VwGH vom 21.09.1993, 92/08/0016
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom , Zl. IV b/7022/7100 B, betreffend Anspruch auf Karenzurlaubsgeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, die vom bis Vertragsbedienstete des Bundes war, befand sich nach dem insoweit unstrittigen Akteninhalt im Anschluß an die Frist gem. § 3 Abs. 1 Mutterschutzgesetz 1979 BGBl. 1979/221 aufgrund der Geburt ihres ersten Kindes () vom bis in Karenzurlaub nach § 15 leg. cit. Danach wurde der Beschwerdeführerin auf ihr Ansuchen hin und unter Berücksichtigung ihrer neuerlichen Schwangerschaftsmeldung vom Dienstgeber gemäß § 29 b Abs. 1 iVm Abs. 4 VertragsbedienstetenG BGBl. 1948/86 idF BGBl. 1990/180 ein Karenzurlaub für die Zeit vom bis gewährt.
Am brachte die Beschwerdeführerin ihr zweites Kind zur Welt und bezog vom bis Wochengeld. Sie befand sich vom bis auf Karenzurlaub gemäß § 15 Mutterschutzgesetz 1979.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom wurde der Bescheid des Arbeitsamtes Versicherungsdienste vom , mit welchem der Antrag der Beschwerdeführerin vom auf Zuerkennung des Karenzurlaubsgeldes aus Anlaß der Geburt ihres zweiten Kindes abgewiesen worden war, gemäß § 26 Abs. 1 Z. 1 lit a und Abs. 2 iVm § 14 AlVG 1977, BGBl. Nr. 609/1977 in der geltenden Fassung, mangels Erfüllung der Anwartschaft bestätigt.
Nach Zitierung der in Anwendung gebrachten gesetzlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde begründend aus, die Beschwerdeführerin habe anläßlich ihrer Einvernahme vom angegeben, nach ihrem Karenzurlaubsgeldbezug bis keiner Beschäftigung nachgegangen zu sein. Sie sei unter Entfall der Bezüge vom Dienst freigestellt gewesen. Während der Mutterschutzfrist vom bis (= 113 Tage) habe sie von ihrem Dienstgeber wieder die vollen Bezüge erhalten und sei für diesen Zeitraum bei der Gebietskrankenkasse zur Sozialversicherung angemeldet worden. Da sie bereits einmal Arbeitslosengeld bezogen habe, sei die Anwartschaft gemäß § 14 Abs. 2 erster Satz AlVG in der Rahmenfrist vom bis zu erfüllen. Diese Rahmenfrist könne auf Grund ihres Bezuges von Karenzurlaubsgeld vom bis und auf Grund ihres Karenzurlaubes vom bis bis zum erstreckt werden. Innerhalb dieser erweiterten Rahmenfrist lägen 113 Tage (d.s. 16 Wochen und 1 Tag), die auf die Anwartschaft anzurechnen und bei ihrem Karenzurlaubsgeldbezug vom bis noch nicht berücksichtigt worden seien, sodaß zur Erfüllung der Anwartschaft noch 27 Tage fehlten (d.s. 3 Wochen und 6 Tage).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, daß der von ihr gemäß § 29 b Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 4 VBG 1948 idF BGBl. 1990/180 in Anspruch genommene Karenzurlaub in der Zeit vom bis als arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung zu werten sei, da sie trotz Dienstfreistellung unter Entfall der Bezüge nach wie vor im Beschäftigungsstand des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft gestanden sei. Aus diesem Grund sei die Zeit dieses Karenzurlaubes auf die Anwartschaft anzurechnen, sodaß die für den Anspruch auf Karenzurlaubsgeld erforderliche Anwartschaft gemäß § 14 Abs. 2 erster Satz AlVG erfüllt sei.
