VwGH vom 11.06.1992, 92/06/0057

VwGH vom 11.06.1992, 92/06/0057

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

92/06/0058

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerden der Stadtgemeinde H, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in H, gegen die Bescheide der Slbg LReg vom , Zl. 1/02-32.584/2-1992 und 1/02-32.584/3-1992, betreffend jeweils Parteistellung in einem Baubewilligungsverfahren (mitbeteiligte Partei: Weggenossenschaft W, vertreten durch FD in H), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 3.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im baubehördlichen Bewilligungsverfahren betreffend die Errichtung einer Wohnanlage mit 23 Wohnungen auf Teilflächen der GP 3/310 und 3/40 der KG X, Gemeinde H, durch die G-GmbH in S, wurde der mitbeteiligten Partei keine Parteistellung eingeräumt und die baubehördliche Bewilligung mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde H vom erteilt. Mit Eingabe vom hat die mitbeteiligte Partei den Antrag auf Bescheidzustellung als übergangene Partei gestellt. Diesem Antrag wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Stadtgemeinde vom nicht stattgegeben. Die mitbeteiligte Partei hat gegen diesen Bescheid Berufung eingebracht, die mit Bescheid der Stadtgemeindevertretung vom abgewiesen wurde. Der gegen diesen Bescheid eingebrachten Vorstellung hat die Salzburger Landesregierung mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom , Zl. 1/02-32.584/2-1992, stattgegeben und den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes behoben.

Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde der Stadtgemeinde H wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes wurde zur h. g. Zl. 92/06/0057 protokolliert.

In einem weiteren baubehördlichen Bewilligungsverfahren betreffend die Errichtung von 8 Reihenhäusern auf anderen Teilflächen der GP 3/310 und 3/40 KG X, Gemeinde H, durch die N-Gesellschaft m.b.H. in H, wurde der mitbeteiligten Partei ebenfalls keine Parteistellung eingeräumt, die beantragte Baubewilligung wurde mit Bescheid vom erteilt. Der Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung der mitbeteiligten Partei wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Stadtgemeinde vom abgewiesen. Gegen die Abweisung der Zuerkennung der Parteistellung hat die mitbeteiligte Partei die Berufung eingebracht, die mit Bescheid der Stadtgemeindevertretung vom abgewiesen wurde. Aufgrund der gegen diesen Bescheid eingebrachten Vorstellung hat die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom , Zl. 1/02/32.584/3-1992, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes behoben. Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu h.g. Zl. 92/06/0058 protokollierte Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer gemeinsamen Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.

Auch die mitbeteiligte Partei hat zwei Gegenschriften eingebracht. Der Verwaltungsgerichtshof hat zunächst beschlossen, wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges beide Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden.

In der Sache selbst hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die mitbeteiligte Weggenossenschaft W ist Eigentümerin einer dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Fläche, der Wegparzelle Nr. 123/61, KG X. Die Wegparzelle ist unbestritten ein öffentlicher Interessentenweg nach § 37 des Salzburger Landesstraßengesetzes 1972. Während der Bürgermeister der beschwerdeführenden Stadtgemeinde und die Stadtgemeindevertretung in ihren Bescheiden davon ausgegangen sind, daß eine Parteistellung der mitbeteiligten Weggenossenschaft nicht vorliege, da das Eigentum an einer dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Fläche keine Parteistellung im Baubewilligungsverfahren begründe, vertritt die belangte Behörde in ihren Bescheiden vom die Rechtsansicht, daß der Weggenosschenschaft Parteistellung im Baubewilligungsverfahren gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1a des Baupolizeigesetzes zukomme, weil gemäß der Textierung in dieser Bestimmung die Frage der Parteistellung lediglich vom Grundeigentum der benachbarten Liegenschaften abhänge, nicht jedoch von der Widmungskategorie derselben.

Zufolge der Begründung ihres Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, daß der mitbeteiligten Partei schon aufgrund der Bestimmungen des § 7 Abs. 1 Z. 1 lit. a Baupolizeigesetzes die Parteistellung zukomme, sodaß die Prüfung der Frage, ob der mitbeteiligten Partei auch aufgrund der Bestimmungen des § 7 Abs. 2 leg. cit. Parteistellung zukomme, entfallen könne.

