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VwGH vom 15.10.2003, 2000/08/0003

VwGH vom 15.10.2003, 2000/08/0003

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des F in L, vertreten durch Dr. Johannes Grund und Dr. Wolf D. Polte, Rechtsanwälte in 4010 Linz, Spittelwiese 15, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom , Zl. SV(SanR)-410349/4-1999-Ti/Ma, betreffend Sonderbeiträge (mitbeteiligte Partei: Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, Gruberstraße 77, 4020 Linz), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den Beschwerdeführer zur Zahlung von Sonderbeiträgen in der Höhe von S 70.286,50 (EUR 5.107,92).

Begründend führte sie aus, der Beschwerdeführer sei seit als Handelsvertreter bei einem Unternehmen mit Sitz in der Schweiz beschäftigt. Er übe diese Tätigkeit in Österreich von seinem Wohnsitz in Linz aus. Ab habe der Beschwerdeführer monatlich ein Fixum in der Höhe von S 23.320,-

- "ausbezahlt" erhalten. Dies entspreche "der Beschäftigungsgruppe IV/18. Berufsjahr des Kollektivvertrages für Handelsangestellte Österreichs (in der Folge kurz: Kollektivvertrag)". Anlässlich einer Beitragsprüfung am habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum 1995 bis 1998 keine Sonderzahlungen gemeldet habe. In rechtlicher Hinsicht führte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, ein im Inland tätiger Dienstnehmer eines ausländischen Betriebes, der im Inland keine Betriebsstätte unterhalte, habe die Sozialversicherungsbeiträge (Dienstnehmer- und Dienstgeberbeiträge) selbst zu entrichten. Nach § 7 Abs. 1 des am in Kraft getretenen Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG) habe der Beschwerdeführer gegenüber seinem ausländischen Arbeitgeber Anspruch auf zumindest jenes gesetzliche oder kollektivvertragliche Entgelt, das am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern gebühre. Der Schweizer Arbeitgeber des Beschwerdeführers sei ein Handelsbetrieb, der Beschwerdeführer somit als Handelsangestellter tätig. Als vergleichbares Entgelt seien daher die Mindestsätze des Kollektivvertrages anzuwenden. Dieser bestimme im Kapitel Gehaltsordnung im Anhang unter Punkt D lit. a, dass Platzvertreter mit Provision und Reisende mit Provision, die neben der Provision ein Fixum bezögen, als Sonderzahlungen eine Weichnachtsremuneration in Höhe des Novemberfixums und eine Urlaubsbeihilfe in Höhe des zum Zeitpunkt des Urlaubsantrittes bzw. am 31. Juli zustehenden Fixums erhielten. Von den zuletzt genannten Sonderzahlungen (Weihnachts- und Urlaubsgeld) hätte der Beschwerdeführer Sonderbeiträge entrichten müssen. Grundlage der Beitragsbemessung sei das dem Beschwerdeführer gebührende Entgelt, unabhängig davon, ob er dieses Entgelt tatsächlich in voller Höhe erhalten habe.

Als Beilage ist dem Bescheid eine Beitragsrechnung angeschlossen, nach der die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in den Jahren 1995 bis 1998 als jährliche Beitragsgrundlage den Betrag von S 46.640,-- an Sonderzahlungen zu Grunde gelegt und auf dieser Basis Sonderbeiträge errechnet hat. Die Summe der Sonderbeiträge für die Jahre 1995 bis 1998 ergibt den

nachverrechneten Betrag von damals S 70.286,50.

In dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch führte der Beschwerdeführer aus, er habe mit seinem Schweizer Arbeitgeber ein monatliches Fixum vereinbart, das er zwölf Mal jährlich erhalte. Sonderzahlungen in Form eines 13. und 14. Monatsgehaltes habe er weder vereinbart noch erhalten. Die den Bezug eines Mindestentgeltes regelnde Bestimmung des § 7 AVRAG sei erst am in Kraft getreten; auf den vom Beschwerdeführer am abgeschlossenen Arbeitsvertrag sei diese Regelung mangels ausdrücklicher Anordnung einer Rückwirkung nicht anzuwenden. Weder der Beschwerdeführer noch sein Schweizer Arbeitgeber seien Angehörige einer österreichischen Kollektivvertragspartei. Tatsächlich habe der Beschwerdeführer während des in Frage stehenden Zeitraumes ein Fixum in der Höhe von S 20.000,-- monatlich erhalten. Die von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse angenommenen S 23.320,-- monatlich entsprächen nicht den Tatsachen. Der Beschwerdeführer wandte sich auch gegen die nach dem Kollektivvertrag vorgesehene Anrechnung von Vordienstzeiten und die daraus folgende Einstufung im Hinblick auf die kollektivvertragliche Entlohnung, weil er erst seit als Reisender beschäftigt und davor selbständig erwerbstätig gewesen sei. Zwar seien die Tätigkeiten als selbständiger Kaufmann nach dem Kollektivvertrag als Berufsjahre anzurechnen, der Beschwerdeführer habe sich jedoch niemals irgendwelche Vordienstzeiten als Berufsjahre anrechnen lassen. Im Übrigen verjährten Ansprüche wegen unrichtiger Einstufung innerhalb von zwei Jahren ab dem Beginn des Beschäftigungsverhältnisses, sodass der Beschwerdeführer seit dem gegenüber seinem Dienstgeber keinen Anspruch mehr gehabt hätte, eine andere Einstufung zu verlangen. Ohne weitere Erhebungen dürften daher nur Berufsjahre ab dem für die Einstufung nach dem Kollektivvertrag herangezogen werden. Dies ergäbe am eine Einstufung in der Beschäftigungsgruppe 4 im fünften Berufsjahr, keinesfalls jedoch im 18. Berufsjahr. Das Mindestgrundgehalt bei 18 Beschäftigungsjahren liege ungefähr 60 % über dem im fünften Beschäftigungsjahr und noch fast 30 % über dem im neunten Beschäftigungsjahr. Daraus ergäbe sich, dass der Beschwerdeführer durch das ihm 12-mal jährlich ausbezahlte Entgelt besser gestellt gewesen wäre als durch Erhalt des kollektivvertraglichen Mindestentgeltes 14-mal im Jahr. Somit sei die mit dem Schweizer Unternehmen abgeschlossene Vereinbarung für den Beschwerdeführer günstiger als die herangezogene kollektivvertragliche Regelung.

In einer Stellungnahme zum Einspruch führte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse unter anderem aus, sie habe jedenfalls annehmen können, dass der Beschwerdeführer seinem Schweizer Arbeitgeber Vordienstzeiten bekannt gegeben habe, weil der Beschwerdeführer bei der Beitragsprüfung am mit der Einstufung in das 18. Berufsjahr einverstanden gewesen sei. Eine gegenteilige Äußerung seinerseits liege für die ab laufenden Beitragsvorschreibungen und auch für die damalige Nachzahlung von allgemeinen Beiträgen und von Sonderbeiträgen nicht vor. Als Grundlage für die Bemessung der Sonderbeiträge seien "die am einvernehmlich mit (dem Beschwerdeführer) festgelegten monatlichen ATS 23.320,-- zu Grunde zu legen."

Im Akt der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse befindet sich ein Protokoll über eine beim Beschwerdeführer am durchgeführte Beitragsprüfung. Nach den demnach getroffenen Feststellungen des Prüfers hätten sich Melde- und Beitragsdifferenzen ergeben, die zu Nachverrechnungen von Sonderzahlungen und von "einer Lohndifferenz" geführt hätten; die im Protokoll wiedergegebene Stellungnahme des Beschwerdeführers dazu lautete: "Die Differenzen wurden besprochen. Ich bitte, auf Grund meiner sehr schlechten wirtschaftlichen Lage, von der Verhängung eines Beitragszuschlages abzusehen."

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge.

