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VwGH 22.03.2001, 2000/07/0261

VwGH 22.03.2001, 2000/07/0261

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;
AVG §13 Abs3;
AVG §63 Abs3;
RS 1
§ 13 Abs 3 AVG idF BGBl 1998/I/158 stellt im Gegensatz zur bis dahin geltenden Rechtslage nicht mehr auf Formgebrechen ab, sondern ganz allgemein auf "Mängel". Damit sind auch solche Mängel, die bisher zur Zurückweisung zu führen hatten, wie etwa das Fehlen eines begründeten Berufungsantrages, einer Verbesserung zuzuführen. Fehlt ein begründeter Berufungsantrag, ist die Berufung nach § 13 Abs. 3 AVG zur Verbesserung zurückzustellen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 99/05/0041).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2000/10/0154 E RS 1
Normen
AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;
AVG §13 Abs3;
AVG §63 Abs3;
RS 2
Dafür, dass Berufungen nicht von der Novellierung des § 13 Abs. 3 AVG durch die AVG-Novelle 1998, BGBl 1998/I/158, erfasst werden sollten, findet sich weder im Wortlaut des § 13 AVG noch in den Materialien zur AVG-Novelle 1998 (1167 Blg. NR 20. GP) eine Grundlage, zumal schon nach der bis zur besagten Novellierung geltenden Rechtslage (formelle) Mängel von Berufungen verbesserungsfähig waren und laut diesen Gesetzesmaterialien mit der Novellierung dieser Bestimmung die Differenzierung zwischen formellen und materiellen Mängeln aufgehoben werden und jeder prinzipiell verbesserungsfähige Mangel eines Anbringens einer Verbesserung zugänglich werden sollte (Hinweis RV 1167 Blg NR 20. GP, 26, "Zu Z 3 (§ 13 samt Überschrift)").
Normen
AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;
AVG §33 Abs4;
VwRallg;
RS 3
Mit einem Mängelbehebungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 zweiter Satz AVG ist gleichzeitig eine (angemessene) Verbesserungsfrist zu setzen. Eine stillschweigende Fristsetzung ist dem Verfahrensrecht fremd (Hinweis E , 93/05/0134 ).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Grubner, über die Beschwerde des Mag. Klaus B in X, vertreten durch Puttinger, Vogl & Partner, Rechtsanwälte in 4910 Ried im Innkreis, Rainerstraße 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-260258/3/WEI/Bk, betreffend Zurückweisung einer Berufung i.A. Übertretung des Wasserrechtsgesetzes 1959 (weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis (der erstinstanzlichen Behörde) vom wurde über den Beschwerdeführer wegen Übertretung des Wasserrechtsgesetzes 1959 - WRG 1959 (§ 137 Abs. 3 lit. f iVm § 31b) gemäß § 139 Abs. 3 lit. f leg. cit. eine Geldstrafe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Stunden) verhängt. Dieses Straferkenntnis wurde dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am zugestellt.

Dagegen brachte der Beschwerdeführer bei der erstinstanzlichen Behörde mit Schriftsatz vom (dort eingelangt am ) Berufung mit folgendem wesentlichen Vorbringen ein: "Ich erhebe gegen das Straferkenntnis vom innerhalb offener Frist nachstehende Berufung: Ich beantrage, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gegen mich einzustellen."

Laut den in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltenen Aktenvermerken der erstinstanzlichen Behörde vom und sei dem Beschwerdeführer "stillschweigend" eine Drei-Wochen-Frist zur Ausführung der Berufung gewährt worden und dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am erklärt worden, dass wegen drohender Strafbarkeitsverjährung die "Berufungsanmeldung" dringend dem Unabhängigen Verwaltungssenat vorgelegt werden müsste, sowie "vereinbart" worden, dass nach Prüfung des Sachverhaltes eine weitere Kontaktaufnahme erfolgen werde. Dem Aktenvermerk vom zufolge habe der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers an diesem Tag nochmals "über den Sachverhalt" gesprochen und um Einräumung einer Frist von zumindest einer Woche zwecks Vorlage der Begründung für die Berufung ersucht. Ihm sei (von der erstinstanzlichen Behörde( zur Behebung des "Formgebrechens" telefonisch eine "letzte" Frist bis Freitag, den , gesetzt worden, widrigenfalls die Berufung als unzulässig zurückgewiesen werden müsste; der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers habe diese Entscheidung zur Kenntnis genommen.

