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VwGH vom 27.02.1992, 86/17/0169

VwGH vom 27.02.1992, 86/17/0169

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der Sparkasse XY in I, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom , Zl. 83.960-8/85, betreffend Festsetzung einer Zwangsstrafe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Auskunftersuchen gemäß § 99 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) vom ersuchte das von der Oberfinanzdirektion Nürnberg, BRD, mit Rechtshilfeersuchen gemäß dem Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen, BGBl. Nr. 249/1955 (in der Folge kurz: Vertrag), befaßte Finanzamt Innsbruck als Finanzstrafbehörde erster Instanz die Beschwerdeführerin - eine Sparkasse -, für Zwecke des vom Finanzamt Weiden, BRD, am gegen K in N, BRD, nach § 370 der deutschen Abgabenordnung (AO) wegen des Verdachtes einer vorsätzlichen Abgabenhinterziehung eingeleiteten Steuerstrafverfahrens um Auskunfterteilung betreffend die vom Beschuldigten bei diesem Kreditunternehmen unterhaltenen Konten, Sparbücher, Schließfächer, Depots und hinterlegten Wertsachen bzw. betreffend die den Beschuldigten angehenden Kreditakten. Da die erbetenen Auskünfte im Zusammenhang mit diesem Steuerstrafverfahren stünden, seien die Voraussetzungen des § 23 Abs. 2 Z. 1 Kreditwesengesetz, BGBl. Nr. 63/1979 (KWG), für die Auskunfterteilung gegeben.

In der Folge lehnte die Beschwerdeführerin eine vollständige Auskunfterteilung wegen der dadurch eintretenden Verletzung des Bankgeheimnisses ab. Durch die Auskunfterteilung würden wesentliche Interessen der Republik Österreich (im Sinne des Art. 6 Abs. 1 des Vertrages) gefährdet.

Nach Darlegung seines Rechtsstandpunktes, weswegen nach den Bestimmungen des Vertrages eine Rechtspflicht zur Erteilung der erbetenen Auskünfte durch die Beschwerdeführerin bestehe, drohte das Finanzamt Innsbruck als Finanzstrafbehörde erster Instanz der Beschwerdeführerin die Verhängung einer Zwangsstrafe gemäß § 56 Abs. 1 FinStrG in Verbindung mit § 111 BAO in Höhe von S 10.000,-- an und setzte mangels vollständiger Erfüllung des Auskunftersuchens auch in der Folge schließlich diese Strafe mit Bescheid vom fest.

Der gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobenen Beschwerde gab die belangte Behörde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid keine Folge. Dies nach Darstellung des Sachverhaltes, Anführung der einschlägigen Rechtsvorschriften unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 82/17/0087, im wesentlichen mit der Begründung, durch die (vollständige) Auskunfterteilung an das deutsche Finanzamt wären wesentliche Interessen der Republik Österreich nicht gefährdet worden; denn eine Durchbrechung des Bankgeheimnisses gegenüber in- bzw. ausländischen Finanzstrafbehörden sei nur im Zusammenhang mit der Aufklärung vorsätzlicher Abgabenhinterziehungen - also bei gravierenden Delikten - vorgesehen. Durch eine gelegentliche Durchbrechung des Bankgeheimnisses sei aber das Funktionieren des österreichishen Kreditapparates nicht beeinträchtigt. Von einer Erfüllung des Tatbestandes des Art. 6 Abs. 1 des Vertrages könne auch deswegen nicht gesprochen werden, weil die Bundesrepublik Deutschland zu GLEICHARTIGEN Rechtshilfeleistungen über Ersuchen Österreichs verpflichtet sei.

Mit Beschluß vom , B 535/86-10, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde unter Bezugnahme auf sein Erkenntnis vom , B 410/85, ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG ab.

Die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Ihrem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht verletzt, daß ihr wegen ihrer Weigerung zur Erteilung einer (vollständigen) Auskunft der oben beschriebenen Art keine Zwangsstrafe auferlegt werde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall strittige Rechtsfrage, wie die Bestimmung des § 23 Abs. 2 Z. 1 KWG im Verhältnis zu Bestimmungen (insbesondere der des Art. 5 Abs. 1) des Vertrages auszulegen ist, wurde durch das schon zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 82/17/0087, bereits klargestellt; insoweit genügt es daher gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG, auf die Entscheidungsgründe des in diesem Verfahren ergangenen Erkenntnisses zu verweisen.

Darüberhinaus ist aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles noch folgendes zu bemerken:

1. Die Beschwerdeführerin spricht den Verwaltungsinstanzen die SACHLICHE Zuständigkeit zur Erledigung des deutschen Rechtshilfeersuchens ab. Nach den anzuwendenden Rechtsvorschriften, nämlich § 15 AVOG in Verbindung mit den §§ 1 und 58 ff FinStrG in der Fassung vor der am in Kraft getretenen Novelle BGBl. Nr. 571/1985, seien die Finanzstrafbehörden nicht zuständig, "außerhalb eines INLÄNDISCHEN Strafverfahrens Ermittlungen für ein im AUSLAND anhängiges Strafverfahren durchzuführen".