Begründend gab sie den Inhalt des erstinstanzlichen Bescheides wieder; aus diesem hat sie die Feststellung übernommen, der Beschwerdeführer "erhält ab ein monatliches Fixum in Höhe von S 23.320,-- ausbezahlt. Dies entspricht der Beschäftigungsgruppe IV/18. Berufsjahr des Kollektivvertrages für Handelsangestellte Österreichs." Nach Darstellung des Einspruchsvorbringens und der Stellungnahme der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse stellte die belangte Behörde die einschlägige Rechtslage dar und kam zu dem Schluss, dass als vergleichbares Entgelt im Sinne des § 7 Abs. 1 AVRAG die Mindestsätze des Kollektivvertrages heran zu ziehen seien; auf dieses Entgelt habe der Beschwerdeführer Anspruch. Über dessen Höhe habe im Prüfungszeitpunkt Einvernehmen mit dem Beschwerdeführer geherrscht. Nach dem Kollektivvertrag gebührten allen Angestellten eine Weihnachtsremuneration und eine Urlaubsbeihilfe in Höhe des jeweils zustehenden Bruttomonatsgehaltes, dessen Ausmaß sich aus der Höhe des nach dem Kollektivvertrag zustehenden Arbeitsverdienstes ergebe.

Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde (wie auch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse) eine Gegenschrift erstattete, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Es ist im Beschwerdefall unbestritten, dass der Beschwerdeführer wegen seines im Ausland ansässigen Dienstgebers und seiner im Inland für diesen Dienstgeber ausgeübten Tätigkeit auf Basis des für diese Tätigkeit erhaltenen Entgeltes jedenfalls während des in Frage stehenden Zeitraumes (1995 bis 1998) zur Zahlung der Beiträge zur Pflichtversicherung nach dem ASVG verhalten war (vgl. § 53 Abs. 3 lit. b ASVG).

Strittig ist im vorliegenden Fall vorerst, ob der Beschwerdeführer für diesen Zeitraum nicht nur die allgemeinen Beiträge für sein monatliches Entgelt zu zahlen hatte, sondern ihm über das monatlich erhaltene Entgelt hinaus Sonderzahlungen in Form eines 13. und 14. Monatsbezuges bzw. von Urlaubs- und Weihnachtsgeld zustanden, auf deren Grundlage Sonderbeiträge zu entrichten gewesen wären.

Die Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

Gemäß § 44 Abs. 1 ASVG ist für Pflichtversicherte Grundlage für die Bemessung der allgemeinen Beiträge (allgemeine Beitragsgrundlage), sofern nichts anderes bestimmt ist, der im Beitragszeitraum gebührende Arbeitsverdienst mit Ausnahme allfälliger Sonderzahlungen nach § 49 Abs. 2 ASVG. Als Arbeitsverdienst gilt bei den pflichtversicherten Dienstnehmern das Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG.

Nach § 49 Abs. 1 ASVG sind unter Entgelt die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienstverhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.

Gemäß § 49 Abs. 2 ASVG sind Sonderzahlungen Bezüge im Sinne des Abs. 1, die in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen gewährt werden, wie zum Beispiel ein 13. oder 14. Monatsbezug, Weihnachts- oder Urlaubsgeld; sie sind als Entgelt - im gegebenen Zusammenhang - (nur) nach Maßgabe der Bestimmungen des § 54 ASVG zu berücksichtigen.

Von den Sonderzahlungen nach § 49 Abs. 2 ASVG sind in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung Sonderbeiträge mit dem gleichem Hundertsatz wie für sonstige Bezüge nach § 49 Abs. 1 ASVG zu entrichten (§ 54 Abs. 1 ASVG).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nach dem Entgeltbegriff des § 49 Abs. 1 ASVG sowohl für die Bemessung der allgemeinen Beiträge als auch der Sonderbeiträge der "Anspruchslohn" (arg.: "Geld- und Sachbezüge ..., auf die der

pflichtversicherte Dienstnehmer ... Anspruch hat") oder (arg.:

"die er darüber hinaus auf Grund des Dienst(Lehr)verhältnisses ... erhält") das höhere tatsächlich geleistete Entgelt maßgebend. Unter dem "Anspruchslohn" wird jenes Entgelt verstanden, auf dessen Bezahlung der betroffene Dienstnehmer bei Fälligkeit des jeweiligen Betrages einen Rechtsanspruch hat. Ob ein Anspruch auf einen Geld- oder Sachbezug besteht, ist nach zivilrechtlichen (arbeitsrechtlichen) Grundsätzen zu beurteilen. Danach bleibt aber die Regelung dieser Frage, sofern nicht eine gesetzliche Grundlage besteht, einer Vereinbarung (Einzel- oder Kollektivvertrag), mangels einer solchen dem Ortsgebrauch überlassen (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 93/08/0127, uva).