In der sodann bei der erstinstanzlichen Behörde eingebrachten, am dort eingelangten Stellungnahme vom führte der Beschwerdeführer aus, aus welchen Gründen er gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis Berufung erhebe.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich (der belangten Behörde) vom wurden gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991 die als Berufung bezeichnete Eingabe vom mangels eines begründeten Berufungsantrages als unzulässig und die nachträgliche Stellungnahme vom als verspätet zurückgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Eingabe vom mangels eines begründeten Berufungsantrages nicht als Berufung im Sinn des Gesetzes angesehen werden könne und einer Verbesserung nicht zugänglich gewesen sei. Die mit Stellungnahme vom , eingelangt am , nachgetragene Berufungsbegründung sei verspätet gewesen. Das faktische Gewähren von Nachfristen durch die erstinstanzliche Behörde könne zu keiner abweichenden Beurteilung führen, weil weder die Berufungsfrist noch der notwendige Berufungsinhalt zur Disposition der Behörde stehe. Dieses Ergebnis könne durch § 13 Abs. 3 AVG idF BGBl. I Nr. 158/1998, wonach Mängel schriftlicher Anbringen nicht zur Zurückweisung ermächtigten, sondern die Behörde zur unverzüglichen Veranlassung der Mängelbehebung verpflichtet sei, nicht in Frage gestellt werden, weil mit dieser Bestimmung nicht das Berufungsrecht habe geändert werden sollen. Dass Rechtsmittel nicht wie beliebige Anbringen behandelt werden könnten, folge auch aus § 13 Abs. 2 AVG, worin die Rechtsmittel besonders erwähnt und diese den "sonstigen" Anbringen geradezu als ein aliud gegenübergestellt seien.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese nach Ablehnung deren Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluss vom , B 1373/00-3). Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes begehrt.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf meritorische Erledigung seiner Berufung durch die belangte Behörde als verletzt.

4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bringt vor, dass die Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers vom und seiner Stellungnahme vom zu Unrecht erfolgt sei, weil die belangte Behörde ihm gemäß § 13 Abs. 3 AVG idF der AVG-Novelle 1998, BGBl. I Nr. 158/1998, einen Mängelbehebungsauftrag hätte erteilen müssen. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer, sehe man die ihm von der erstinstanzlichen Behörde am telefonisch gesetzte Frist bis bereits als Verbesserungsauftrag an, diesem Auftrag durch seine Stellungnahme vom entsprochen, sodass die Berufung als rechtzeitig eingebracht anzusehen sei.

2. Nach der - gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden (vgl. etwa die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, zu § 51 VStG

E 79 zitierte hg. Judikatur) - Vorschrift des § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Bis zur Novellierung des AVG durch BGBl. I Nr. 158/1998 stellte das Fehlen eines begründeten Berufungsantrages einen nicht behebbaren, zur Zurückweisung einer Berufung führenden Mangel dar (vgl. etwa die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, zu § 63 AVG E 134 zitierte hg. Judikatur). Durch die mit in Kraft getretene Novellierung des AVG erhielt dessen - auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendende (vgl. § 24 VStG) - Bestimmung des § 13 Abs. 3 eine neue Fassung mit folgendem Wortlaut:

"§ 13 (3) Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht."

Nach dieser Neufassung ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen somit die Behörde nicht zur sofortigen Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen. Im Gegensatz zu der bis zur Neufassung geltenden Rechtslage stellt § 13 Abs. 3 AVG nicht mehr auf Formgebrechen ab, sondern ganz allgemein auf "Mängel". Damit sind auch solche Mängel, die bisher zur Zurückweisung zu führen hatten, wie etwa das Fehlen eines begründeten Berufungsantrages, einer Verbesserung zuzuführen. Fehlt ein begründeter Berufungsantrag, ist die Berufung nach § 13 Abs. 3 AVG zur Verbesserung zurückzustellen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/10/0154, mwN). Dafür, dass - wie die belangte Behörde meint - Berufungen nicht von der genannten Novellierung erfasst werden sollten, findet sich weder im Wortlaut des § 13 AVG noch in den Materialien zur AVG-Novelle 1998 (1167 Blg. NR 20. GP) eine Grundlage, zumal schon nach der bis zur besagten Novellierung geltenden Rechtslage (formelle) Mängel von Berufungen verbesserungsfähig waren (vgl. dazu etwa Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, Rz 160, 161, 524, mwN) und laut diesen Gesetzesmaterialien mit der Novellierung dieser Bestimmung die Differenzierung zwischen formellen und materiellen Mängeln aufgehoben werden und jeder prinzipiell verbesserungsfähige Mangel eines Anbringens einer Verbesserung zugänglich werden sollte (vgl. RV 1167 Blg NR 20. GP, 26, "Zu Z 3 (§ 13 samt Überschrift)").

