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VwGH 10.06.1986, 86/07/0011

VwGH 10.06.1986, 86/07/0011

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
AVG §62 Abs4;
BAO §293 impl;
VwGG §43 Abs7 impl;
RS 1
Die Erlassung eines Berichtigungsbescheides iSd § 62 Abs 4 AVG bewirkt nicht, daß dieser an die Stelle des fehlerhaften Bescheides tritt. Ein Berichtungsbescheid bildet vielmehr mit dem von ihm berichtigten Bescheid eine Einheit.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 1631/73 E RS 3
Normen
AVG §62 Abs4;
BAO §293;
VwGG §43 Abs7 impl;
RS 2
Die Anwendbarkeit des Rechtsinstitutes der Berichtigung nach § 62 Abs 4 AVG setzt einen fehlerhaften Verwaltungsakt mit der Maßgabe voraus, daß eine auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit sowie deren Offenkundigkeit gegeben sind.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 1523/68 E RS 2
Norm
AVG §62 Abs4;
RS 3
Die Berichtigungsbefugnis eröffnet nicht die Möglichkeit einer nachträglichen Änderung des Spruchinhaltes, sie bietet keine Handhabe für eine inhaltlich berichtigende oder erklärende Auslegung des Spruches oder der Begründung eines Bescheides bzw zur Veränderung der Substanz eines rechtskräftigen Bescheides (Hinweis E , 85/08/0124).
Normen
AVG §62 Abs4;
VwGG §43 Abs7;
RS 4
Eine offenkundige Unrichtigkeit liegt vor, wenn sie zumindest für jene Person ohne weiteres erkennbar ist, für die der Bescheid bestimmt ist (Hinweis E , 83/17/0197).
Norm
AVG §62 Abs4;
RS 5
Ist zwar offenkundig, dass ein Bescheidspruch in sich widersprüchlich und daher insoweit unrichtig formuliert war, ist aber nicht auch offenkundig, ob die Unrichtigkeit nun den einen oder den anderen Teil des in sich widersprüchlichen Spruchinhaltes betrifft, dann liegt keine gemäß § 62 Abs 4 AVG 1950 einer Berichtigung zugängliche Unrichtigkeit vor.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Fürnsinn und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Pinter, über die Beschwerde des WS in R, vertreten durch Dr. Dieter Ausserladscheider, Rechtsanwalt in Reutte, Untermarkt 16, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom , Zl. IIIal-9388/3, betreffend Bescheidberichtigung und Erlöschen von Wasserbenutzungsrechten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.170,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Spruchpunkt I ihres Bescheides vom hat die Bezirkshauptmannschaft Reutte (BH) dem Beschwerdeführer die wasserrechtliche Bewilligung für die im Befund näher beschriebenen Abwasserbeseitigungs- und Nutzwasserversorgungsanlagen zum Betrieb seiner Betonmischanlage in S nach Maßgabe des eingereichten Projektes unter zahlreichen Vorschreibungen vom Standpunkt des kulturbautechnischen Amtssachverständigen und vom Standpunkt der Wasserbauverwaltung erteilt. Die aus dem Gutachten des Amtssachverständigen für Kulturbautechnik übernommenen Vorschreibungen lit. a Nr. 13 und lit. b Nr. 3 lauteten wie folgt:

"......

13. Die wasserrechtliche Bewilligung wird für die Einleitung von maximal 3 l/s gereinigten Abwassers in den K-bach bis vorerst erteilt.

.....

3. Die wasserrechtliche Bewilligung zur Nutzwasserentnahme wird auf maximal 4,5 l/s beschränkt und vorerst bis erteilt.

....."

Gemäß Spruchpunkt II des Bescheides der BH vom hingegen wurde "die wasserrechtliche Bewilligung ... für die Dauer des Bestandes der Anlage erteilt".

Dieser Bescheid der BH ist unangefochten in Rechtskraft erwachsen.

Unter Bezugnahme darauf, dass dem Beschwerdeführer diese Bewilligungen nur befristet bis zum erteilt worden seien, stellte die BH mit einem weiteren Bescheid vom gemäß § 27 Abs. 1 lit. c WRG 1959 fest, dass die mit Bescheid vom erteilte wasserrechtliche Bewilligung zur Einbringung von 3 l/s gereinigten Abwassers in den K-bach bzw. zur Entnahme von 4,5 l/s Nutzwasser aus dem K-bach kraft Gesetzes durch Zeitablauf erloschen sei; der Beschwerdeführer habe gemäß § 29 i.V.m. § 138 WRG 1959 entweder bestimmte Beseitigungsmaßnahmen vorzunehmen oder unter Vorlage eines Projektes um entsprechende wasserrechtliche Bewilligungen anzusuchen.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer - seinerseits unter Bezugnahme auf Spruchpunkt II des Bescheides der BH vom - Berufung erhoben.