Die für den vorliegenden Fall bedeutsamen Bestimmungen des AVRAG lauteten in der für den Beschwerdezeitraum maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 120/1999:

§ 7. (1) Beschäftigt ein Arbeitgeber ohne Sitz in Österreich, der nicht Mitglied einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft in Österreich ist, einen Arbeitnehmer mit gewöhnlichem Arbeitsort in Österreich, so hat dieser Arbeitnehmer Anspruch zumindest auf jenes gesetzliche oder kollektivvertragliche Entgelt, das am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern gebührt.

(2) Abs. 1 gilt, unbeschadet des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Rechts, zwingend auch für einen Arbeitnehmer, der von einem Arbeitgeber ohne Sitz in Österreich für Arbeiten im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung oder zur Erbringung einer fortgesetzten Arbeitsleistung nach Österreich entsandt wird.

...

§ 7a. Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde im Falle der Z 1 mit einer Geldstrafe von 5 000 S bis 20 000 S, im Wiederholungsfall von 10 000 S bis 40 000 S und in den Fällen der Z 2 mit einer Geldstrafe von 30 000 S bis 120 000 S, im Wiederholungsfall von 60 000 S bis 240 000 S zu bestrafen,

1. wer als Arbeitgeber ohne Sitz in Österreich oder als inländischer Auftraggeber (als Unternehmer) entgegen § 7 Abs. 4 die erforderlichen Unterlagen nicht bereithält oder übermittelt;

2. wer als Unternehmer die Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers in Anspruch nimmt, dem das gemäß § 7 gebührende Entgelt vorenthalten wird."

Nach § 19 Abs. 1 trat das AVRAG - mit Ausnahme des hier nicht relevanten § 2 - am in Kraft.

Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu § 7 Abs. 1 AVRAG (1077 BlgNR 18. GP) ist es das Ziel dieser Regelung

"zu verhindern, daß im Zusammenhang mit der Dienstleistungsfreiheit österreichische Arbeitsbedingungen unterlaufen werden. Durch die Dienstleistungsfreiheit wird nämlich ermöglicht, daß auch Arbeitgeber, die keine Niederlassung in Österreich haben, Arbeitnehmer in Österreich beschäftigen oder zeitlich befristet nach Österreich entsenden. Diese Arbeitgeber sind - da sie nicht Mitglied der Bundeswirtschaftskammmer sind - auch nicht den österreichischen Kollektivverträgen unterworfen. Nach dem geltenden IPR - Gesetz ist das Recht jenes Staates anzuwenden, in dem der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich verrichtet. Bei einer ständigen Beschäftigung in Österreich wäre damit zwar die Anwendung österreichischer Arbeitsbedingungen, die auf Gesetz beruhen, gesichert, nicht jedoch kollektivvertragliche Regelungen, denen der Arbeitgeber mangels Kollektivvertragsangehörigkeit nicht unterliegt. ... Um die Gefahr eines Sozialdumpings hintanzuhalten, wird ein zwingender Anspruch des Arbeitnehmers eines ausländischen Arbeitgebers auf jenes gesetzliche oder kollektivvertragliche Entgelt normiert, das am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern gebührt. Vom Entgeltbegriff sind jedenfalls auch gesetzliche und kollektivvertragliche Überstundenvergütungen erfaßt. Ein zwingender Anspruch auf das nach österreichischem Recht zustehende Entgelt besteht nur dann, wenn diese Entgeltregelung günstiger ist als das nach ausländischem Recht gebührende Entgelt."

