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VwGH vom 25.07.1990, 86/17/0195

VwGH vom 25.07.1990, 86/17/0195

Beachte

Besprechung in:

ÖStZB 1991/410;

Betreff

A gegen Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. MDR-K 28/86, betreffend Zulässigkeit eines Antrages auf Festsetzung von Anzeigenabgabe

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.380,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Schriftsatz vom stellte der Rechtsanwalt Dr. J (der sich auf eine beigelegte Vollmacht berief und auch in der Niederschrift vom vom Vertreter der beschwerdeführenden Partei, Dkfm. Dr. H, als bevollmächtigter Vertreter bezeichnet wurde) namens der beschwerdeführenden Partei den auf § 149 Abs. 2 WAO gestützten Antrag an den Magistrat der Stadt Wien, "die für die den Gastwirtschaftsbetrieb in der Betriebsart einer Bar mit der Etablissementbezeichnung 'X' (die Hinteransicht eines Pferdes in Stöckelschuhen darstellend) eingeschaltete Anzeige abgeführte Abgabe nach dem Wiener Anzeigenabgabegesetz 1983 für den Zeitraum ab mittels Bescheides festzusetzen", da sich die Selbstbemessung als unrichtig erwiesen habe. Nach der Begründung dieses Antrages schalte die beschwerdeführende Partei über Auftrag einer Werbeargentur in der periodischen Tageszeitung "Kurier" Anzeigen ein, welche für den genannten Betrieb werben. Seit dem stehe die Abgabenverwaltung auf dem Standpunkt, daß es sich bei den genannten Anzeigen um solche handle, welche unter § 4 Abs. 1 zweiter Satz des Wiener Anzeigenabgabegesetzes 1983, LGBl. Nr. 22 in der Fassung LGBl. Nr. 29/1984 (im folgenden: Wr AnzeigenAbgG 1983), fielen. Um sich nicht einer Bestrafung gemäß § 9 leg. cit. auszusetzen, habe die beschwerdeführende Partei diesem Standpunkt Rechnung getragen und von den die Bemessungsgrundlage bildenden Entgelten 40 v.H. abgeführt. Die Anzeigenabgabe sei eine Selbstbemessungsabgabe. Die Beschwerdeführerin habe daher lediglich im Wege des § 149 WAO die Möglichkeit, eine unrichtige Ansicht der Abgabenverwaltung zu bekämpfen.

Rechtsanwalt Dr. J war (auch) Rechtsvertreter des betreffenden Inseratenkunden der beschwerdeführenden Partei.

1.2. Mit Bescheid vom wies der Magistrat der Stadt Wien diesen Antrag als unzulässig zurück. Nach der Begründung dieses Bescheides sei auf Grund einer Revision vom

16. und 22. Mai das Revisionsergebnis mit Niederschrift vom der Vollmachtgeberin (der beschwerdeführenden Partei) zur Kenntnis gebracht und von dieser anerkannt worden. Bei dieser Sach- und Rechtslage sei es dem Magistrat verwehrt, eine bescheidmäßige Absprache durchzuführen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die von der beschwerdeführenden Partei ohne Mitwirkung eines Anwaltes verfaßte Berufung vom . Die im erstinstanzlichen Bescheid genannte Niederschrift vom , die im Zuge der normalen Anzeigenabgabeprüfung erfolgt sei, beinhalte keinesfalls die rechtliche Anerkennung der auf Grund der Revisionen bzw. Niederschriften vom sowie für die beschwerdeführende Partei offene Causa "X". Die überhöht mit 40 % statt mit 10 % abgeführte Anzeigenabgabe betreffend das "X" werde nicht anerkannt. Da es im Abgabenverfahren offenbar nicht möglich sei, zu einer Entscheidung in der Sache selbst zu kommen, ohne daß ihrem Rechtsvertreter Dr. J die gesamten Abgabenbeträge bekanntgegeben würden, werde mitgeteilt, daß die Beschwerdeführerin unter einem die Vollmacht des Genannten mit sofortiger Wirkung "aufhebe".

1.3. Mit Bescheid vom wies die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien diese Berufung als unbegründet ab. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, aus § 149 Abs. 2 WAO (arg. DIE ABGABE) sei zu ersehen, daß es unzulässig sei, die Abgabenvorschreibung nur für einen bestimmten, vom Abgabepflichtigen ausgewählten Tatbestand vorzunehmen, sofern die spezielle Abgabenvorschrift selbst eine solche Vorgangsweise nicht vorsehe ( Zl. 81/17/0060). Diese Rechtsauffassung finde eine weitere Stütze in der Regelung des § 146 Abs. 2 WAO, wonach Abgabenbescheide im Spruch die Art und die Höhe der Abgaben, den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit und die Grundlagen der Abgabenfestsetzung (Bemessungsgrundlagen) zu enthalten hätten. Gemäß § 7 Wr AnzeigenAbgG 1983 habe der Abgabepflichtige für jeden Monat bis längstens 14. des darauf folgenden Monates dem Magistrat unaufgefordert eine Abrechnung über die für die Vornahme oder Verbreitung von Anzeigen aller Art vereinnahmten Entgelte vorzulegen und innerhalb der gleichen Frist den sich danach ergebenden Abgabenbetrag an die Stadt Wien bar oder mittels Überweisung einzuzahlen.

