VwGH 24.11.2000, 2000/19/0100
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
RS 1 | Hauptfrage im Aufenthaltsbewilligungsverfahren ist, ob dem Fremden eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen ist oder nicht. Eine der in diesem Verfahren zu erörternden Fragen ist, ob gegen den Antragsteller ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG 1993) vorliegt. Dies ist gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 FrG 1993 unter anderem dann der Fall, wenn gegen den Fremden ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot besteht. Hauptfrage im Aufenthaltsverbotsverfahren ist demgegenüber, ob und für welchen Zeitraum über einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu verhängen ist. Diese Frage hat die Aufenthaltsbehörde freilich nicht als Vorfrage zu prüfen, sie hat sich auf die Prüfung der Rechtstatsache zu beschränken, ob ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot besteht. Zur Begründung seines Antrages führte der Fremde im Beschwerdefall aus, der Verwaltungsgerichtshof habe ausgesprochen, dass das Verfahren über die von ihm gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid der Sicherheitsdirektion erhobene Beschwerde gemäß § 114 Abs. 4 und 7 FrG 1997 nach Erklärung derselben als gegenstandslos eingestellt worden sei. Damit sei das von der Aufenthaltsbehörde ihrem Bescheid zu Grunde gelegte Aufenthaltsverbot aus dem Rechtsbestand beseitigt worden. Die Vorfrage eines Hinderungsgrundes für die beantragte Aufenthaltsbewilligung (nunmehr Niederlassungsbewilligung) sei jetzt anders zu beurteilen. Nach dem Vorgesagten waren die vom Fremden in seinem Wiederaufnahmeantrag geltend gemachten Umstände - entgegen seiner diesbezüglichen Auffassung - nicht dem Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG zu subsumieren. |
Normen | AVG §69 Abs1; VwGG §45 Abs1 impl; |
RS 2 | Die Verwaltungsbehörde ist bei der Entscheidung über einen Wiederaufnahmeantrag an eine unrichtige Subsumtion der für die Wiederaufnahme ins Treffen geführten Umstände unter einen bestimmten Wiederaufnahmegrund durch den Antragsteller nicht gebunden. Sie hat vielmehr von sich aus im Rahmen ihrer rechtlichen Beurteilung zu prüfen, ob die vom Wiederaufnahmewerber ins Treffen geführten Gründe einem der in § 69 Abs 1 AVG umschriebenen Tatbestände zu unterstellen sind (Hinweis E VS vom , 96/08/0406, zur Unschädlichkeit einer unrichtigen Subsumtion der für die Wiederaufnahme geltend gemachten Umstände unter einen der in § 45 Abs. 1 VwGG genannten Wiederaufnahmegründe durch den damaligen Beschwerdeführer). |
Normen | FrG 1997 §114 Abs4; FrG 1997 §114 Abs7; |
RS 3 | Durch die Anordnung des § 114 Abs 7 letzter Satz FrG 1997 beabsichtigte der Gesetzgeber des FrG 1997, Fremde, die ein nach dem FrG 1992 ergangenes Aufenthaltsverbot vor den Gerichtshöfen öffentlichen Rechtes angefochten haben, von nachteiligen Wirkungen desselben zu befreien, wenn es aus dem Grunde des § 114 Abs 4 FrG 1997 letztlich nicht zu einer Kontrolle der Rechtmäßigkeit dieses Aufenthaltsverbotes nach der im Zeitpunkt seiner Erlassung geltenden Rechtslage gekommen ist. Demgemäß sollte die Rechtsstellung solcher Beschwerdeführer jener angenähert werden, die sie im Falle des Erfolges ihrer Beschwerde und der Aufhebung des angefochtenen Bescheides gehabt hätten (Hinweis E vom , 98/19/0291). |
Normen | |
RS 4 | § 114 Abs. 7 letzter Satz FrG 1997 ordnet an, dass Aufenthaltsverboten für Entscheidungen, die nach dem Inkrafttreten des FrG 1997 gefällt werden, keine nachteilige Wirkung zukommen kann. Auch der gegenständliche Bescheid, mit dem ein Antrag auf Wiederaufnahme eines Aufenthaltsbewilligungsverfahrens abgewiesen wurde, ist eine derartige, wenngleich prozessrechtliche, Entscheidung. Bei seiner Erlassung war daher so vorzugehen, als sei das Aufenthaltsverbot gemäß § 114 Abs. 4 FrG 1997 - gleich wie im Falle einer Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof - rückwirkend außer Kraft getreten. Auf Grund dieses rückwirkenden Außerkrafttretens des Aufenthaltsverbotes war bei der Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag davon auszugehen, dass im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides, mit dem der Antrag des Fremden auf erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung im Instanzenzug abgewiesen worden war, kein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot gegen den Fremden bestanden hatte (Hinweis E vom , 96/19/3389, zur Wahrnehmung der Rückwirkung eines bescheidaufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes durch den Verwaltungsgerichtshof selbst bei Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines anderen, vor Zustellung des aufhebenden Erkenntnisses ergangenen Bescheides). Die Rechtstatsache des Nichtbestehens eines Aufenthaltsverbotes ist "neu" im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG, weil sie dem im wiederaufzunehmenden Verfahren ergangenen Bescheid nicht zu Grunde gelegt wurde. Im Hinblick auf die Rückwirkung des Außerkrafttretens des Aufenthaltsverbotes ist diese Rechtstatsache auch nicht als "neu entstanden", sondern als "neu hervorgekommen" anzusehen, weil eben bei Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag davon auszugehen war, dass das außerkraftgetretene Aufenthaltsverbot auch im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides, mit dem der Antrag des Fremden auf erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung im Instanzenzug abgewiesen worden war, keinen Bestand hatte. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des 1965 geborenen NB in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 122.124/17-III/11/00, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens i.A. Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte am die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung.
Dieser Antrag wurde mit einem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 1 des Fremdengesetzes 1992 (FrG 1992) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde in diesem Bescheid aus, gemäß § 5 AufG sei die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu versagen, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des FrG 1992 vorliege. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 FrG 1992 sei dies dann der Fall, wenn gegen den Sichtvermerkswerber ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot bestehe. Gegen den Beschwerdeführer sei nun mit einem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich, der am in Rechtskraft erwachsen sei, ein solches Aufenthaltsverbot verhängt worden.
Die Zustellung des Bescheides der belangten Behörde vom an den Beschwerdeführer erfolgte am .
Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof wurde mit Erkenntnis vom , Zl. 97/19/1731, als unbegründet abgewiesen.
Mit einer am zur Post gegebenen Eingabe beantragte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des mit dem Bescheid der belangten Behörde vom abgeschlossenen Verfahrens "gemäß § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG".
Zur Begründung seines Antrages führte der Beschwerdeführer aus, der Verwaltungsgerichtshof habe mit Beschluss vom , Zl. 98/21/0090, welcher dem Beschwerdeführer am zugestellt worden sei, ausgesprochen, dass das Verfahren über die von ihm gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich erhobene Beschwerde gemäß § 114 Abs. 4 und 7 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) nach Erklärung derselben als gegenstandslos eingestellt worden sei. Damit sei das von der belangten Behörde dem Bescheid vom zu Grunde gelegte Aufenthaltsverbot aus dem Rechtsbestand beseitigt worden. Die Vorfrage eines Hinderungsgrundes für die beantragte Aufenthaltsbewilligung (nunmehr Niederlassungsbewilligung) sei jetzt anders zu beurteilen.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wies diese den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 AVG ab.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Verwaltungsgerichtshof habe zwar mit Beschluss vom die Beschwerde gegen das im Instanzenzug verhängte Aufenthaltsverbot als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt. Dessen ungeachtet habe aber im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der belangten Behörde vom ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot bestanden. Der Inhalt rechtswirksamer genereller Normen könne nie Tatsache oder Beweismittel sein, die als neu hervorgekommen gewertet werden dürften, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 1783/72, ausgesprochen habe.
Schließlich gehe auch die Argumentation fehl, bei "dem Aufenthaltsverbot" habe es sich um eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG im Aufenthaltsbewilligungsverfahren gehandelt. Eine Vorfrage sei eine für die Entscheidung der Verwaltungsbehörde präjudizielle Rechtsfrage, über die als Hauptfrage von einer anderen Behörde, jedoch in einem anderen Verfahren, zu entscheiden sei. Ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot sei aber im Verfahren zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung als Tatsache zu sehen gewesen, auch wenn Jahre später "diese abgeändert" worden sei. Der Wiederaufnahmeantrag sei daher mangels Vorliegens eines Wiederaufnahmegrundes abzuweisen gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 69 Abs. 1 Z. 2 und 3 AVG lauten:
"§ 69. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:
...
2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder
3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde."
§ 5 Abs. 1 AufG lautete:
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."