Gemäß § 26 Abs. 1 Z. 1 AlVG haben Anspruch auf Karenzurlaubsgeld a) Mütter, die die Anwartschaft erfüllt haben und b) sich aus Anlaß der Mutterschaft in einem Karenzurlaub bis zum Höchstausmaß von zwei Jahren vom Tag der Geburt des Kindes an gerechnet befinden oder deren Dienst(Ausbildungs-, Lehr-)verhältnis von ihnen wegen der bevorstehenden oder erfolgten Entbindung oder vom Dienstgeber gelöst oder durch Zeitablauf beendet wurde, wenn infolge der Entbindung auf Grund des Dienst(Ausbildungs-, Lehr-)verhältnisses Anspruch auf Wochengeld entstanden ist; die Voraussetzung, daß Anspruch auf Wochengeld entstanden sein muß, entfällt bei Müttern, die während der Schutzfrist gemäß §§ 3 und 5 des Mutterschutzgesetzes 1979 keinen Anspruch auf Wochengeld haben, weil die diesbezüglichen krankenversicherungsrechtlichen Vorschriften einen solchen Anspruch nicht vorsehen, bzw. bei Müttern, denen nur deswegen kein Anspruch auf Wochengeld entstanden ist, weil sie sich zu dem Zeitpunkt, in dem Anspruch auf Wochengeld entstanden wäre, in Anstaltspflege befunden haben und c) deren neugeborenes Kind mit ihnen im selben Haushalt lebt und von ihnen überwiegend selbst gepflegt wird, wobei diese Voraussetzungen nicht erforderlich sind, solange sich das Kind in einer Krankenanstalt in Pflege befindet.
Gemäß § 26 Abs. 2 AlVG sind bei der Beurteilung der Frage, ob die Anwartschaft erfüllt ist, § 14 Abs. 1 erster Satz und Abs. 2 sowie § 15 leg. cit. sinngemäß anzuwenden. Handelt es sich jedoch (u.a.) um Mütter, die bereits einmal Arbeitslosengeld bezogen haben, sind auch bei der erstmaligen Inanspruchnahme des Karenzurlaubsgeldes § 14 Abs. 2 und § 15 leg. cit. sinngemäß anzuwenden. Auf die Anwartschaft sind die in § 14 Abs. 4 angeführten Zeiten, sowie hier nicht in Betracht kommende Lehr- und Ausbildungszeiten anzurechnen. Alle diese Zeiten dürfen bei der Ermittlung der Anwartschaft nur einmal berücksichtigt werden.
Gemäß § 14 Abs. 2 AlVG ist bei jeder weiteren Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten zwölf Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 20 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Die Anwartschaft ist im Falle einer weiteren Inanspruchnahme auch dann erfüllt, wenn der Arbeitslose die Anwartschaft gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz erfüllt (das heißt, wenn er in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches insgesamt 52 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war).
Gemäß § 15 Abs. 1 lit. a AlVG verlängern sich die Rahmenfristen des § 14 Abs. 1 bis Abs. 3 AlVG u.a. um Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Inland in einem arbeitslosenversicherungsfreien Dienstverhältnis gestanden ist und gemäß § 15 Abs. 1 Z. 1 lit g AlVG um Zeiträume, in denen der Arbeitslose einen Karenzurlaub im Sinne der gesetzlichen Vorschriften zurückgelegt bzw. Karenzurlaubsgeld bezogen hat.
§ 29 b VBG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. 1990/180 lautet (auszugsweise):
"(1) Dem Vertragsbediensteten kann auf sein Ansuchen ein Urlaub unter Entfall der Bezüge (Karenzurlaub) gewährt werden, sofern nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen.
(2) Die Zeit des Karenzurlaubes ist für Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängen, nicht zu berücksichtigen.
(3) Sind für die Gewährung eines Karenzurlaubes andere als private Interessen des Vertragsbediensteten maßgebend und liegen berücksichtigungswürdige Gründe vor, so kann die zuständige Zentralstelle verfügen, daß die gemäß Abs. 2 mit der Gewährung des Karenzurlaubes verbundenen Folgen nicht oder nicht im vollen Umfang eintreten.
(4) Für die Gewährung eines Karenzurlaubes, der ununterbrochen mehr als sechs Monate dauern soll, ausgenommen er soll im Anschluß an einen Karenzurlaub gemäß § 15 Abs. 1 des Mutterschutzgesetzes 1979 gewährt werden„ sowie für eine Verfügung gemäß Abs. 3 ist die Zustimmung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Finanzen erforderlich."
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist ausschließlich strittig, ob der von der Beschwerdeführerin in der Zeit vom bis gemäß § 29 b Abs. 1 iVm Abs. 4 VBG 1948 idF BGBl. 1990/180 in Anspruch genommene Karenzurlaub als arbeitslosenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu werten und auf die für den Anspruch auf Karenzurlaubsgeld erforderliche Anwartschaft anzurechnen, oder ob dieser Zeitraum als arbeitslosenversicherungsfreies Dienstverhältnis im Sinn des § 15 Abs. 1 lit. a AlVG lediglich bei der Erstreckung der Rahmenfrist zu berücksichtigen ist.