Daraus sei zu ersehen, daß die Abgabenerklärung SÄMTLICHE für den jeweiligen Monat vereinnahmten anzeigeabgabepflichtigen Entgelte zu enthalten habe. Gleiches müsse für einen etwaigen Abgabenbescheid gelten. Die beschwerdeführende Partei habe am den (oben unter Punkt 1.1.) wiedergegebenen Antrag gestellt. Da unbestritten sei, daß die vereinnahmten Entgelte nicht allein für die Aufnahme der erwähnten Anzeigen erzielt worden seien, sei der Antrag auf Erlassung eines Abgabenbescheides für einen bestimmten von ihr ausgewählten Tatbestand gerichtet. Für einen solchen Antrag gebe es keine gesetzliche Grundlage, sodaß die Zurückweisung durch die Abgabenbehörde erster Instanz im Ergebnis richtig sei.

1.4. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf richtige Anwendung der WAO, insbesondere des § 149 Abs. 2 leg. cit. verletzt erachtet. Bei richtiger Anwendung dieses Gesetzes hätte der beantragte Bescheid erlassen werden müssen und hätte die Beschwerdeführerin gegebenenfalls die zuviel entrichtete Abgabe rückerstattet erhalten.

Richtig sei zwar, daß sich der abzuführende Betrag nach der Gesamtsumme der im Abrechnungszeitraum vereinnahmten Entgelte richte. Die belangte Behörde gehe aber nicht auf jene Bestimmungen des Wiener Anzeigenabgabegesetzes ein, die ausdrücklich von der Abgabe im Einzelfall sprächen. Gemäß § 3 Abs. 3 leg. cit. sei der Abgabepflichtige berechtigt, den Abgabebetrag von dem, der die Anzeige veranlasse, einzuziehen. Diese Bestimmung spreche nicht von einem Abgabenteilbetrag. Da die Abgabe lediglich auf Grund des konkreten Einzelfalls berechnet werde und auch nur diesen konkreten Einzelfall erfasse, sei auch die bescheidmäßige Festsetzung der für den Einzelfall zu entrichtenden Abgabe zulässig und unter den Voraussetzungen des § 149 Abs. 2 WAO vorzunehmen.

Auch zur Berechnung des gesamten für den Abrechnungszeitraum abzuführenden Betrages müsse auf den Einzelfall eingegangen werden. Der Antrag auf bescheidmäßige Festsetzung der zu entrichtenden Abgabe hinsichtlich der Einschaltungen der Bar "X" durch die Beschwerdeführerin umfasse - sollte die Festsetzung einer Abgabe für die einzelnen Einschaltungen nicht möglich sein - denknotwendig den Antrag auf bescheidmäßige Festsetzung der für den Abrechnungszeitraum abzuführenden Abgabe, beruhend auf der Gesamtsumme der vereinnahmten Entgelte.

1.5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. § 4 Abs. 1 Wr AnzeigenAbgG 1983 in der Fassung LGBl. Nr. 29/1984 lautet:

"Die Abgabe beträgt 10 vH des für die Vornahme oder Verbreitung der Anzeige entrichteten Entgeltes. Bei Anzeigen, mit denen nach der zeitgemäßen Gesellschaftsauffassung Tätigkeiten angeboten werden, die als Prostitution, Beischlaf oder als unzüchtige Handlungen anzusehen sind, beträgt die Abgabe jedoch 40 vH des für die Vornahme oder Verbreitung der Anzeige entrichteten Entgeltes."

§ 146 WAO bestimmt:

"(1) Soweit die Abgabenvorschriften nicht anderes zulassen, hat die Abgabenbehörde die Abgaben durch Abgabenbescheide festzusetzen.

(2) Abgabenbescheide haben im Spruch die Art und Höhe der Abgaben, den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit und die Grundlagen der Abgabenfestsetzung (Bemessungsgrundlagen) zu enthalten."

§ 149 WAO lautet:

"(1) Wenn die Abgabenvorschriften die Selbstbemessung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung der Abgabe zulassen, gilt die Abgabe durch die Einreichung der Erklärung über die Selbstbemessung festgesetzt.

(2) Die Abgabenbehörde hat die Abgabe mit Bescheid festzusetzen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung der Erklärung unterläßt oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstbemessung als unrichtig erweist. Von der bescheidmäßigen Festsetzung ist abzusehen, wenn der Abgabepflichtige nachträglich die Mängel behebt."