Mit weiterem Bescheid vom hat die BH schließlich ihren Bescheid vom "gemäß § 62 Abs. 4 AVG 1950 dahingehend berichtigt, dass der Spruchabschnitt II mit dem Wortlaut 'die wasserrechtliche Bewilligung wird für die Dauer des Bestandes der Anlage erteilt', ersatzlos zu streichen" sei. Diesen Berichtigungsbescheid begründete die BH damit, dass der Beschwerdeführer die Auflagen und Befristungen zustimmend zur Kenntnis genommen habe; bei der Erstellung des Konzeptes für den wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid sei jedoch dem Wasserrechtsreferenten insofern ein Versehen unterlaufen, als vergessen worden sei, den im vorhandenen Bescheidformular unter II enthaltenen - mit den Vorschreibungen des kulturbautechnischen Amtssachverständigen in Widerspruch stehenden Passus betreffend die Dauer der wasserrechtlichen Bewilligung durchzustreichen. Die Berichtigung dieser offenkundigen Unrichtigkeit könne die Behörde jederzeit von Amts wegen vornehmen.

Auch gegen diesen Berichtigungsbescheid der BH hat der Beschwerdeführer fristgerecht berufen.

Die belangte Behörde hat mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom den beiden Berufungen des Beschwerdeführers nicht Folge gegeben. Kernpunkt des wasserrechtlichen Verfahrens sei bei sonstiger Nichtigkeit des Bescheides gemäß § 107 WRG 1959 bei Verleihung von Wasserbenutzungsrechten die mündliche Verhandlung, in deren Zug die "eigentliche Entscheidung" falle und den Parteien Gelegenheit gegeben werde, umfassend Stellung zu nehmen, so auch zu Vorschreibungen des Amtssachverständigen "und auch gegen die zeitliche Befristung von Wasserbenutzungsrechten durch den Verhandlungsleiter, die in der Verhandlungsschrift in der Regel in Zusammenarbeit zwischen Amtssachverständigen und Verhandlungsleiter festgehalten werden". Wenn der Konsenswerber die in der Verhandlungsschrift festgehaltenen Bedingungen und Auflagen widerspruchslos zur Kenntnis nehme, könne schlüssigerweise angenommen werden, dass er damit einverstanden sei. Nach dem Inhalt der Verhandlungsschrift im Beschwerdefall habe der Beschwerdeführer "mit den Vorschreibungen und damit auch mit der Befristung der zu verleihenden Wasserbenutzungsrechte bis sich einverstanden erklärt". Eine Begründung, warum diese aufgenommenen Vorschreibungen und Auflagen erforderlich seien, sei daher nicht mehr notwendig gewesen. Spruchpunkt II des Bescheides der BH vom stehe somit im Widerspruch mit der aufgenommenen Verhandlungsschrift.

Für die Anwendung des § 62 Abs. 4 AVG 1950 müsse es ausreichend sein, wenn die Personen, für die der Bescheid bestimmt sei, dessen Unrichtigkeit erkennen könnten. Diese Möglichkeit habe im Beschwerdefall mit Rücksicht auf die Anwesenheit des Vertreters des Beschwerdeführers bei der mündlichen Verhandlung bestanden. Die von der BH vorgenommene Berichtigung sei daher berechtigt gewesen.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer Beschwerde nach Art. 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof erhoben, welcher deren Behandlung jedoch mit Beschluss vom , Zl. B 335/85, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des gesamten angefochtenen Bescheides (wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit), weil er durch diesen Bescheid in seinem Recht auf Betrieb der wasserrechtlich bewilligten Anlagen verletzt worden sei.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 62 Abs. 4 AVG 1950 kann die Behörde Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen oder offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten in Bescheiden jederzeit von Amts wegen berichtigen.

Die Erlassung eines Berichtigungsbescheides nach dieser Gesetzesstelle bewirkt nicht, dass der Berichtigungsbescheid an die Stelle des fehlerhaften Bescheides tritt. Ein Berichtigungsbescheid bildet vielmehr mit dem von ihm berichtigten Bescheid eine Einheit (vgl. dazu Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1631/73). Die einheitliche Entscheidung der belangten Behörde über die beiden vom Beschwerdeführer erhobenen Berufungen im angefochtenen Bescheid entspricht daher der verfahrensrechtlichen Rechtslage.

