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VwGH vom 27.02.2003, 2000/18/0040

VwGH vom 27.02.2003, 2000/18/0040

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des M, geboren 1963, vertreten Dr. Alex Pratter und Dr. Peter Lechenauer, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom , Zl. Fr-198/1/99, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) vom wurde gegen den Beschwerdeführer, laut den Beschwerdebehauptungen ein jugoslawischer Staatsangehöriger, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 und 7 unter Bedachtnahme auf die §§ 35 und 37 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei seit 1991 im Bundesgebiet aufhältig. Sein letzter gültiger Sichtvermerk sei mit abgelaufen. Er lebe von den finanziellen Zuwendungen seiner Lebensgefährtin J. Sowohl am als auch am sei er wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO, nämlich wegen Lenkens eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand, rechtskräftig bestraft worden. Das Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem solchen Zustand stelle eine schwere Verwaltungsübertretung dar, weil bei dessen Begehung stets eine Gefährdung für einen größeren Personenkreis gegeben sei. Es lägen daher die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG vor, ohne dass es hiezu näherer Ausführungen bedürfe.

Das Aufenthaltsverbot stütze sich auch auf die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers, weil er den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht habe nachzuweisen vermocht und nicht rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist sei sowie innerhalb des letzten Jahres im Inland nicht mehr als sechs Monate einer erlaubten Beschäftigung nachgegangen sei. Was die vom Beschwerdeführer in seiner Berufung angeführten finanziellen Zuwendungen seiner Lebensgefährtin anlangten, so sei diese Behauptung keinesfalls als Nachweis des Besitzes der Mittel zum Unterhalt zu werten. Die Auffassung der Erstbehörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG verwirklicht sei, sei daher nicht zu entkräften. Hiebei komme es nicht darauf an, ob das Fehlen der Mittel dem Beschwerdeführer vorwerfbar sei. In der Folge wäre zu befürchten, dass sein weiterer Aufenthalt in Österreich zu einer finanziellen Belastung der Republik führen könnte.

Als Präventionsmaßnahme zur Verhinderung von weiteren schweren Verwaltungsübertretungen sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten. Auch stehe dieser Maßnahme die Bestimmung des Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht entgegen. Ebenso fänden § 35 oder § 38 FrG keine Anwendung. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 FrG sei richtigerweise festgestellt worden, dass die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von dieser Maßnahme schwerer wögen als die Auswirkungen auf die persönliche Lebenssituation des Beschwerdeführers. (Die Erstbehörde hatte in ihrem Bescheid vom u.a. ausgeführt, dass gegen den Beschwerdeführer, der mit seiner Lebensgefährtin und seiner minderjährigen Tochter in einer aus zwei Zimmern bestehenden Wohnung in Salzburg gelebt habe, am gemäß § 38a SPG eine Wegweisung bzw. ein Rückkehrverbot wegen des Verdachts der gefährlichen Drohung ausgesprochen worden sei und insbesondere im Hinblick darauf und auf seine daraufhin erfolgte gerichtliche Verurteilung die Erstbehörde zu einer zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausfallenden Abwägung gelangt sei.)

Entgegen den Berufungsausführungen stehe fest, dass der Beschwerdeführer jedenfalls von der Absicht der Erstbehörde, ein Aufenthaltsverbot gegen ihn zu erlassen, durch die Zustellung eines RSa-Briefes durch Hinterlegung am nachweislich in Kenntnis gesetzt worden sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen eine der in den Z. 1 und 2 umschriebenen Annahmen gerechtfertigt ist.

Gemäß Abs. 2 des § 36 FrG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (Z. 2) mehr als einmal wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 1 oder 2 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159, rechtskräftig bestraft worden ist oder (Z. 7) den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, er wäre rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Inland mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen.

2. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass der Beschwerdeführer sowohl am als auch am wegen Lenkens eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand nach § 99 Abs. 1 StVO jeweils (rechtskräftig) bestraft wurde, sie macht jedoch zu Recht geltend, dass die am erfolgte Bestrafung gemäß § 55 Abs. 1 VStG - danach gilt ein wegen einer Verwaltungsübertretung verhängtes Straferkenntnis nach Ablauf von fünf Jahren nach dessen Fällung als getilgt - (bei Erlassung des angefochtenen Bescheides) als getilgt anzusehen war.

Von daher ist der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG nicht verwirklicht und ist die belangte Behörde insoweit einem Rechtsirrtum unterlegen.

Dies allein führt jedoch noch nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

3.1. Gegen die Beurteilung der belangten Behörde im Grund des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG bringt die Beschwerde vor, dass die langjährige Lebensgefährtin des Beschwerdeführers beim Magistrat der Stadt Salzburg eine Verpflichtungserklärung des Inhalts, dass sie für dessen Lebensunterhalt aufkommen würde, samt Gehaltsbestätigung und Reisepasskopie vorgelegt habe und sich die belangte Behörde damit nicht auseinander gesetzt habe. Auf Grund dieser Verpflichtungserklärung sei auch der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG nicht verwirklicht.

3.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 99/18/0310, mwN) hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhaltes verfügt, sondern dass sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gesichert erscheint.

Den im erstinstanzlichen Bescheid vom unter dem Blickwinkel des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG getroffenen Ausführungen, dass der Beschwerdeführer seit 1997 ohne eigenes Einkommen sei, er laut seinen Angaben seit Juli 1997 von den finanziellen Zuwendungen seiner Lebensgefährtin lebe und seit 1997 seine Mittellosigkeit bestehe, wobei keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass er in Zukunft seinen Unterhalt durch den Einsatz eigener Kräfte zu sichern trachten würde, ist der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren nur mit dem Vorbringen, es fehlten Feststellungen dahingehend, dass er öffentliche Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes herangezogen hätte, sodass davon auszugehen sei, dass sein Lebensunterhalt immer gesichert gewesen sei, entgegengetreten. Wenn die Beschwerde nunmehr vorbringt, dass die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers beim Magistrat der Stadt Salzburg eine Verpflichtungserklärung abgegeben habe, so handelt es sich dabei um eine erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren aufgestellte Behauptung und damit unzulässige Neuerung (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG), zumal in den vorgelegten Verwaltungsakten (damit wurde auch der Akt des genannten Magistrates vorgelegt) keine Verpflichtungserklärung erliegt und der Beschwerdeführer nach Ausweis der Verwaltungsakten auch weder in seinem beim Magistrat am eingelangten Antrag auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels noch bei seiner Vernehmung durch diese Behörde am auf eine Verpflichtungserklärung seiner Lebensgefährtin Bezug genommen hatte.

Wenn die Beschwerde vorbringt, der Magistrat hätte gemäß § 15 Abs. 1 FrG dem Beschwerdeführer die Absicht einer Aufenthaltsbeendigung mitteilen müssen und es sei sein Recht auf Parteiengehör nicht gewahrt worden, so geht diese Verfahrensrüge fehl, zeigt die Beschwerde doch nicht auf, inwieweit der Beschwerdeführer keine Möglichkeit hatte, gegen die beabsichtigte Maßnahme Stellung zu nehmen, sodass die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan wurde. Darüber hinaus wäre ein allfälliger Mangel des Parteiengehörs in erster Instanz durch die mit der Berufung gegebene Möglichkeit der Stellungnahme saniert (vgl. etwa die in Hauer/Leukauf, Verwaltungsverfahren5, zu § 45 Abs. 3 AVG E 48b zitierte hg. Judikatur).

3.3. Von daher begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermocht habe und der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG daher verwirklicht sei, keinem Einwand.

4. Angesichts der nach der hg. Rechtsprechung (vgl. nochmals das Erkenntnis Zl. 99/18/0310, mwN) aus der Mittellosigkeit eines Fremden resultierenden Gefahr der illegalen Mittelbeschaffung und einer finanziellen Belastung der Republik Österreich begegnet auch die weitere Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken.

