachverhaltes, der Ergebnisse der Erhebungen des Baubezirksamtes und der maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen aus: Nachbarn stehe im baubehördlichen Bewilligungsverfahren nur ein beschränktes Mitspracherecht zu, überdies fänden die Vorschriften des § 42 AVG 1950 über die Präklusion ordnungsgemäß Geladener Anwendung. Die Beschwerdeführerin habe lediglich zwei Einwendungen erhoben, nämlich die Verschlechterung der Belichtungsverhältnisse und die am getroffene Vereinbarung zwischen ihr und den Bauwerbern. An sich scheine daher die Einwendung betreffend die Verletzung der Abstandsvorschriften, die erstmals in der Berufungsschrift vorgebracht worden sei, präkludiert, sie könne jedoch noch unter die geäußerte Befürchtung einer Verschlechterung der Belichtungsverhältnisse subsumiert werden. Nach dem ergänzenden Ermittlungsverfahren sprächen die vorgefundenen Verhältnisse eindeutig für den Bestand eines geschlossen bebauten Gebietes im Sinn des § 32 der Oö. Bauordnung. Die von der Beschwerdeführerin in ihrer ergänzenden Stellungnahme gegen das Gutachten vorgebrachten Bedenken vermöchten die Richtigkeit des Gutachtens nicht zu erschüttern. Während der Amtssachverständige die vorhandene Bebauungssituation ausführlich beschrieben und in einem Lageplan auch graphisch dargestellt hat, habe sich die Beschwerdeführerin mit unbegründeten Behauptungen begnügt. Überdies sei sie einem Rechtsirrtum unterlegen, da es nicht darauf ankomme, in welchem Verhältnis sich Garten- und Hofflächen zu Bauflächen befänden, sondern, in welchem Abstand die vorhandenen Gebäude zu den Grundgrenzen situiert seien. Kennzeichen eines geschlossen bebauten Gebietes sei es, daß zumindest die Mehrzahl der bestehenden Gebäude den von der Oö. Bauordnung im § 32 Abs. 2 geforderten Mindestabstand zu den einzelnen Grundgrenzen nicht einhalte, was, wie im vorliegenden Fall, bei überwiegend geschlossener Bauweise (dies im Sinn des § 20 Abs. 3 Z. 1 des Oö. Raumordnungsgesetzes jedenfalls gegeben sei. Da es sich also um ein geschlossen bebautes Gebiet im Sinn des § 32 BO handle, seien die Abstandsvorschriften dieser Gesetzesstelle nicht anwendbar. Damit könne die Beschwerdeführerin keine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte geltend machen, zumal den Nachbarn nach der Oö. Bauordnung auch kein Recht auf Belichtung und Belüftung vom Nachbargrundstück aus zustehe.

Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin könne auch der Umstand, daß die Vereinbarung vom zwischen der Beschwerdeführerin und den Bauwerbern eine Vereinbarung betreffend den Bestand und die Erhaltung einer an der gemeinsamen Grundgrenze bestehenden Mauer ("Servitutsmauer") vor der Behörde geschlossen und von dieser beurkundet worden sei, an ihrem Rechtscharakter als privatrechtliche Vereinbarung nichts ändern. Die Baubehörden hätten daher diese Einwendung zu Recht als zivilrechtliche gewertet und auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 46 Abs. 2 und 3 der Oö. Bauordnung (BO), LGBl. Nr. 35/1976, können Nachbarn gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, daß sie durch das Bauvorhaben in subjektiven Rechten verletzt werden, die entweder in der Privatrechtsordnung (privatrechtliche Einwendungen) oder im öffentlichen Recht (öffentlich-rechtliche Einwendungen) begründet sind. Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn sind im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechtes oder eines Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen.

Nach § 47 Abs. 5 BO hat der Verhandlungsleiter über in subjektiven Rechten begründete privatrechtliche Einwendungen, die zwingenden, von der Baubehörde anzuwendenden Bestimmungen nicht widersprechen, einen Vergleichsversuch vorzunehmen. Allfällige Einigungen über derartige privatrechtliche Einwendungen sind in der Verhandlungsschrift zu beurkunden. Führt dieser Vergleichsversuch zu keiner Einigung, so sind die Streitenden gemäß § 50 Abs. 4 BO hinsichtlich der privatrechtlichen Einwendungen, die zwingenden, von der Baubehörde anzuwendenden Bestimmungen nicht widersprechen, auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.