§ 10 Abs. 1 Z. 1 FrG 1992 lautete:
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
1. gegen den Sichtvermerkswerber ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot besteht, es sei denn, dass die Voraussetzungen für eine Wiedereinreisebewilligung (§ 23) vorliegen;"
§ 114 Abs. 4 und 7 FrG 1997 lauten:
"§ 114. ...
...
(4) Aufenthaltsverbote, die beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Verfassungsgerichtshof angefochten sind, treten mit Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes außer Kraft, sofern der angefochtene Bescheid nicht offensichtlich auch in den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes eine Grundlage fände.
...
(7) In den Fällen der Abs. 4 und 5 ist die Beschwerde als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren ohne vorherige Anhörung des Beschwerdeführers einzustellen; mit dem Beschluss über die Gegenstandslosigkeit der Beschwerden tritt in diesen Fällen auch der Bescheid erster Instanz außer Kraft. Solchen Aufenthaltsverboten oder Ausweisungen darf für Entscheidungen, die nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes getroffen werden sollen, keine nachteilige Wirkung zukommen."
Der belangten Behörde ist zunächst insoweit beizupflichten, als sie die Auffassung vertrat, die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Tatsachen seien dem Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG nicht zu subsumieren:
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist unter einer Vorfrage im Sinne der §§ 38 und 69 Abs. 1 Z. 3 AVG eine für die Entscheidung der Verwaltungsbehörde präjudizielle Rechtsfrage zu verstehen, über die als Hauptfrage von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten oder auch von derselben Behörde, jedoch in einem anderen Verfahren zu entscheiden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/19/0272).
Hauptfrage im Aufenthaltsbewilligungsverfahren ist, ob dem Fremden eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen ist oder nicht. Eine der in diesem Verfahren zu erörternden Fragen ist, ob gegen den Antragsteller ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG 1992) vorliegt. Dies ist gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 FrG 1992 unter anderem dann der Fall, wenn gegen den Beschwerdeführer ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot besteht.
Hauptfrage im Aufenthaltsverbotsverfahren ist demgegenüber, ob und für welchen Zeitraum über einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu verhängen ist.
Diese Frage hat die Aufenthaltsbehörde freilich nicht als Vorfrage zu prüfen, sie hat sich auf die Prüfung der Rechtstatsache zu beschränken, ob ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot besteht.
Nach dem Vorgesagten waren die vom Beschwerdeführer in seinem Wiederaufnahmeantrag geltend gemachten Umstände - entgegen seiner diesbezüglichen Auffassung - nicht dem Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG zu subsumieren.
Freilich ist die Verwaltungsbehörde bei der Entscheidung über einen Wiederaufnahmeantrag an eine unrichtige Subsumtion der für die Wiederaufnahme ins Treffen geführten Umstände unter einen bestimmten Wiederaufnahmegrund durch den Antragsteller nicht gebunden. Sie hat vielmehr von sich aus im Rahmen ihrer rechtlichen Beurteilung zu prüfen, ob die vom Wiederaufnahmewerber ins Treffen geführten Gründe einem der in § 69 Abs. 1 AVG umschriebenen Tatbestände zu unterstellen sind (vgl. zur Unschädlichkeit einer unrichtigen Subsumtion der für die Wiederaufnahme geltend gemachten Umstände unter einen der in § 45 Abs. 1 VwGG genannten Wiederaufnahmegründe durch den Beschwerdeführer das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 96/08/0406). Die belangte Behörde hat daher zu Recht von Amts wegen überprüft, ob die vom Beschwerdeführer behaupteten Tatsachen zu einer Wiederaufnahme gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 VwGG führen können.
Allerdings hat die belangte Behörde diese Frage aus folgenden Überlegungen zu Unrecht verneint:
Auf Grund des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom stand fest, dass der die Grundlage der Versagung der Aufenthaltsbewilligung bildende Aufenthaltsverbotsbescheid gemäß § 114 Abs. 4 FrG 1997 am außer Kraft getreten war.
§ 114 Abs. 4 FrG 1997 trifft keine ausdrückliche Anordnung darüber, ob das Außerkrafttreten eines solchen Bescheides per "ex nunc" oder "ex tunc" wirkt, also ob auch nach dem davon auszugehen ist, dass dieses Aufenthaltsverbot zwischen seinem Wirksamwerden und dem aufrecht war.
