VwGH 14.01.2004, 2000/08/0151
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Fraglich ist, ob der angestellte Rechtsanwalt ab Beginn der Möglichkeit, die Rechtsanwaltstätigkeit im Rahmen eines Dienstverhältnisses auszuüben (seit der Neufassung des § 5 RLBA 1977 durch die Vertreterversammlung des österreichischen Rechtsanwaltskammertages am ) bis zum Inkrafttreten des § 5 Abs. 1 Z. 14 ASVG (am ) sowohl der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem ASVG als auch bei der Versorgungseinrichtung der jeweiligen Rechtsanwaltskammer unterlag, ein und die selbe Tätigkeit also zu einer doppelten Versorgung führte. Dies ist zu bejahen: Die Zugehörigkeit zu zwei verschiedenen Versorgungssystemen auf Grund ein und derselben Tätigkeit stellt keinen Widerspruch zum Gleichheitsgrundsatz dar. Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als die Versorgungseinrichtung selbst diesen Fall berücksichtigt und eine Ermäßigung der Beiträge vorsieht. Es lag somit im rechtspolitischen Spielraum des Gesetzgebers, ob er die angestellten Rechtsanwälte von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem ASVG ausnimmt - wie er es mittlerweile ohnehin getan hat - oder ob er dies nicht vorsieht. Es fehlt daher auch jede Rechtsgrundlage für die Annahme einer teleologischen Lücke und daher für die analoge Anwendung der Ausnahmebestimmung des § 5 Abs. 1 Z. 8 iVm § 7 Z. 1 lit. e ASVG, die für einen ganz anderen Personenkreis gilt (mit weiteren Ausführungen). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2000/08/0069 E RS 2 |
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RS 2 | Die Gebietskrankenkasse hat in ihren erstinstanzlichen Bescheiden über die Vollversicherung nach dem ASVG und dem AlVG entschieden. Die Einspruchsbehörde (der Landeshauptmann) war daher funktionell unzuständig, in ihrem Bescheid über die Teilversicherung in der Kranken- und Unfallversicherung sowie über die Arbeitslosenversicherung abzusprechen. Die Teilversicherung ist nicht etwa nur eine eingeschränkte Vollversicherung, sondern stellt ein eigenes Rechtsinstitut dar (Hinweis E , 99/08/0007). Die nunmehr belangte Behörde (der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) hätte daher mit dem angefochtenen Bescheid den Abspruch im Bescheid der Einspruchsbehörde beheben müssen. Weil dies nicht geschah, ist der angefochtene Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2000/08/0069 E RS 3 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Wiener Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom , Zl. 125.764/1-7/2000, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. X Partnerschaft von Rechtsanwälten in W; 2. MMag. E in W, vertreten durch die Erstmitbeteiligte; 3. Arbeitsmarktservice Wien, Landesgeschäftsstelle, 1010 Wien, Weihburggasse 30; 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65;
5. Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Zweitmitbeteiligte war vom 1. November bis bei der Erstmitbeteiligten als angestellte Rechtanwältin beschäftigt. Sie übte ihre Rechtsanwaltstätigkeit ausschließlich im Rahmen des bestehenden Angestelltenverhältnisses aus.
Mit Bescheid vom stellte die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse fest, dass die Zweitmitbeteiligte auf Grund ihrer Tätigkeit bei der Erstmitbeteiligten im genannten Zeitraum der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht unterlegen sei und wies gleichzeitig einen Antrag der Erstmitbeteiligten auf Rückerstattung der für die Zweitmitbeteiligte in diesem Zeitraum entrichteten Beiträge zur Pensionsversicherung als unbegründet ab.
Über den Einspruch der Zweitmitbeteiligten entschied der Landeshauptmann von Wien hinsichtlich der Versicherungspflicht dahin, dass er feststellte, dass die Zweitmitbeteiligte vom 1. November bis als angestellte Rechtsanwältin bei der Erstmitbeteiligten gemäß § 5 Abs. 1 Z 8 ASVG von der Vollversicherung nach § 4 ASVG ausgenommen sei; weiters wurde festgestellt, dass die Zweitmitbeteiligte auf Grund dieser Beschäftigung im genannten Zeitraum gemäß § 7 Z. 1 lit. e ASVG in der Kranken- und Unfallversicherung und gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG in der Arbeitslosenversicherung versichert sei.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse keine Folge und stellte fest, dass die Zweitmitbeteiligte lediglich der Versicherungspflicht in der Kranken- und Unfallversicherung sowie in der Arbeitslosenversicherung unterliege; weiter werde festgestellt, dass keine Versicherungspflicht in der Pensionsversicherung nach dem ASVG bestehe.
Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde, die Erstmitbeteiligte und die Zweitmitbeteiligte Gegenschriften erstatteten - die Viert - und Fünfmitbeteiligten haben von der Erstattung einer Gegenschrift ausdrücklich Abstand genommen -, hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Zu der im Beschwerdefall zu beantwortenden Frage nach der Versicherungspflicht eines angestellten Rechtsanwaltes hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 2000/08/0069, ausgesprochen, dass die Ausübung der Rechtsanwaltstätigkeit im Rahmen eines Dienstverhältnisses - neben der Teilnahme an der Versorgungseinrichtung der jeweiligen Rechtsanwaltskammer - zur Vollversicherung nach dem ASVG und zur Arbeitslosenversicherung nach dem AlVG führe. Im Übrigen hätte die belangte Behörde - ebenso wie im Beschwerdefall - den Abspruch im Bescheid des Landeshauptmannes beheben müssen, weil dieser über die Teilversicherung in der Kranken- und Unfallversicherung sowie über die Arbeitslosenversicherung abgesprochen habe, während die erstinstanzliche Behörde über die Vollversicherung nach dem ASVG und die Arbeitslosenversicherung nach dem AlVG entschieden habe. Auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
Auch im vorliegenden - sachverhaltsbezogen gleichgelagerten - Fall hat der Landeshauptmann nicht - wie die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse - über die Vollversicherungspflicht entschieden, deren Vorliegen er im Übrigen nach der dargestellten Rechtslage hätte bejahen müssen, sodass der angefochtenen Bescheid aus den genannten Gründen inhaltlich rechtswidrig ist und gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Schlagworte | Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3 sachliche Zuständigkeit |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2004:2000080151.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
CAAAE-34393