VwGH vom 24.10.1990, 86/13/0198
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
86/13/0199
Besprechung in:
ÖStZB 1992, 39;
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerden des N gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zlen. GA 7-1216/1/86 und GA 7-1216/2/86, betreffend Sicherstellungsauftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer betrieb bis 1985 ein Handelsgewerbe (nach eigenen Angaben "Handel mit Waren aller Art"). Im Zuge einer Betriebsprüfung ergab sich der dringende Verdacht, daß der Beschwerdeführer durch Verbuchung fingierter Aufwendungen umfangreiche Abgabenverkürzungen bewirkt habe. Das Finanzamt erließ daher zunächst mit Bescheid vom gemäß § 232 BAO einen Sicherstellungsauftrag betreffend Einkommensteuer und Gewerbesteuer für die Jahre 1980 bis 1982 in Höhe von insgesamt S 396.000,-- und in weiterer Folge mit Bescheid vom einen zweiten Sicherstellungsauftrag betreffend die genannten Abgaben für die Jahre 1980 bis 1984 in Höhe von insgesamt S 4,671.000,--.
Gegen beide Bescheide erhob der Beschwerdeführer Berufung und machte als Verletzung des "§ 45 Abs. 3 AVG" geltend, daß ihm das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zur Kenntnis gebracht und ihm nicht Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden sei, sodaß der Bescheid "gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 und 3 VwGG" aufzuheben sei. Außerdem sei die Voraussetzung für einen Sicherstellungsauftrag nicht erfüllt, wonach eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung der Abgaben vorliegen müsse. Über den Beschwerdeführer sei noch niemals eine Finanzstrafe verhängt worden und er habe immer seine Abgabenschulden pünktlich bezahlt. Schließlich sei auch die Abgabenschuld noch nicht entstanden, weil die Erhebungen des Finanzamtes noch nicht abgeschlossen seien.
In einer "zusätzlichen Begründung" zu den Sicherstellungsaufträgen teilte das Finanzamt dem Beschwerdeführer mit, daß im Abgabenverfahren weder das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz noch das Verwaltungsgerichtshofgesetz anzuwenden seien. Ein Sicherstellungsauftrag könne bereits erlassen werden, bevor die Abgabenschuld der Höhe nach feststehe. Die Gefährdung bzw. wesentliche Erschwerung der Einbringung der Abgaben sei deswegen gegeben, weil der Beschwerdeführer bereits sein Vermögen ins Ausland verlagert habe (Guthaben bei einem deutschen Kreditinstitut), weil er bisher seiner Mitwirkungs- und Offenlegungspflicht nicht entsprochen habe, und weil er im Inland nur mehr über geringe Pensionseinkünfte verfüge.
Der Beschwerdeführer brachte vor, daß das Parteiengehör verletzt worden sei. Dieses bestehe in der Mitteilung des Ergebnisses der vorgenommenen Erhebungen, in der Aufforderung, dazu Stellung zu nehmen, und in der Gewährung von Akteneinsicht. Vor Erfüllung dieser Voraussetzungen sei ein Sicherstellungsauftrag rechtswidrig. Auch treffe es nicht zu, daß der Beschwerdeführer seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei. Er habe zwei Bescheinigungen seines deutschen Geschäftspartners über den betrieblichen Zahlungszweck der in Streit stehenden Ausgaben beigebracht. Der Beschwerdeführer stehe im 82. Lebensjahr, sei "mit einem unheilbaren Lungenemphysem behaftet" und "angesichts der Verfolgungsmaßnahmen maßlos erbittert, was zu einer tödlichen Verzweiflung führen kann".
Das Finanzamt wies beide Berufungen mit Berufungsvorentscheidung ab, wobei es nochmals auf die Rechtslage Bezug nahm. Der Beschwerdeführer habe nicht nur seine Mitwirkungspflicht verletzt, sondern er habe "alles unternommen ..., um eine Öffnung seines Kontos bei der 'Deutschen Bank' zu vereiteln". Die Bescheinigungen des deutschen Geschäftspartners seien nichtssagend. Eine Gefährdung der Einbringung sei mit Rücksicht auf die geringen Pensionsbezüge des Beschwerdeführers gegeben.
Nachdem der Beschwerdeführer die Vorlage seiner Berufungen an die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragt hatte, wies die belangte Behörde die Berufung gegen den ersten Sicherstellungsauftrag als unbegründet ab. Der Berufung gegen den zweiten Sicherstellungsauftrag gab sie insoweit Folge, als er Abgaben betraf, die bereits Gegenstand des ersten Sicherstellungsauftrages waren.