Gemäß § 114 Abs. 7 FrG 1997 darf einem solchen Aufenthaltsverbot für Entscheidungen, die nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes getroffen werden sollen, keine nachteilige Wirkung zukommen. Durch die Anordnung des § 114 Abs. 7 letzter Satz FrG 1997 beabsichtigte der Gesetzgeber des FrG 1997, Fremde, die ein nach dem FrG 1992 ergangenes Aufenthaltsverbot vor den Gerichtshöfen öffentlichen Rechtes angefochten haben, von nachteiligen Wirkungen desselben zu befreien, wenn es aus dem Grunde des § 114 Abs. 4 FrG 1997 letztlich nicht zu einer Kontrolle der Rechtmäßigkeit dieses Aufenthaltsverbotes nach der im Zeitpunkt seiner Erlassung geltenden Rechtslage gekommen ist. Demgemäß sollte die Rechtsstellung solcher Beschwerdeführer jener angenähert werden, die sie im Falle des Erfolges ihrer Beschwerde und der Aufhebung des angefochtenen Bescheides gehabt hätten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/19/0291).
Gemäß § 42 Abs. 3 VwGG würde aber durch die Aufhebung eines vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides durch ein Erkenntnis dieses Gerichtshofes die Rechtssache in die Lage zurücktreten, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hatte. Jedenfalls im Falle der Aufhebung eines Aufenthaltsverbotsbescheides durch den Verwaltungsgerichtshof käme es also zu einer rückwirkenden Beseitigung des Aufenthaltsverbotes.
Wollte man nun die Auffassung vertreten, das Außerkrafttreten eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 114 Abs. 4 FrG 1997 am erfolge mit Wirkung "ex nunc", so hätte dies zur Konsequenz, dass der Gesetzgeber des FrG 1997 zwar die Möglichkeit der Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines solchen Aufenthaltsverbotes durch die Gerichtshöfe öffentlichen Rechtes schlechthin ausgeschlossen hätte, ohne jedoch dem Beschwerdeführer jene Rechtsstellung einzuräumen, die er im Falle des Erfolges seiner Beschwerde gehabt hätte (diesfalls wäre ja - wie oben ausgeführt - das Aufenthaltsverbot rückwirkend beseitigt worden).
§ 114 Abs. 7 letzter Satz FrG 1997 ordnet nun an, dass Aufenthaltsverboten, wie dem hier gegenständlichen, für Entscheidungen, die nach dem Inkrafttreten des FrG 1997 gefällt werden, keine nachteiligen Wirkungen zukommen kann. Auch der gegenständliche Bescheid, mit dem ein Wiederaufnahmeantrag abgewiesen wurde, ist eine derartige, wenngleich prozessrechtliche, Entscheidung. Bei seiner Erlassung war daher - zur Vermeidung der oben aufgezeigten Konsequenz, die vom Gesetzgeber bei Schaffung des § 114 FrG 1997 wohl nicht gewollt war - so vorzugehen, als sei das Aufenthaltsverbot gemäß § 114 Abs. 4 FrG 1997 - gleich wie im Falle einer Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof - rückwirkend außer Kraft getreten.
Auf Grund dieses rückwirkenden Außerkrafttretens des Aufenthaltsverbotes war bei der Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag davon auszugehen, dass im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom kein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer bestanden hatte (vgl. zur Wahrnehmung der Rückwirkung eines bescheidaufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes durch den Verwaltungsgerichtshof selbst bei Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines anderen, vor Zustellung des aufhebenden Erkenntnisses ergangenen Bescheides das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/19/3389).
Die Rechtstatsache des Nichtbestehens eines Aufenthaltsverbotes ist "neu" im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG, weil sie dem im wiederaufzunehmenden Verfahren ergangenen Bescheid nicht zu Grunde gelegt wurde. Im Hinblick auf die Rückwirkung des Außerkrafttretens des Aufenthaltsverbotes ist diese Rechtstatsache auch nicht als "neu entstanden", sondern als "neu hervorgekommen" anzusehen, weil eben bei Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag - wie oben ausgeführt - davon auszugehen war, dass das außerkraftgetretene Aufenthaltsverbot auch im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom keinen Bestand hatte. Das von der belangten Behörde zitierte hg. Erkenntnis vom steht dieser Beurteilung nicht entgegen.
Aus diesen Erwägungen hat die belangte Behörde zu Unrecht das Vorliegen neu hervorgekommener Tatsachen im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG verneint und die weiteren Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle nicht geprüft. Der angefochtene Bescheid war aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
Schlagworte | Neu hervorgekommene entstandene Beweise und Tatsachen nova reperta nova producta |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2000:2000190100.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
YAAAE-33982