Diese Ausführungen nehmen inhaltlich Bezug auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom , Zl. 16/1755/80, betreffend das Fehlen entsprechender Zuständigkeitsnormen für Hilfeleistungen nach dem Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Rechts- und Amtshilfe in Zoll-, Verbrauchsteuer- und Monopolangelegenheiten, BGBl. Nr. 430/1971. Dieses eben zitierte Erkenntnis war auch der Anlaß für eine Änderung des § 58 Abs. 3 FinStrG 1959 durch die Finanzstrafgesetznovelle 1985.

Die im vorliegenden Fall anzuwendenden, durch die Finanzstrafgesetznovelle 1985 ebenfalls berührten Zuständigkeitsbestimmungen des Vertrages lassen im Gegensatz zu den Zuständigkeitsbestimmungen des Vertrages BGBl. Nr. 430/1971 auch für die Rechtslage vor der Rechtsänderung nicht die Annahme zu, die Verwaltungsinstanzen seien zur Erledigung des Rechtshilfeersuchens und zur Stellung des Auskunftersuchens an die Beschwerdeführerin sachlich nicht zuständig gewesen. Dies schon deswegen nicht, weil es sich bei der Angelegenheit, zu deren Unterstützung die Auskunft eingeholt werden sollte, um eine von einem deutschen Finanzamt eingeleitete Finanzstrafsache handelt, die bei der gebotenen Transformation ins innerstaatliche Recht zwar des Aspektes "deutsche" entkleidet ist, nicht aber sich von einer VerwaltungsSTRAFsache zu einer keine Strafsache zum Gegenstand habenden Verwaltungssache gewandelt hat. Da nur im letzteren Fall die Verwaltungsinstanzen als sachlich unzuständige Behörden eingeschritten wären, erscheint daher die behauptete Verletzung der sachlichen Zuständigkeit nicht gegeben.

2. Die Beschwerdeführerin meint in ihrer Beschwerde weiters, das Auskunftersuchen sei ihr gegenüber deswegen nur mangelhaft begründet worden, weil für sie nicht eigenverantwortlich überprüfbar geworden sei, ob die Voraussetzungen des § 23 Abs. 2 Z. 1 KWG gegeben seien oder nicht.

Welche Informationen die Beschwerdeführerin im amtlichen Auskunftersuchen vermißt hat, geht aus ihrer Beschwerde gegen den die Zwangsstrafe festsetzenden erstinstanzlichen Bescheid des Finanzamtes Innsbruck als Finanzstrafbehörde erster Instanz hervor. Die Beschwerdeführerin führte darin aus, das Auskunftersuchen lasse nicht erkennen, durch welche Umstände ein Zusammenhang zwischen dem Finanzstrafverfahren und der Geschäftsbeziehung von K mit der Beschwerdeführerin begründet werde. Auch seien keine konkreten Umstände angeführt worden, die erkennen ließen, daß es sich um ein Verfahren wegen VORSÄTZLICHER Abgabenhinterziehung handle.

Der von der Beschwerdeführerin vermißte Zusammenhang zwischen dem wegen einer vorsätzlichen Abgabenhinterziehung in der Bundesrepublik Deutschland gegen K eingeleiteten Finanzstrafverfahren und von dessen Geschäftsbeziehung mit der Beschwerdeführerin ist im Rechtshilfeersuchen ausführlich dargelegt und findet auch in zusammenfassenden Feststellungen im Auskunftersuchen des Finanzamtes Innsbruck an die Beschwerdeführerin und im Ergänzungsschreiben dieses Amtes vom entsprechenden Niederschlag. Es liegen sohin nach der Aktenlage alle jene Voraussetzungen vor, die der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , B 410/85-12, als wesentliche Voraussetzungen für eine das Bankgeheimnis durchbrechende Auskunfterteilung durch Kreditunternehmen angeführt hat (i.e., daß ein Rechtshilfeersuchen vorliegt, mit dem die deutsche Behörde ein konkretes Verlangen stellt; weiters, daß den österreichischen Finanzbehörden im Zeitpunkt der Anfragen an das Kreditunternehmen Informationen zur Verfügung stehen, auf Grund derer zuverlässig beurteilt werden kann, ob in der BRD tatsächlich Verfahren laufen, die "Strafverfahren wegen vorsätzlicher Finanzvergehen, ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten" nach österreichischem Recht entsprechen, und ob die erbetenen Maßnahmen im Zusammenhang mit dem in der BRD geführten Verfahren stehen, wobei alle diese Voraussetzungen aus dem Rechtshilfeersuchen aktenkundig hervorgehen müssen).