Gemäß dem bis in Geltung gewesenen und somit im Beschwerdefall (zeitraumbezogen) noch anzuwendenden § 44 Abs. 1 IPRG sind Arbeitsverträge nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich verrichtet (ab gilt für diese Beurteilung Artikel 6 des Europäischen Vertragsstatutübereinkommens, BGBl. III Nr. 208/1998 - EVÜ). Für das Vertragsverhältnis des Beschwerdeführers zu seinem Schweizer Arbeitgeber sind demnach die in Österreich im fraglichen Zeitraum in Geltung gestandenen arbeitsrechtlichen Bestimmungen maßgeblich; somit auch jene, die das Arbeitsentgelt regelten.

Die belangte Behörde zog als Bemessungsgrundlage für die Sonderbeiträge den von ihr nach § 7 Abs. 1 AVRAG an Hand der Bestimmungen des Kollektivvertrages ermittelten gemäß § 49 Abs. 1 ASVG maßgeblichen Anspruchslohn heran.

Der Beschwerdeführer bestreitet, dass sich die Bestimmung des § 7 AVRAG auf seinen vor ihrem Inkrafttreten abgeschlossenen Arbeitsvertrag ausgewirkt habe, weil die "rückwirkende Geltung" dieses Gesetzes nicht ausdrücklich angeordnet worden sei und das Gesetz auch keine Übergangsbestimmungen enthalte. Damit im Zusammenhang steht auch das Argument des Beschwerdeführers, die genannte Bestimmung habe keinen zwingenden Charakter und könne daher durch Vertrag abbedungen werden.

Die hier relevante Bestimmung des § 7 Abs. 1 AVRAG galt in der zitierten Fassung seit Inkrafttreten dieses Gesetzes am . Eine rückwirkende Geltung seiner Bestimmungen sah dieses Gesetz nicht vor. Davon ist die Frage zu unterscheiden, ob § 7 AVRAG auf den Arbeitsvertrag - konkret die Entgeltvereinbarung - des Beschwerdeführers anzuwenden ist, somit die vertragliche Regelung in diesem Punkt ersetzte.

Bei einem Dienstverhältnis handelt es sich um ein Dauerschuldverhältnis (vgl. Krejci in Rummel2, Rz 34 zu § 1151 ABGB). Die Antwort auf die Frage, ob eine im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses vertraglich geregelte Materie durch eine nach Begründung des Dauerschuldverhältnisses in Kraft getretene gesetzliche Regelung verdrängt werden kann, hängt - bei Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung - nicht davon ab, ob die Bestimmung vor oder nach Abschluss des Vertrages in Kraft getreten ist, sondern davon, in welchem Verhältnis die gesetzliche Bestimmung zur vertraglichen Vereinbarung steht. Handelt es sich um eine zwingende Norm, ersetzt sie die entsprechende Vertragsbestimmung; hat die Norm nachgiebigen Charakter, hat sie darauf keinen Einfluss (vgl. Bydlinski in Rummel I3, Rz 1 zu § 5 ABGB).

Der im Jahre 1990 vom Beschwerdeführer abgeschlossene Arbeitsvertrag begründete ein Dauerschuldverhältnis, das während des in Frage stehenden Zeitraumes (1995 bis 1998) noch bestand. Es kommt nach den vorigen Ausführungen darauf an, ob § 7 Abs. 1 AVRAG die besagte zwingende Wirkung hat. Diese Bedeutung der Norm, deren Zweck nach den wiedergegebenen Materialien zusammenfassend darin liegt, in Österreich tätigen Arbeitnehmern ausländischer Arbeitgeber jene Entgeltansprüche zu sichern, die ihnen bei österreichischen Arbeitgebern jedenfalls zugestanden wären, ergibt sich zweifelsfrei zum einen aus § 7 Abs. 2 AVRAG, wonach Abs. 1 "zwingend auch" (also nicht "nur") für Arbeitnehmer im Rahmen einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung gilt, zum anderen aus der Bestimmung des § 7a Z 2 AVRAG, wonach sogar strafbar ist, wer als Unternehmer die Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers in Anspruch nimmt, dem "das gemäß § 7 gebührende Entgelt" vorenthalten wird. Auch die Erläuterungen sprechen von einem "zwingenden Anspruch des Arbeitnehmers". Hinzuweisen ist noch auf die mit in Kraft getretene neue Fassung der in Rede stehenden Bestimmung (BGBl. I Nr. 120/1999), nach der dem Arbeitnehmer nunmehr ausdrücklich ein "zwingender Anspruch" zusteht. Demnach ist auf Grund der Bestimmung des § 7 AVRAG bei Vorliegen der Voraussetzungen jedenfalls zu prüfen, ob die österreichische gesetzliche oder kollektivvertragliche Entgeltregelung für den Arbeitnehmer günstiger ist als der vertragliche Lohnanspruch.

Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, dass die ortsübliche Entlohnung iSd § 7 Abs. 1 AVRAG dem von ihr herangezogenen Kollektivvertrag zu entnehmen sei und dieser Monatslohn höher wäre als das vom Beschwerdeführer mit seinem Arbeitgeber vereinbarte Entgelt, welch erstere noch dazu - statt der vereinbarten 12-mal - 14-mal jährlich gebühre. Aus der Kombination beider Vorteile (Weihnachts- und Urlaubsgeld auf Basis eines höheren Anspruchslohnes) hat sich für die belangte Behörde die Grundlage für die Nachverrechnung der Sonderbeiträge ergeben.

Allerdings fehlt es für die Beurteilung der Höhe des von der belangten Behörde angenommenen Anspruchlohnes für die Sonderzahlungen an Tatsachengrundlagen, die eine entsprechende Überprüfung zuließen. Solche Tatsachenfeststellungen über die Entgeltregelungen des Kollektivvertrages sind aber unerlässlich, um die Rechtmäßigkeit eines auf solche Kollektivvertragsbestimmungen gestützten Bescheides prüfen zu können (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/08/0078, mit weiteren Judikaturhinweisen). So steht nicht fest, inwieweit und unter welchen Voraussetzungen der Kollektivvertrag eine Anrechnung von Vordienstzeiten vorsieht; ohne Kenntnis dieser Bestimmungen kann aber die von der belangten Behörde vorgenommene Einstufung nicht nachvollzogen werden. Das Ergebnis dieser Einstufung wiederum ist bedeutsam für die Berechnung der Höhe des Kollektivvertragslohnes. Erst wenn dieser Betrag festgestellt worden ist, kann beurteilt werden, ob die kollektivvertragliche Regelung für den Beschwerdeführer günstiger ist:

Der Beschwerdeführer schloss den Dienstvertrag mit seinem Schweizer Arbeitgeber im Jahre 1990 ab. Damals war zwar das IPRG, nicht aber das AVRAG in Kraft. Gemäß § 44 Abs. 1 IPRG war der genannte Arbeitsvertrag nach österreichischem Recht zu beurteilen; eine Anwendung des Kollektivvertrages kam jedoch in diesem Zeitpunkt nicht in Frage, weil der Schweizer Dienstgeber des Beschwerdeführers nicht kollektivvertragsangehörig war und das Gesetz eine Außenseiterwirkung für den Dienstgeber nicht vorsieht (vgl. zur Außenseiterwirkung für Dienstnehmer § 12 ArbVG). Wäre der Kollektivvertrag schon bei Vertragsabschluss unmittelbar anwendbar gewesen, wäre die Abgeltung der im Kollektivvertrag vorgesehenen Sonderzahlungen im Rahmen einer überkollektivvertraglichen laufenden Entlohnung an sich zulässig gewesen; dazu hätte es aber einer ausdrücklichen Vereinbarung darüber bedurft, dass mit der Zahlung von zwölf Monatsgehältern auch die Sonderzahlungen abgegolten sein sollten (vgl. ObA 256/98z). Ohne eine solche ausdrückliche Abrede stünden einem Arbeitnehmer auch bei überkollektivvertraglicher Entlohnung auf Grund der zwingenden Wirkung des Kollektivvertrages jedenfalls auch Sonderzahlungen zu.