5.1. Im Licht des § 37 Abs. 1 und 2 FrG bringt die Beschwerde unter Bezugnahme auf das im erstinstanzlichen Bescheid festgestellte, am ausgesprochene Rückkehrverbot vor, es sei der Erstbehörde und der belangten Behörde jeweils im Bescheiderlassungszeitpunkt bekannt gewesen, dass der Beschwerdeführer nach wie vor mit seiner Lebensgefährtin und der gemeinsamen (nunmehr) zwölfjährigen Tochter im gemeinsamen Haushalt lebe, und es sei eine private Bindung zu seiner Familie nach wie vor gegeben. Insbesondere hätte die belangte Behörde darauf eingehen müssen, dass es für ein zwölfjähriges Kind eine schwere Belastung bedeute, ihren Vater gerade in den wichtigen Jahren der Pubertät nicht zur Seite zu haben. Auch sei die Interessenabwägung deshalb unrichtig, weil eine der beiden Verwaltungsstrafen bereits getilgt sei und die der anderen Bestrafung zugrunde liegende Verwaltungsübertretung vier Jahre zurückliege, in denen sich der Beschwerdeführer keine weiteren Übertretungen habe zuschulden kommen lassen. Ferner sei die belangte Behörde nicht darauf eingegangen, dass sich der Beschwerdeführer nunmehr seit neun Jahren ununterbrochen rechtmäßig in Österreich aufhalte.

5.2. Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde zum Erfolg.

Der Beschwerdeführer hat nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten in seinen mit seinem Wiedereinsetzungsantrag vom verbundenen Berufungsausführungen, die als Ergänzung zu seiner Berufung vom zu werten sind, (u.a.) vorgebracht, dass der Beschwerdeführer sich in Österreich eine Existenz aufgebaut habe, er sich in Lebensgemeinschaft mit J. befinde, seine elf Jahre alte Tochter im gemeinsamen Haushalt lebe und diese Umstände von der Erstbehörde im Sinn des § 37 FrG nicht berücksichtigt worden seien. Auch seien die Ausführungen der Erstbehörde zu den Verwaltungsübertretungen mangelhaft, weil die Verwaltungsübertretung (offensichtlich gemeint: die Bestrafung) vom bereits getilgt sei und keine (weiteren) Ausführungen zu den verwaltungsrechtlichen Bestrafungen getroffen worden seien.

Die belangte Behörde hat bei ihrer Beurteilung nach § 37 Abs. 1 und 2 FrG ausgeführt, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes als Präventionsmaßnahme zur Verhinderung von weiteren schweren Verwaltungsübertretungen dringend geboten sei, sie hat jedoch Feststellungen zu dem den verwaltungsbehördlichen Bestrafungen des Beschwerdeführers zugrunde liegenden Fehlverhalten - grundsätzlich ist es der Behörde nicht verwehrt, wie bei der Beurteilung nach § 36 Abs. 1 FrG auch bei jener nach § 37 Abs. 1 und 2 leg. cit. das einer bereits getilgten Bestrafung zugrunde liegende Fehlverhalten zu berücksichtigen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/18/0028, mwN) - unterlassen. Ferner hat die belangte Behörde auch keine Feststellungen zu den vorzitierten Behauptungen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner persönlichen Bindungen zu seiner Lebensgefährtin und seinem Kind getroffen.

Mit dem ohne weitere Begründung getroffenen Hinweis, die Erstbehörde habe bei der Interessenabwägung gemäß § 37 FrG richtigerweise festgestellt, dass die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes schwerer wögen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die persönliche Lebenssituation des Beschwerdeführers, hat die belangte Behörde ihrer Begründungspflicht (vgl. § 67 iVm § 58 Abs. 2,§ 60 AVG) nicht entsprochen. Dieser Begründungsmangel hindert eine Überprüfung des angefochtenen Bescheides.

6. Nach dem Gesagten war der bekämpfte Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000, und der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am