3. Da die Berufung vom zwar einen Berufungsantrag, aber keine Begründung dafür enthielt, war von der Behörde gemäß § 13 Abs. 3 AVG (in der novellierten Fassung) vorzugehen. Den in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltenen Aktenvermerken vom und zufolge wurde dem Beschwerdeführer von der erstinstanzlichen Behörde nach bereits "stillschweigend gewährter" Mängelbehebungsfrist am telefonisch "eine letzte Frist bis Freitag, den , gesetzt, widrigenfalls die Berufung als unzulässig zurückgewiesen werden müsste", was vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers zur Kenntnis genommen wurde.

Dazu ist zu bemerken, dass mit einem Mängelbehebungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 zweiter Satz AVG gleichzeitig eine (angemessene) Verbesserungsfrist zu setzen ist und eine stillschweigende Fristsetzung dem Verfahrensrecht fremd ist (vgl. in diesem Zusammenhang etwa die in Walter/Thienel, aaO, zu § 33 AVG E 44 zitierte hg. Judikatur). Die in den vorzitierten Aktenvermerken genannte "stillschweigende Fristgewährung" konnte daher noch keine Grundlage für eine Zurückweisung im Sinn des § 13 Abs. 3 zweiter Satz AVG schaffen, sondern es wurde erst am ein dem § 13 Abs. 3 leg. cit. entsprechender Verbesserungsauftrag erteilt. Für diese Verfahrensanordnung war die erstinstanzliche Behörde nicht unzuständig, stand es doch in ihrem Ermessen zu erwägen, eine Berufungsvorentscheidung nach § 24 VStG iVm § 64a Abs. 1 AVG zu treffen, und die Voraussetzungen für eine solche Entscheidung zu beurteilen.

4. Mit der obgenannten Stellungnahme vom holte der Beschwerdeführer die fehlende Begründung für seinen Berufungsantrag nach. Ob dieser Schriftsatz innerhalb der am gesetzten Verbesserungsfrist erstattet wurde, ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen. Darin findet sich insoweit lediglich die Feststellung, dass der Schriftsatz am eingelangt ist. Sollte der Schriftsatz spätestens am zur Post gegeben worden sein (§ 33 Abs. 3 AVG; der auf den in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltenen Briefkuvert gesetzte Aufdruck einer Freistempelmaschine mit dem Namen des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers lässt noch keinen gesicherten Schluss auf das Postaufgabedatum zu), wäre der inhaltliche Mangel der Berufung innerhalb der gesetzten Frist behoben worden, was zur Folge hätte, dass die Berufungsfrist vom Beschwerdeführer gewahrt worden wäre (vgl. dazu etwa die in Walter/Mayer, aaO, Rz 161, zitierte hg. Judikatur).

5. Da die belangte Behörde in Bezug auf § 13 Abs. 3 AVG idF BGBl. I Nr. 158/1998 die Rechtslage verkannt hat und in deren Verkennung Feststellungen hinsichtlich des Zeitpunktes der Einbringung des Verbesserungsschriftsatzes vom nicht getroffen hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am

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Normen
AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;
AVG §13 Abs3;
AVG §33 Abs4;
AVG §63 Abs3;
VwRallg;
Schlagworte
Allgemein
Formgebrechen behebbare
Pflichten bei Erteilung des Verbesserungsauftrages Frist
Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5
Verbesserungsauftrag Bejahung
Verbesserungsauftrag Bejahung Berufungsverfahren
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2001:2000070261.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
EAAAE-33886