§ 7 des Salzburger Baupolizeigesetzes, LGBl. Nr. 117/1973, in der Fassung LGBl. Nr. 75/1988 regelt die Parteistellung und differenziert nach einzelnen baulichen Maßnahmen. Die Bestimmung lautet:

Parteien

§ 7

(1) Parteien im Bewilligungsverfahren sind der Bewilligungswerber, der Grundeigentümer und außerdem

1. als Nachbarn

a) bei den im § 2 Abs. 1 lit. a angeführten baulichen Maßnahmen die Eigentümer jener Grundstücke, die von den Fronten des Baues nicht weiter entfernt sind als die nach § 25 Abs. 3 des Bebauungsgrundlagengesetzes maßgebenden Höhen der Fronten betragen. Bei oberirdischen Bauten mit einem umbauten Raum von über 300 cbm haben jedenfalls auch alle Eigentümer von Grundstücken, die von den Fronten des Baues weniger als 15 m entfernt sind, Parteistellung;

b) bei den im § 2 Abs. 1 lit. e angeführten baulichen Maßnahmen die in lit. a angeführten Personen, soferne die Zweckänderung die im § 9 Abs. 1 lit. a und b angeführten raumordnungs- und baurechtlichen Voraussetzungen berühren kann;

c) bei den § 2 Abs. 1 lit. g angeführten baulichen Maßnahmen die Eigentümer jener Grundstücke, die an das Grundstück, auf das sich die Bewilligung beziehen soll, angrenzen, bei der Errichtung von Stütz- und Futtermauern außerdem die Eigentümer jener Grundstücke, die von der geplanten Mauer nicht weiter als das Doppelte ihrer höchsten Höhe entfernt sind;

d) bei den im § 2 Abs. 1 lit. h angeführten baulichen Maßnahmen die Eigentümer der an die einzufriedene Seite des Bauplatzes angrenzenden und nicht weiter als Mauerhöhe entfernten Grundstücke sowie die Straßenerhalter öffentlicher Verkehrsflächen, die von der Einfriedung nicht weiter als deren Höhe entfernt liegen;

e) bei den im § 2 Abs. 1 lit. i angeführten baulichen Maßnahmen sinngemäß die in lit. a bezeichneten Grundstückseigentümer.

2. die Eigentümer der Hauptversorgungseinrichtungen, die oder deren Sicherheitsabstand durch die geplante bauliche Maßnahme unmittelbar erfaßt werden.

(2) Parteien im Verfahren zur Bewilligung von Vorarbeiten (§ 6) und der Inanspruchnahme fremder Liegenschaften (§ 14) sind außer dem Bewilligungswerber die zur Duldung Verpflichteten.

(3) Partei in einem Verfahren zur Verlängerung der Frist gemäß § 9 Abs. 7 ist der Bauherr.

(4) Partei im Verfahren zur Erlassung behördlicher Vorkehrungen gemäß § 13 ist der Bauherr (Bewilligungswerber), gegebenenfalls der Bauführer.

(5) Partei in einem Verfahren gemäß § 16 sowie in einem Überprüfungsverfahren gemäß § 17 ist der Bauherr bzw. der Veranlasser oder Eigentümer.

(6) Partei im Verfahren zur Erlassung von Aufträgen gemäß § 19 Abs. 3 und 5 sowie § 20 ist der Eigentümer der baulichen Anlage.

(7) Partei in einem Verfahren gemäß § 2 Abs. 1 lit. f und § 21 ist außer dem Grundeigentümer und allfälligen Baurechtberechtigten der Eigentümer der baulichen Anlage sowie der Bewilligungswerber oder der vorgesehene Adressat des baupolizeilichen Auftrages, bei der Herstellung ordnungsgemäßer Abflußverhältnisse gemäß § 21 Abs. 3 auch der Antragsteller.

Bei den in § 2 Abs. 1 lit. a des Baupolizeigesetzes angeführten baulichen Maßnahmen handelt es sich um die Errichtung von oberirdischen und unterirdischen Bauten einschließlich der Zu- und Aufbauten. Unbestritten ist, daß Gegenstand der jeweiligen baubehördlichen Bewilligungsverfahren oberirdischen Bauten mit einem umbauten Raum von jeweils über 300 cbm waren und das Grundstück der mitbeteiligten Weggenossenschaft von den baubewillgungsgegenständlichen Objekten einen Abstand von jeweils weniger als 15 m aufweist. Unbestritten ist weiter, daß der W-Weg und damit das Grundstück der mitbeteiligten Weggenossenschaft im gültigen Flächenwidmungsplan der beschwerdeführenden Stadtgemeinde als "Verkehrsfläche" nach § 13 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977 ausgewiesen ist.

Zur Unterstützung ihrer Rechtsansicht, wonach dem Eigentümer einer öffentlichen Verkehrsfläche keine Parteistellung im Baubewilligungsverfahren zukommt, zitiert die beschwerdeführende Stadtgemeinde eine Reihe von Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes, die sich jedoch, wie sie selbst einräumt, auf andere Bundesländer (Tirol, Vorarlberg, Oberösterreich und die Steiermark) beziehen bzw. zwei Erkenntnisse jeweils vom (Zlen. 963/74 und 634/75), auf die Rechtslage in Salzburg vor Inkrafttreten des in den damaligen Beschwerdefällen nicht anzuwendenden Salzburger Baupolizeigesetzes, LGBl. Nr. 117/1973. Im seinem Erkenntnis vom , Zl. 963/74 hat der Verwaltungsgerichtshof bereits zum Ausdruck gebracht, daß das spätere, im Beschwerdefall nicht anzuwendende Baupolizeigesetz, LGBl. Nr. 117/1973 in seinem § 7 eine ANDERE Regelung trifft als jene in der im Beschwerdefall anzuwendende StBO 1968, die eine Parteistellung eines Eigentümers einer öffentlichen Verkehrsfläche NICHT vorgesehen hat.