Die im Beschwerdefall zu beurteilende Rechtslage unterscheidet sich vom Fall des Vertragabschlusses durch einen kollektivvertragsangehörigen Arbeitgeber in mehrfacher Hinsicht:

Der Schweizer Dienstgeber hatte im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses keine Veranlassung, auf einen Kollektivvertrag Bedacht zu nehmen, der auf das Arbeitsverhältnis nicht anzuwenden gewesen ist. Ob aber dieser Dienstvertrag auf Grund der erst ab dem durch § 7 Abs. 1 AVRAG geänderten Rechtslage durch den in Betracht kommenden Kollektivvertrag modifiziert worden wäre, ist im Rahmen des anzustellenden Günstigkeitsvergleichs zunächst mittels einer ergänzenden Vertragsauslegung iS des § 914 ABGB festzustellen, dh. es ist zu ermitteln, was redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten, wenn sich der Vertrag am Günstigkeitsmaßstab des Kollektivvertrages zu orientieren gehabt hätte.

Darüber hinaus ordnet § 7 AVRAG nicht etwa die unmittelbare Geltung eines Kollektivvertrages für ein ihm nicht unterliegendes Beschäftigungsverhältnis an; Wortlaut und Normzweck des § 7 AVRAG gehen dahin, dass österreichische Arbeitsbedingungen im Zuge der Ausübung der Dienstleistungsfreiheit nicht im Wege eines Sozialdumping unterlaufen werden sollen. Soweit es dabei um das Arbeitsentgelt geht, genügt es daher diesem Gesetzeszweck, dass das vertraglich bedungene Entgelt das jeweils kollektivvertraglich gebührende nicht unterschreitet. Gebührt dieses Arbeitsentgelt nach den getroffenen Vereinbarungen nur 12-mal jährlich, sieht der Kollektivvertrag hingegen (wie im Regelfall) auch Sonderzahlungen vor, dann ist dieser Günstigkeitsvergleich auf eine Jahresbetrachtung zu erweitern: ein Unterlaufen der österreichischen Arbeitsbedingungen ist nämlich insoweit nicht zu besorgen, als ein 12-mal im Jahr ausbezahltes Entgelt insgesamt nicht niedriger ist als das kollektivvertraglich gebührende Entgelt einschließlich der Sonderzahlungen. Eine ausdrückliche Abdingung der Sonderzahlungen im Hinblick auf eine überkollektivvertragliche Entlohnung kann daher auch von redlichen und vernünftigen, den Gesetzeszweck des § 7 AVRAG bedenkenden Vertragsparteien - anders als im Falle von Arbeitsverhältnissen, die unmittelbar dem Kollektivvertrag unterliegen - gar nicht erwartet werden.

Da die belangte Behörde die für den nach § 7 AVRAG anzustellenden Günstigkeitsvergleich erforderlichen Feststellungen aus dem anzuwendenden Kollektivvertrag nicht getroffen hat, bedarf der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG aufzuheben war.

Im weiteren Verfahren wird noch Folgendes zu beachten sein:

Verwies die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auf den Umstand, dass "Über die Höhe (des Entgeltes)...zum Prüfungszeitpunkt Einvernehmen" mit dem Beschwerdeführer herrschte, meinte sie offenbar das in ihrer Stellungnahme zum Einspruch behauptete Einvernehmen anlässlich einer Beitragsprüfung beim Beschwerdeführer am . Abgesehen davon, dass ein solches "Einvernehmen" für den Fall der Beschreitung des Rechtsweges durch den Beitragsschuldner ohne rechtliche Relevanz ist, musste die belangte Behörde schon aus seinem ausführlichen Einspruchsvorbringen erkennen, dass der Beschwerdeführer die von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse angenommenen Grundlagen bestreitet. Mit diesen Behauptungen des Beschwerdeführers hat sie sich jedoch nicht auseinander gesetzt, sodass der angefochtenen Bescheid auch insofern rechtswidrig ist. In diesem Zusammenhang wäre auch aufzuklären, ob die belangte Behörde den Betrag von S 23.320,-- als Anspruchslohn laut Kollektivvertrag oder als tatsächlich bezahltes Entgelt ("ausbezahlt") betrachtete.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wegen der auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden sachlichen Abgabenfreiheit (§ 110 ASVG) war das auf den Ersatz der Beschwerdegebühr gerichtete Kostenbegehren abzuweisen.

Wien, am