2.2. Die belangte Behörde hat zu Recht ausgeführt, daß die Abgabenerklärung über die Anzeigenabgabe sämtliche im Bemessungszeitraum vereinnahmten anzeigeabgabepflichtigen Entgelte zu enthalten hat. Zutreffend ist auch die Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 81/17/0060, Slg.N.F. Nr. 5781/F, wonach die Behörde im Fall bescheidmäßiger Festsetzung DIE ABGABE und nicht etwa nur restliche Abgaben vorzuschreiben hat. Was dort in Anwendung des § 150 Abs. 1 und 2 Tir LAO (1963) für restliche Abgabenschuldigkeiten ausgeführt wurde, gilt im Beschwerdefall nach der entsprechenden Bestimmung des § 146 WAO auch für bestimmte, aus der Gesamtheit der Abgaben eines Bemessungszeitraumes herausgegriffene einzelne Abgabenvorfälle, deren unrichtige Selbstbemessung behauptet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag der belangten Behörde aber bei der Deutung des Begehrens der beschwerdeführenden Partei nicht zu folgen. Gewiß hat der Antrag der beschwerdeführenden Partei vom den oben und auch im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Wortlaut. Dies schließt aber keineswegs aus, daß die Abgabenbehörde aus Anlaß dieses Antrages die bescheidmäßige Festsetzung der gesamten Abgabe vornimmt, ist es ihr doch nach der zitierten Rechtsprechung nicht anders möglich, ihrer Verpflichtung zur bescheidmäßigen Erledigung des Begehrens in der Sache selbst nachzukommen. Die Behörde ist eben verpflichtet, wenn ihr eine Unrichtigkeit der Selbstbemessung bekannt wird, den entsprechenden Abgabenbescheid zu erlassen. In diesem Sinn würde auch ein Rückerstattungsantrag, der nur einen Teil der im Selbstbemessungsweg abgeführten Abgabe betrifft, die Pflicht zur bescheidmäßigen Festsetzung DER ABGABE auslösen, denn die Behörde ist, wenn ihr eine Unrichtigkeit der Selbstbemessung bekannt wird, verpflichtet, einen abgaberechtlichen Bescheid zu erlassen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 85/17/0050 und vom , Zl. 88/17/0242, sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

In diesem Sinn läßt der ursprüngliche Antrag vom eine über seinen Wortlaut hinausgehende Deutung zu. Denn was die Beschwerdeführerin in Wahrheit anstrebte, war die bescheidmäßige Abgabenfestsetzung. Nachdem der erstinstanzliche Bescheid auf diesen Aspekt der Rechtsfrage überhaupt nicht Bezug genommen, sondern den Antrag - offenbar zu Unrecht (zumindest befindet sich eine Niederschrift vom mit dem behauptetenen Inhalt nicht im Akt) - wegen Zurkenntnisnahme des Revisionsergebnisses zurückgewiesen hatte, erfolgte (neben der Bekämpfung dieser Begründung) die Darstellung des Parteiwillens sodann unmißverständlich in der Berufung vom . Dort wird zunächst wie schon im Antrag vom ausdrücklich die überhöhte Summe der abgeführten Anzeigenabgabe betreffend das "X" geltend gemacht. Weiters heißt es dort, da es im Abgabenverfahren offenbar nicht möglich sei, zu einer Entscheidung in der Sache zu kommen, ohne daß dem Rechtsvertreter Dr. J die gesamten Abgabenbeträge bekanntgegeben würden, sei dessen Vollmacht mit sofortiger Wirkung aufgekündigt worden. Dieses Berufungsvorbringen zeigt, daß die beschwerdeführende Partei die bescheidmäßige Abgabenfestsetzung in der gesetzlich allein möglichen Form wünscht und deswegen das Vollmachtsverhältnis mit dem Rechtsanwalt des Inseratenkunden, dem sie die Summe der Gesamtentgelte nicht zur Kenntnis gelangen lassen möchte, gelöst hat.

2.3. In Anbetracht dieses eben erörterten Inhaltes des Berufungsvorbringens erweist sich die von der belangten Behörde vorgenommene Deutung des Begehrens der beschwerdeführenden Partei auf Abgabenfestsetzung nur bezüglich des besonderen in Rede stehenden Inseratenentgeltes als unzutreffend.

Aus diesen Erwägungen folgt, daß die belangte Behörde die Berufung gegen den erstinstanzlichen Zurückweisungsbescheid zu Unrecht abgewiesen hat. Sie hat den angefochtenen Bescheid daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

Der angefochtene Bescheid war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Stempelgebührenersatz war für die Beschwerde in zweifacher Ausfertigung und den angefochtenen Bescheid in einfacher Ausfertigung, nicht aber für die bereits vergebührt vorgelegte Vollmachtsurkunde zuzusprechen. Das Mehrbegehren betreffend den Ersatz des Stempelgebührenaufwandes war abzuweisen.

2.5. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.