VwGH vom 09.07.1992, 92/06/0097
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde des LW jun. in S, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom , Zl. 2/18-2/1992, betreffend Übertretung der Tiroler Bauordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, dadurch, daß er am um 11.30 Uhr auf der Grundparzelle Nr. 787/4, KG S Holzpfetten auf die halbfertige Dachkonstruktion des dort befindlichen Gebäudes geschoben habe, seinem Vater vorsätzlich die Begehung von Verwaltungsübertretungen erleichtert habe, da er gewußt habe, daß für dieses bewilligungspflichtige Bauvorhaben keine Baubewilligung vorlag. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 7 VStG in Verbindung mit § 53 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 und § 25 lit. a der Tiroler Bauordnung begangen. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 100.000,-- (Ersatzarrest sechs Wochen) verhängt. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der im Spruch angeführte Sachverhalt sei für die Behörde aufgrund der Anzeige des Gendarmeriepostens sowie der Verantwortung des Beschwerdeführers erwiesen. Der Beschwerdeführer habe in seiner niederschriftlichen Einvernahme vom (vertreten durch seinen Vater) angegeben, daß die Vorwürfe in der Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigter richtig seien, er habe auch gewußt, daß für das gegenständliche bewilligungspflichtige Bauvorhaben eine rechtskräftige Baubewilligung nicht vorliege.
In seiner Berufung gegen dieses Straferkenntnis brachte der Beschwerdeführer vor, er habe seinen Vater nicht mit seiner Vertretung beauftragt. Es sei unzulässig, eine Vertretung durch den Vater anzunehmen, da der Beschwerdeführer volljährig und eigenberechtigt sei und nicht mehr der gesetzlichen Vertretung durch seinen Vater unterliege. Aus § 10 Abs. 4 AVG ergebe sich, daß keine Partei wider ihren Willen eine von ihr nicht bestimmte Person als ihren Bevollmächtigten gelten lassen müsse. Darüber hinaus bestritt er, exakt um 11.30 Uhr die ihm zur Last gelegten Handlungen begangen zu haben. Überdies brachte er vor, mit Ausnahme der niederschriftlichen Einvernahme, in der rechtswidriger Weise von einer Vertretung des Beschwerdeführers durch seinen Vater ausgegangen worden sei, lägen keine Beweisergebnisse vor, aus denen Rückschlüsse auf die subjektive Tatseite gezogen werden könnten. Beihilfe im Sinne des § 7 VStG setze vorsätzliche Handlungsweise voraus. Die Behörde leite die Vorsätzlichkeit ausschließlich aus einer rechtswidrig erfolgten niederschriftlichen Einvernahme des Vaters des Beschwerdeführers her. Es lägen keine Voraussetzungen der Strafbarkeit der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Handlung vor. Hilfsweise wurde ausgeführt, daß die verhängte Strafe hinsichtlich ihrer Höhe rechtswidrig bemessen worden sei.
Mit Bescheid vom gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom insofern Folge, als sie das Strafausmaß auf S 50.000,-- (Ersatzarreststrafe drei Wochen) herabgesetzt hat, im übrigen wurde die Berufung abgewiesen. Die Berufungsbehörde führte im wesentlichen aus, aufgrund bereits durchgeführter, ähnlich gelagerter Verwaltungsstrafverfahren sowohl gegen LW sen. als auch gegen den Beschwerdeführer habe die Strafbehörde erster Instanz davon ausgehen können, daß LW sen. als amtsbekanntes Familienmitglied anläßlich seiner Einvernahme vor der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel am anzusehen sei. Die Behörde habe daher von einer ausdrücklichen Vollmacht absehen können. Da der Beschwerdeführer davon Kenntnis gehabt habe, daß eine Baubewilligung nicht vorgelegen sei und er seinem Vater bei den Bauarbeiten geholfen habe, sei die Erstbehörde zu Recht davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer vorsätzlich seinem Vater die Begehung der Verwaltungsübertretung nach § 53 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 TBO sowie § 25 lit. a TBO erleichtert und daher den ihm zur Last gelegten Tatbestand verwirklicht habe. Es folgten Ausführungen zur Strafbemessung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 10 Abs. 1 AVG und § 24 VStG können sich die Parteien im Verwaltungsstrafverfahren durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen. Eine solche Vertretung setzt voraus, daß der Bevollmächtigte die Befugnis besitzt, die erforderlichen Prozeßhandlungen mit rechtlicher Wirksamkeit für den Vertretenen vorzunehmen. Diese Befugnis zur Vertretung wird, falls sie nicht aus dem Gesetz oder der Anordnung einer Behörde fließt, durch Rechtsgeschäft begründet. Über dieses Rechtsgeschäft hat sich der Bevollmächtigte vor der Behörde