Gemäß § 9 Abs. 1 des Baupolizeigesetzes ist die Baubewilligung zu versagen, wenn die bauliche Maßnahme vom Standpunkt des öffentlichen Interesses unzulässig erscheint. Unter Abs. 1 lit. g dieser Bestimmung wird erläutert, daß dies inbesondere dann der Fall ist, wenn durch die bauliche Maßnahme ein subjektiv-öffentliches Recht einer Partei verletzt wird. Diese subjektiv-öffentlichen Rechte sind im § 62 des Salzburger Bautechnikgesetz LGBl. Nr. 75/1976, in der Fassung LGBl. Nr. 2/1991, erschöpfend aufgezählt. Entgegen der Annahme der beschwerdeführenden Stadtgemeinde kann der Eigentümer einer öffentlichen Verkehrsfläche durch eine Baumaßnahme sehr wohl in einem in § 62 des Salzburger Bautechnikgesetzes festgesetzten subjektiv-öffentlichen Recht verletzt werden, es kommt hier vor allem die Bestimmung des § 62 Z. 1 (§ 8 Abs. 1 hinsichtlich des Vortretens vor Bauteilen im Mindestabstand von den Grenzen des Bauplatzes) in Betracht. Nur derjenige, dem Parteistellung aus § 7 des Baupolizeigesetzes zukommt, kann die in § 62 des Baupolizeigesetzes normierten subjektiv-öffentlichen Rechte geltend machen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/06/0210). Das bedeutet auch - soll dem Landesgesetzgeber keine systemwidrige Regelung unterstellt werden - daß ein in § 62 Baupolizeigesetz eingeräumtes Recht die Parteistellung desjenigen, der dieses Recht durchsetzen kann, voraussetzt. Anders als in anderen Bauordnungen (vgl. z. B. § 30 der Tiroler Bauordnung) ist die Parteistellung des § 7 Abs. 1 lit. a des Baupolizeigesetzes nicht daran geknüpft, daß durch die bauliche Anlage oder durch deren Benützung hinsichtlich der durch dieses Gesetz geschützten Interessen mit Rückwirkungen auf das Grundstück und die darauf errichteten bauliche Anlage zu rechnen ist (vgl. § 7 Abs. 1 lit. d des Baupolizeigesetzes). Der Salzburger Landesgesetzgeber hat im § 7 Abs. 1 lit. a die Vorgangsweise gewählt, unabhängig von zu erwartenden Rückwirkungen, dem Eigentümer von Grundstücken, die von den Fronten des Baues weniger als 15 m entfernt sind, jedenfalls die Parteistellung zuzuerkennen. Bei dieser, auf 15 m beschränkten Entfernung - unabhängig vom Ausmaß zu erwartender Immissionen und der Berührungsart des an das Bauvorhaben anrainenden Grundstückes - hat der Gesetzgeber die Frage der Parteistellung nur vom "Eigentum am Grundstück" abhängig gemacht; damit ist der Kreis der Nachbarn, denen Parteistellung zukommt, im Gegensatz zu anderen Bauordnungen einerseits eingeschränkt, andererseits, da die Parteistellung eben unabhängig von zu erwartenden Rückwirkungen eintritt, auch dann eingeräumt, wenn Immissionen hinsichtlich der durch baurechtliche Normen geschützten Interessen gar nicht zu erwarten sind bzw. die widmungsentsprechende Nutzung des vom Bauobjekt weniger als 15 m entfernten Grundstückes eine allfällige Beeinträchtigung durch Immissionen ausschließt. Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie nicht nur aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 lit. a des Baupolizeigesetzes, sondern auch aus dem Zusammenhang mit § 9 Abs. 1 des Baupolizeigesetzes und § 62 (insbesondere dessen Z. 1 und 2) des Bautechnikgesetzes davon ausgegangen ist, daß auch dem Eigentümer einer öffentlichen Verkehrsfläche im Baubewilligungsverfahren Parteistellung gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 lit. a des Baupolizeigesetzes zukommen kann. Damit wird die Frage nicht beantwortet, ob eine solche Partei mit Erfolg im konkreten Verfahren rechtserhebliche Einwendungen erheben kann.

Die Beschwerden waren daher als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.