Zu ergänzen ist, daß die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall nach der Aktenlage keine Akteneinsicht begehrt hat, obwohl ihr im Sinne des § 78 Abs. 2 lit. d BAO im Verfahren über eine Zwangs- oder Ordnungsstrafe Parteistellung zukommt und den Parteien gemäß § 90 Abs. 1 BAO grundsätzlich die Einsicht und Abschriftnahme der Akten oder Aktenteile zu gestatten ist, deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer abgabenrechtlichen Interessen oder zur Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten erforderlich ist. Ob bzw. inwiefern einer solchen Akteneinsicht die Bestimmung des Abs. 2 dieser Gesetzesstelle entgegengestanden wäre, braucht mangels eines Bemühens der Beschwerdeführerin um Akteneinsicht im vorliegenden Fall nicht erörtert zu werden.

3. Die Beschwerdeführerin vertritt weiters die Rechtsansicht, das Auskunftersuchen sei an sie schon deswegen zu Unrecht gestellt worden, weil das Bankgeheimnis wegen ausländischer Finanzstrafverfahren GENERELL nicht durchbrochen werden dürfe; Art. 6 Abs. 1 des Vertrages verbiete nämlich die Leistung von Rechtshilfe, wenn hiedurch wesentliche Interessen des ersuchten Staates gefährdet würden. Dies sei beim Bankgeheimnis der Fall, weil es nicht nur die Interessen der einzelnen Kunden, sondern "das allgemeine Interesse an einem funktionsfähigen Kreditapparat" schütze und damit ein volkswirtschaftliches Interesse Österreichs sichere.

Im Schlußprotokoll zu Art. 6 des Vertrages heißt es, daß zu den wesentlichen Interessen insbesondere die Wahrung der Hoheitsrechte und der Sicherheit gehöre. Der ersuchte Staat könne die Rechtshilfe hienach auch ablehnen, wenn die Anwendung seiner Rechtsvorschriften von einer Tatsache abhänge, die außerhalb seiner Rechtsordnung gelegen sei oder wenn sein Recht durch eine solche Tatsache betroffen sei.

Zu Art. 14 des Schlußprotokolls heißt es weiters, daß die Vereinbarung weitergehender Rechtshilfe in Abgabenstrafsachen in Aussicht genommen werde.

Der Beschwerdeführerin ist zuzugeben, daß das Funktionieren des österreichichen Kreditapparates einen Umstand darstellt, der bei Anwendung des Art. 6 Abs. 1 des Vertrages in Betracht zu ziehen ist. Der Verwaltungsgerichtshof ist jedoch nicht der Ansicht der Beschwerdeführerin, daß das Funktionieren des österreichischen Kreditapparates und damit auch ein wesentliches Interesse der Republik Österreich bereits dann gefährdet wäre, wenn infolge der gegebenen staatsvertraglichen Gleichstellung von deutschen Finanzstrafverfahren mit österreichischen Strafverfahren im Sinne des § 23 Abs. 2 Z. 1 KWG angenommen werden muß, daß die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses in bestimmten Ausnahmsfällen nicht besteht. Gewichtigstes Indiz hiefür ist, daß unter sonst gleichen Umständen im KWG auch eine Durchbrechung des Bankgeheimnisses zu Gunsten von österreichischen Strafverfahren wegen vorsätzlicher Finanzvergehen, ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten, vorgesehen ist, wobei im Verhältnis zum Ausland wohl kein anderer Beurteilungsmaßstab angebracht erscheint.

Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob ähnliche Wendungen in anderen Verträgen (vgl. hiezu beispielsweise Art. 2 lit. b des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen, BGBl. Nr. 41/1969) eine Verweigerung der internationalen Rechtshilfe mit Rücksicht auf die durch das Bankgeheimnis mitgeschützten Interessen Österreichs angezeigt erscheinen lassen oder nicht.

4. Die Beschwerdeführerin hält die Verhängung einer Zwangsstrafe im vorliegenden Fall schließlich deswegen für rechtswidrig, weil die Anordnung des Finanzamtes nicht im Sinne des § 111 Abs. 1 BAO "zur Erbringung von Leistungen, die sich wegen ihrer besonderen Beschaffenheit durch einen Dritten nicht bewerkstelligen lassen," getroffen worden sei. Die Auskunft hätte nämlich auch von einem Dritten, nämlich dem Beschuldigten K, erteilt werden können.

Dem ist entgegenzuhalten, daß die verlangte Bankauskunft der Wahrheitsfindung in einem (ausländischen) Steuerstrafverfahren hätte dienen sollen. Zur Erteilung dieser Auskunft wäre die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer besonderen Geschäftsbeziehung zum Beschuldigten besonders befähigt gewesen. Da es offenbar auch um die Überprüfung der Angaben des Beschuldigten ging bzw. geht, kann nicht davon die Rede sein, daß die von der Beschwerdeführerin verlangte Auskunft gleichermaßen durch den Beschuldigten hätte bewerkstelligt werden können. Die von der Beschwerdeführerin verlangte Auskunftleistung stellt sich sohin als eine unvertretbare Leistung im Sinne des § 111 Abs. 1 BAO dar.

Da aus diesen Gründen dem angefochtenen Bescheid weder die behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes noch auch ein wesentlicher Verfahrensmangel anhaftet, mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2.