in der Regel durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen. Nach § 10 Abs. 4 AVG kann die Behörde jedoch von der Vorlage einer Vollmacht absehen, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Familienmitglieder handelt und Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis nicht obwalten. Da, wie die zitierte Verwaltungsvorschrift besagt, Zweifel über den Bestand der Vertretungsbefugnis nicht obwalten dürfen, ist der Bestand der Vertretungsbefugnis Voraussetzung der Vertretung auch dann, wenn die Behörde von der Vorlage einer ausdrücklichen Vollmacht absieht. Im vorliegenden Fall hatte die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel offenbar keine Zweifel über den Bestand der Vertretungsbefugnis des aus früheren Verfahren amtsbekannten LW sen., der für den Beschwerdeführer am vor der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel im Zuge eines gegen ihn selbst durchgeführten Strafverfahrens vorgebracht hatte, es habe ihn sein Sohn mit der Abgabe einer Stellungnahme beauftragt. In seiner Berufung hat der Beschwerdeführer jedoch bestritten, seinen Vater in diesem Strafverfahren bevollmächtigt zu haben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom , Slg. NF Nr. 3.781/A, ausgeführt, daß § 10 Abs. 4 AVG nicht dahin zu verstehen sei, daß ein Beteiligter wider seinen Willen eine von ihm nicht bestellte Person als seinen Bevollmächtigten gelten lassen müsse. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof weiters ausgeführt, daß dann, wenn die Vertretungsbefugnis durch eine vertretene Partei bestritten wird, die Behörde hierüber Feststellungen zu treffen habe. Die belangte Behörde führt in der Begründung ihres Bescheides aus, aufgrund bereits durchgeführter, ähnlich gelagerter Verwaltungsstrafverfahren sowohl gegen LW sen. als auch LW jun. (den Beschwerdeführer) habe die Behörde erster Instanz davon ausgehen können, daß LW sen. als amtsbekanntes Familienmitglied anzusehen sei und die Behörde daher von der Vorlage einer ausdrücklichen Vollmacht absehen durfte. Sie hat aber keine Ermittlungen dahingehend angestellt, ob LW sen. tatsächlich zum Zeitpunkt der Aufnahme der Niederschrift am von seinem Sohn, dem Beschwerdeführer, mit dessen Vertretung beauftragt war. Aufgrund des ausdrücklichen Bestreitens des Vorliegens eines Vollmachtsverhältnisses in der Berufung wäre die belangte Behörde aber verpflichtet gewesen, Ermittlungen dahingehend durchzuführen, ob dieses Vertretungsverhältnis tatsächlich bestanden hatte. Der angeblich mit der Vertretung beauftragte Vater des Beschwerdeführers hat nach der Aktenlage auch nicht die an den Beschwerdeführer ergangene Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigter vorgelegt oder sich auf diese bezogen, er war vielmehr in eigener Sache als Beschuldigter in einem Strafverfahren an diesem Tag vernommen worden und hat im Anschluß an seine eigene Vernehmung als Beschuldigter angegeben, von seinem Sohn bevollmächtigt worden zu sein. Da eine schriftliche Vollmacht nicht vorgelegt worden war und der Beschwerdeführer in seiner Berufung ausdrücklich das Vorliegen einer Vertretungsbefugnis bestritten und die belangte Behörde aber keine Ermittlungen über das Vorliegen einer Vertretungsbefugnis durchgeführt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Aufgrund ähnlich gelagerter Verwaltungsstrafverfahren konnte sowohl die Strafbehörde erster Instanz als auch die belangte Behörde zwar LW sen. als amtsbekanntes Familienmitglied ansehen, der Umstand, daß LW sen. als Vater des Beschwerdeführers amtsbekanntes Familienmitglied war, gab allein noch keinen Hinweis auf das Vorliegen einer Vertretungsbefugnis im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren. Daß der Vater in anderen Verwaltungsstrafverfahren vom Beschwerdeführer mit dessen Vertretung beauftragt worden sei, hat keine der beiden Behörden behauptet, die Aktenlage bietet auch keinen Hinweis für eine derartige Annahme.
Da sowohl die Strafbehörde erster Instanz als auch die belangte Behörde das für die Beihilfe gemäß § 7 VStG notwendige Vorliegen von Vorsatz ausschließlich damit begründete, daß der Vater des Beschwerdeführers dessen Vorsatz anläßlich der Tatbegehung ausdrücklich bestätigte, war der Verfahrensmangel betreffend das Vorliegen der Vertretungsbefugnis auch wesentlich, da nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Durchführung der erforderlichen Ermittlungen zu einem anderen Verfahrensergebnis gelangt wäre. Es war daher der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Das Mehrbegehren für eine nicht erforderliche Ausfertigung der Beschwerde war abzuweisen.