Die Beschwerdeführerin erblickt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides einerseits in der unrichtigen Beurteilung des "geschlossen bebauten Gebietes" nach § 32 BO, andererseits in der Nichtberücksichtigung des bei der Baubehörde in einem anderen Verfahren geschlossenen Vergleiches. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin in diesem letzten Punkt stehen mit den oben wiedergegebenen Bestimmungen der Oö. Bauordnung in offensichtlichem Widerspruch. Denn die Baubehörde ist zwar verpflichtet, eine aus Anlaß eines Verfahrens über eine beantragte Baubewilligung zustandegebrachte Einigung der Parteien über zivilrechtliche Fragen zu beurkunden, ja der Verhandlungsleiter ist sogar angehalten, auf das Zustandekommen einer solchen gütlichen Einigung hinzuwirken, doch ändert dies nichts am Charakter der Vereinbarung. Anders wäre es (arg. § 50 Abs. 4 BO), wenn die privatrechtliche Einwendung auch zwingenden, von der Baubehörde anzuwendenden Bestimmungen widerspräche. Derartiges hat die Beschwerdeführerin aber nicht aufgezeigt. Die Baubehörden haben daher die auf die Vereinbarung gestützte Einwendung mit Recht auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Die Beschwerdeführerin hat weiters in ihrer Beschwerde richtig erkannt, daß sie unter der Voraussetzung, daß nicht Präklusion angenommen wird, die Einhaltung eines Abstandes nicht mehr allgemein auf das Recht auf Belichtung und Belüftung, sondern nur auf die Vorschrift des § 32 BO stützen kann, was wieder voraussetzt, daß das Bauvorhaben nicht im "geschlossen bebauten Gebiet" liegt; unbestritten ist ja, daß für das betreffende Gebiet kein Bebauungsplan besteht.

Nun bedarf zwar die Feststellung, ob ein geschlossen bebautes Gebiet vorliegt, nicht der Beiziehung eines Sachverständigen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 83/05/0150, BauSlg. Nr. 215, und vom , Zl. 87/05/0145, BauSlg. Nr. 1028). Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin kann daraus jedoch nicht etwa abgeleitet werden, daß sich die Behörde zur Feststellung der tatsächlichen Verhältnisse als Grundlage dieser Beurteilung nicht eines Amtssachverständigen bedienen dürfte. Dies umso weniger, als dem AVG 1950 der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme fremd ist.

Zum Begriff "geschlossen bebautes Gebiet" hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 10.112/A, ausgeführt und näher begründet, daß er mit dem Ausdruck "geschlossene Bauweise" im Raumordnungsgesetz nicht identisch ist, da die Wendung "außerhalb eines geschlossen bebauten Gebietes" lediglich einen tatsächlichen Zustand umschreibt. Vielmehr ist darunter ein Gebiet zu verstehen, in welchem die Häuser verhältnismäßig eng - wenn auch mit Zwischenräumen - beieinanderstehen, insbesondere Ortskerne, in denen sich die Gebäude überwiegend in der Nähe der Besitzgrundgrenzen befinden (vgl. das schon zitierte Erkenntnis vom , Zl. 87/05/0145, BauSlg. Nr. 1028). In diesem Erkenntnis wurde auch dargelegt, daß der Umstand, daß im örtlichen Bereich nicht unerhebliche Grünflächen vorhanden sind, der Annahme, der Bauplatz liege in einem geschlossen bebauten Gebiet, keineswegs entgegensteht, weil es bei der Beurteilung, ob ein "geschlossen bebautes Gebiet" vorliegt, nicht auf das Ausmaß bestehender Grünflächen, sondern auf die eben beschriebene vorherrschende Bebauung ankommt. Gerade aus diesem Grund ist die Stellungnahme der Beschwerdeführerin, die vor allem auf das Verhältnis von Garten- und HOFflächen (Ü) abstellt, keine Widerlegung des von der belangten Behörde angenommenen Umstandes, daß in dem betreffenden Gebiet die Häuser, wenn sie schon nicht aneinandergebaut sind, so doch eng beieinander stehen. Daß an der Front der Esplanade möglicherweise andere Verhältnisse herrschen, kann dem Gebietscharakter nicht entgegenstehen.

Die belangte Behörde ist daher im Ergebnis mit Recht davon ausgegangen, daß im Beschwerdefall Abstandsbestimmungen des § 32 BO nicht anzuwenden sind.

Die Beschwerde war demnach gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.