Voraussetzung für die Gewährung einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung ist die Erfüllung der Anwartschaft, welche grundsätzlich durch arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungszeiten in der vorgeschriebenen Dauer in der festgelegten Rahmenfrist erworben wird.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Arbeitslosenversicherungspflicht nach § 1 Abs. 1 lit. a AlVG das Vorliegen dreier kumulativer Tatbestandsmerkmale voraus:
1) Bestand eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG,
2) Vorliegen einer gesetzlichen Krankenversicherung entweder in Form einer Pflichtversicherung oder Selbstversicherung nach § 19 a ASVG und
3) mangelnde Zugehörigkeit zum ausgeschlossenen Personenkreis nach § 1 Abs. 2 AlVG (vgl. dazu das Erkenntnis vom , Zl. 83/08/0083, Slg. Nr. 11.600/A).
Beginn und Ende der Arbeitslosenversicherungspflicht richten sich nach den §§ 10 bis 12 ASVG. Gemäß § 11 Abs. 1 ASVG endet die Pflichtversicherung, und damit auch die Arbeitslosenversicherungspflicht, jedenfalls mit Ende des Beschäftigungs-, Lehr- oder Ausbildungsverhältnisses. Fällt jedoch der Zeitpunkt, an dem der Anspruch auf Entgelt endet, nicht mit dem Zeitpunkt des Endes des Beschäftigungsverhältnisses zusammen, so erlischt die Pflichtversicherung mit dem Ende des Engeltanspruches.
Gemäß § 11 Abs. 3 lit. a ASVG besteht die Pflichtversicherung, wenn das Beschäftigungsverhältnis nicht früher beendet, wird für die Zeit einer Arbeitsunterbrechung infolge Urlaubs ohne Entgeltzahlung, sofern der Urlaub die Dauer eines Monats nicht überschreitet, weiter.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erlischt zwar durch eine einen Monat übersteigende Karenzierung der beiderseitigen Hauptpflichten (Arbeitspflicht bzw. Entgeltpflicht) die Pflichtversicherung nach dem ASVG, nicht aber das (als Beschäftigungsverhältnis im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG zu qualifizierende) Arbeitsverhältnis (vgl. dazu die Erkenntnisse vom , Zl. 83/08/0083, Slg. Nr. 11.600/A, vom , Zl. 86/08/0012, und vom , Zl. 92/08/0047).
Im Fall einer einen Monat übersteigenden Karenzierung eines solchen Arbeitsverhältnisses erlischt jedoch die Pflichtversicherung ab dem Tag der Rechtswirksamkeit der Karenzierung, d.h. mit dem Ende des Entgeltanspruches (vgl. dazu das Erkenntnis vom , Zl. 83/08/0164).
Unter Beachtung dieser oben wiedergegebenen Grundsätze hat die belangte Behörde den von der Beschwerdeführerin gemäß § 29b Abs. 1 iVm Abs. 4 VBG 1948 idF BGBl. 1990/180 in Anspruch genommen - unbestrittenermaßen - einen Monat übersteigenden Karenzurlaub zutreffend als arbeitslosenversicherungsfreies Dienstverhältnis und somit als nur rahmenfristerstreckenden Tatbestand gemäß § 15 Abs. 1 Z. 1 lit. a AlVG gewertet (vgl. dazu das Erkenntnis vom , Zl. 81/08/0173, Slg. Nr. 10632/A).
Dadurch, daß die Beschwerdeführerin aus Anlaß der Geburt ihres ersten Kindes bereits eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung in Anspruch genommen hat, wurden alle bis dahin erworbenen und nicht nur die bereits berücksichtigten (erforderlichen) Zeiten verbraucht (vgl. dazu das Erkenntnis vom , Zl. 395/80, Slg. Nr. 10.173/A), sodaß von der belangten Behörde daher zu Recht lediglich die Zeit des Wochengeldbezuges vom bis (= 16 Wochen und 1 Tag) gemäß § 14 Abs. 4 lit. c AlVG auf die Anwartschaft in Anrechnung gebracht werden konnte.
Die belangte Behörde hat aus den dargelegten Gründen den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Karenzurlaubsgeld gemäß § 26 Abs. 1 Z. 1 lit. a AlVG mangels Erfüllung der Anwartschaft zu Recht verneint, sodaß die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.