VwGH vom 15.10.2003, 2000/08/0116
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Dr. F in E, vertreten durch Dr. Alfred Feitsch, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Hetzgasse 45, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. GS8-9395-2000, betreffend Erstattung von Beiträgen gemäß § 70 Abs. 5 ASVG (mitbeteiligte Partei:
Pensionsversicherungsanstalt, vertreten durch Dr. Hans Pernkopf, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Mölkerbastei 10), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens steht folgender Sachverhalt außer Streit:
Der Beschwerdeführer wurde mit Wirkung vom zum Universitätsassistenten an der Wirtschaftsuniversität Wien bestellt. Mit Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr vom wurde das zeitlich begrenzte Dienstverhältnis als Universitätsassistent mit Wirkung vom in ein Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit umgewandelt. Mit weiterem Bescheid des genannten Bundesministers vom wurde dem Beschwerdeführer antragsgemäß zur Ermöglichung der Tätigkeit an der Fachhochschule Wiener Neustadt gemäß § 160 BDG eine Freistellung unter Entfall der Bezüge für die Zeit vom bis einschließlich gewährt. Die Zeit dieser Freistellung ist - so der genannte Bescheid - gemäß § 160 Abs. 2 BDG für die Vorrückung in höhere Bezüge und für die Bemessung des Ruhegenusses zu berücksichtigen; weiters hat der Beschwerdeführer gemäß § 22 Abs. 1 Gehaltsgesetz den Pensionsbeitrag weiterhin monatlich zu entrichten. Der Beschwerdeführer war auf Grund seiner Tätigkeit an der Fachhochschule Wiener Neustadt (für Wirtschaft und Technik GmbH) im Zeitraum vom bis in der Pensionsversicherung nach dem ASVG pflichtversichert.
Mit Bescheid vom erstattete die mitbeteiligte Partei dem Beschwerdeführer antragsgemäß die Beiträge zur Pensionsversicherung für den Zeitraum Oktober 1997 bis Dezember 1998.
Mit Schreiben vom begehrte der Beschwerdeführer die Beitragserstattung gemäß § 70 Abs. 5 ASVG für das Kalenderjahr 1999.
Mit Schreiben vom teilte die Wirtschaftsuniversität Wien der mitbeteiligten Partei mit, dass der Beschwerdeführer mit aus dem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis ohne Anspruch auf Ruhegenuss ausgeschieden sei. Für die Bundesdienstzeit vom bis (77 Monate) wurde ein gemäß § 311 ASVG zu leistender Überweisungsbetrag von S 179.513,95 errechnet und der mitbeteiligten Partei im Jänner 2000 überwiesen.
Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom auf Erstattung der von ihm entrichteten Beiträge zur Pensionsversicherung gemäß § 70 Abs. 5 ASVG ab. In der Begründung wurde dazu ausgeführt, mit Beendigung des Karenzurlaubes habe das ruhegenussfähige Dienstverhältnis geendet. Im durchzuführenden Überweisungsverfahren gemäß § 311 Abs. 1 ASVG würden die öffentlich-rechtlichen Dienstzeiten als Versicherungsmonate im Sinne des ASVG zur Anrechnung vorgemerkt werden. Ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis liege somit nicht mehr vor. Eine Erstattung von sich deckenden ASVG-Versicherungszeiten sei nicht vorgesehen.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde dem Einspruch des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid bestätigt. In der Begründung führte die belangte Behörde zu dem eingangs dargestellten unstrittigen Sachverhalt aus, § 70 Abs. 5 ASVG könne nur dann zur Anwendung kommen, wenn das pensionsversicherungsfreie Dienstverhältnis nach Beendigung des Karenzurlaubes weiter fortbestehe. Der Wille des Gesetzgebers gehe ganz offenkundig dahin, pragmatisierten Beamten, die vorübergehend gegen Entfall des Entgeltes beurlaubt werden, um einer nach dem ASVG pensionsversicherungspflichtigen Beschäftigung nachzugehen, die Möglichkeit einzuräumen, sich die Hälfte der Pensionsversicherungsbeiträge nachträglich erstatten zu lassen, um auf diese Weise Härtefälle zu vermeiden. Dies könne nicht nur aus den Ausführungen im Ausschussbericht zum ASRÄG 1997, sondern auch aus dem 2. Satz des § 70 Abs. 5 ASVG abgeleitet werden.
Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Erstattung der während seines Karenzurlaubes in der Pensionsversicherung nach dem ASVG entrichteten Beiträge verletzt. Er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der durch das ASRÄG 1997, BGBl. I Nr. 139/1997, eingeführte § 70 Abs. 5 ASVG lautet:
"Versicherte, die im Rahmen eines pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnisses gegen Entfall der Bezüge beurlaubt sind (Karenzurlaub) und während des Karenzurlaubes eine die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz begründende Erwerbstätigkeit ausüben, können beantragen, dass ihnen die auf Grund dieser Erwerbstätigkeit für nach dem liegende Zeiten des Karenzurlaubes, soweit diese für die ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit angerechnet werden, entrichteten Beiträge erstattet werden; hiebei ist als Beitragssatz jeweils die Hälfte der Summe der Beitragssätze gemäß § 51 Abs. 1 Z 3 lit. a und § 51a zur Zeit der Entrichtung heranzuziehen. Der Antrag auf Erstattung ist beim zuständigen Pensionsversicherungsträger zu stellen und bedarf zu seiner Wirksamkeit einer Bestätigung über die Anrechenbarkeit des Karenzurlaubes für die ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit. Die Beiträge sind aufgewertet mit dem der zeitlichen Lagerung entsprechenden Aufwertungsfaktor (§ 108 Abs. 4) zu erstatten. Mit der Erstattung der Beiträge erlöschen alle Ansprüche und Berechtigungen aus der Pensionsversicherung, die aus den Versicherungsmonaten erhoben werden können, für die die Beiträge erstattet wurden."
Im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales, 912 BlgNR 20. GP, S 6 wird dazu ausgeführt:
"Durch die vorgeschlagene Novellierung soll jenen Personen, die neben einer nach dem ASVG pensionsversicherungspflichtigen Beschäftigung in einem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis stehen und gegen Entfall des Entgeltes beurlaubt wurden, die Möglichkeit eröffnet werden, sich die Hälfte des Beitrages der Pensionsversicherung (11,4 % der Beitragsgrundlage) erstatten zu lassen. Damit sollen Härtefälle verhindert werden."
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom , 99/08/0086, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG hingewiesen wird, mit der Auslegung dieser Bestimmung befasst. Er hat unter Hinweis auf die Entwicklungsgeschichte des § 308 ASVG ausgeführt, dass die Erstattung gemäß § 70 Abs. 5 ASVG das Fortbestehen eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses - sei es im Aktivstand, sei es im Ruhestand - nach Beendigung des Karenzurlaubes voraussetze.
Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben: Der Beschwerdeführer ist mit Beendigung des Karenzurlaubes aus dem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis ohne Anspruch auf Ruhegenuss ausgeschieden. Anlässlich dieses Ausscheidens aus dem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis wurde ein Überweisungsbetrag nach § 311 ASVG an die mitbeteiligte Partei geleistet und zwar für die gesamte Bundesdienstzeit, also inklusive der Zeiten des Karenzurlaubes. Gemäß § 313 ASVG gelten diese Monate, sofern sie in dem Überweisungsbetrag als Versicherungsmonat im Sinne dieses Bundesgesetzes berücksichtigt worden waren, als Versicherungsmonat im Sinne des ASVG. Der Beschwerdeführer ist damit so gestellt, als ob er während seines Dienstverhältnisses als Universitätsassistent nach dem ASVG pflichtversichert gewesen wäre. Da somit keine "ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit" mehr vorhanden ist, weil das pensionsversicherungsfreie Dienstverhältnis bereits durch den Überweisungsbetrag an die mitbeteiligte Partei liquidiert wurde und nur mehr eine Pflichtversicherung nach dem ASVG besteht, kann die Voraussetzung des § 70 Abs. 5 ASVG nicht mehr erfüllt werden.
Dennoch ist die Beschwerde begründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich in dem genannten Erkenntnis auch ausgesprochen, dass in Fällen, in denen erst durch die Leistung eines Überweisungsbetrages einander deckende Beitragszeiten nach dem ASVG zustande gekommen seien, § 70 Abs. 2 ASVG anwendbar sei. Ein auf § 70 Abs. 5 ASVG gestütztes Erstattungsgesuchen sei in diesen Fällen auch unter dem Gesichtspunkt des § 70 Abs. 2 ASVG zu prüfen. Die belangte Behörde hätte daher den Beschwerdeführer zur Klärung der Frage, ob er unter den gegebenen rechtlichen Umständen an seinem Erstattungsanspruch festhält oder die Höheversicherung des § 70 Abs. 1 ASVG in Anspruch nehmen möchte, zu hören gehabt. Da die belangte Behörde dies unter Verkennung der Rechtslage unterlassen hat, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II 333/2003. Das auf den Ersatz der Beschwerdegebühr gerichtete Mehrbegehren war im Hinblick auf die auch vor dem Verwaltungsgerichtshof bestehende sachliche Abgabenfreiheit gemäß § 110 ASVG abzuweisen.
Wien, am