Gegen diese Entscheidungen wenden sich die beiden Beschwerden, in denen sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden und die der Verwaltungsgerichtshof mit Rücksicht auf ihren persönlichen und sachlichen Zusammenhang zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Obwohl der Beschwerdeführer bereits von der Abgabenbehörde ausdrücklich und zu Recht darauf hingewiesen worden ist, daß im Abgabenverfahren weder das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz noch das Verwaltungsgerichtshofgesetz, sondern die Bundesabgabenordnung anzuwenden sind, macht er einen Verstoß gegen die Bestimmungen der §§ 45 AVG und 42 VwGG als Rechtswidrigkeit geltend. Selbst wenn man nun die mit § 45 AVG korrespondierende Bestimmung des § 183 Abs. 4 BAO heranzieht, um festzustellen, ob die Rüge des Beschwerdeführers berechtigt ist, daß ihm das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zur Kenntnis gebracht und ihm keine Gelegenheit geboten worden sei, sich dazu zu äußern, erweist sich die Beschwerde in diesem Punkt als unbegründet.
Gemäß § 183 Abs. 4 BAO ist den Parteien vor Erlassung des abschließenden Sachbescheides Gelegenheit zu geben, von den durchgeführten Beweisen und vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern. Ein Sicherstellungsauftrag ist kein abschließender Sachbescheid, sondern eine dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende "Sofortmaßnahme", die dazu dient, selbst vor Feststellung des Ausmaßes der Abgabenschuld Einbringungsmaßnahmen setzen zu können, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß die spätere Einbringung der Abgabe gefährdet oder wesentlich erschwert wäre. Es liegt in der Natur einer solchen Maßnahme, daß sie nicht erst nach Erhebung sämtlicher Beweise, sohin nach Abschluß des Ermittlungsverfahrens, gesetzt werden kann, sondern daß es genügt, daß die Abgabenschuld dem Grunde nach entstanden ist und gewichtige Anhaltspunkte für ihre Höhe sowie für die Gefährdung bzw. wesentliche Erschwerung ihrer Einbringung gegeben sind.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers entsteht die Abgabenschuld jedoch nicht erst nach Abschluß des Abgabenermittlungsverfahrens, sondern unabhängig von diesem gemäß § 4 BAO, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Nicht die Aufdeckung des abgabenrelevanten Sachverhaltes, sondern seine Verwirklichung ist somit für das Entstehen der Abgabenschuld maßgebend. In § 4 Abs. 2 lit. a und lit. b BAO wird der Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschuld "mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird", spezifiziert.
Im Beschwerdefall war daher die Abgabenschuld betreffend Einkommensteuer und Gewerbesteuer für die Jahre 1980 bis 1984 zum Zeitpunkt der Erlassung der Sicherstellungsaufträge im Jahre 1985, somit nach Ablauf der Kalenderjahre 1980 bis 1984, dem Grunde nach entstanden.
Ebenso gab es gewichtige Anhaltspunkte für die Höhe der Abgabenschulden, weil einerseits das Ausmaß der vom Beschwerdeführer als Betriebsausgaben geltend gemachten Zahlungen feststand und andererseits begründete Zweifel am Betriebsausgabencharakter dieser Zahlungen bestanden.
Die Zahlungen waren beim Beschwerdeführer als Aufwand für Wareneinsatz verbucht und in der Folge mit unterschiedlichen und reichlich unklaren Angaben begründet worden (diesbezüglich wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 86/13/0097, verwiesen).
Der deutsche Warenlieferant und Empfänger der Zahlungen hat diese nicht als Einnahmen, sondern als durchlaufende Posten gebucht und unter Bezugnahme auf eine mündliche und vertrauliche Vereinbarung mit dem Beschwerdeführer auf ein Konto bei der "X-Bank" überwiesen, das auf den Namen des Beschwerdeführers lautete und über das dieser verfügungsberechtigt war.
Weiters trifft es nicht zu, daß die "X-Bank" von sich aus die Auskunftserteilung über das Konto des Beschwerdeführers verweigerte (ob zu Recht oder zu Unrecht, kann dahingestellt bleiben), sondern daß der Beschwerdeführer ausdrücklich einer solchen widersprochen hat.
Der Verdacht, daß die nach einem unüblichen Geldfluß auf ein Konto des Beschwerdeführers rückgeflossenen Beträge bei diesem in Wahrheit keine Betriebsausgaben darstellten, bestand daher zu Recht.
Was schließlich das Vorbringen des Beschwerdeführers betrifft, daß die Einbringung der Abgabenschulden nicht gefährdet bzw. wesentlich erschwert gewesen sei, so genügt es, auf das oben aufgezeigte Verhalten des Beschwerdeführers hinzuweisen, das durchaus geeignet ist, gegenteilige Annahmen zu rechtfertigen, nämlich das Verbringen von Vermögenswerten durch den Beschwerdeführer ins Ausland, um es dem Zugriff der österreichischen Finanzbehörden zu entziehen. Weiters hat die belangte Behörde zutreffend bemerkt, daß für die Gefährdung (wesentliche Erschwerung) der Abgabeneinbringung auch die wirtschaftliche Lage des Beschwerdeführers (nach Betriebsaufgabe nur mehr Pensionseinkünfte) sowie die Höhe der zu erwartenden Abgabennachforderung sprachen.
Beide Beschwerden erweisen sich daher als unbegründet und waren gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom , BGBl. Nr. 206.