Die Anwendbarkeit des § 62 Abs. 4 AVG 1950 setzt einen fehlerhaften Verwaltungsakt mit der Maßgabe voraus, dass eine auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit sowie deren Offenkundigkeit gegeben sind (vgl. dazu Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 85/02/0248, vom , Zlen. 83/09/0173, 0191, 0193, 84/09/0116, vom , Slg. Nr. 8554/A, vom , Zl. 1523/68, u.a.m.). Die Berichtigungsbefugnis eröffnet aber nicht die Möglichkeit einer nachträglichen Änderung des Spruchinhaltes, sie bietet keine Handhabe für eine inhaltlich berichtigende oder erklärende Auslegung des Spruches oder der Begründung eines Bescheides, bzw. zur Veränderung der Substanz eines rechtskräftigen Bescheides (vgl. dazu Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 85/08/0124, vom , Zlen. 83/17/0197, 0198, vom , Zlen. 709, 710/73, vom , Zl. 962/57, u.a.m.). Eine offenkundige Unrichtigkeit des zu berichtigenden Bescheides liegt vor, wenn sie zumindest für jene Person ohne weiteres erkennbar ist, für die der Bescheid bestimmt ist (vgl. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zlen. 83/17/0197, 0198, und vom , Zl. 175/71). Der belangten Behörde ist einzuräumen, dass im Beschwerdefall der Widerspruch zwischen Spruchpunkt I lit. a Nr. 13 und lit. b Nr. 3 des Bescheides der BH vom einerseits und dem Spruchpunkt II dieses Bescheides andererseits offenkundig ist. Dennoch hat die belangte Behörde im Beschwerdefall die Berichtigungsbefugnis zu Unrecht bejaht, weil offenkundig hätte sein müssen, dass diese Unrichtigkeit auf einem bloßen Versehen beruht, welches einem Schreib- oder Rechenfehler gleichzuhalten ist. Nach der Aktenlage ist es nämlich keinesfalls eindeutig, dass der bei der Erlassung des Bescheides vom aufgetretene Fehler in der Belassung des Spruchpunktes II und nicht etwa in der Belassung des Spruchpunktes I lit. a Nr. 13 und lit. b Nr. 3 gelegen war.

Dabei ist zu bedenken, dass der Beschwerdeführer seinen Antrag auf wasserrechtliche Bewilligung durchaus nicht nur auf eine bestimmte Zeit, sondern unbefristet gestellt hat. Daran hat sich durch die Ausführungen des kulturbautechnischen Amtssachverständigen in der mündlichen Verhandlung nichts geändert. Die BH hatte daher bei Erlassung des Bescheides vom über den Antrag des Beschwerdeführers, ihm die benötigte wasserrechtliche Bewilligung unbefristet zu erteilen, zu entscheiden. Da diesem Bescheid eine Begründung dafür fehlt, warum die Bewilligung mit dem befristet werden sollte, ist auch die mit der Ansicht der belangten Behörde im Widerspruch stehende Annahme, dem wahren Willen der BH habe Spruchpunkt II entsprochen, vertretbar, zumal auch der diesbezüglichen Anregung des kulturbautechnischen Amtssachverständigen, eine Befristung der Bewilligung auszusprechen, nur völlig unsystematisch im Rahmen der Wiedergabe von Vorschreibungen in Spruchpunkt I des Bescheides der BH vom entsprochen wurde.

Ist somit zwar offenkundig, dass der Bescheid der BH vom in sich widersprüchlich und daher insoweit unrichtig formuliert war, ohne dass es hingegen als offenkundig angesehen werden kann, ob die Unrichtigkeit nun den Spruchabschnitt I oder II dieses Bescheides betrifft, dann liegt im Sinne der oben angeführten Judikatur keine gemäß § 62 Abs. 4 AVG 1950 einer Berichtigung zugängliche Unrichtigkeit vor. Da die belangte Behörde dennoch den Berichtigungsbescheid der BH vom bestätigt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Da somit die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 62 Abs. 4 AVG 1950 nicht vorlagen, war zum Zwecke der Prüfung, ob ein Erlöschenstatbestand gegeben ist, der wasserrechtliche Bewilligungsbescheid vom auszulegen. Dabei war es nun nicht möglich, diesen Bescheid so zu beurteilen, als enthielte er den Spruchabschnitt II nicht. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde demnach mit ihrem über beide Berufungen absprechenden Bescheid zu Unrecht keinen Erfolg beschieden.

Der angefochtene Bescheid war aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 sowie 59 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 243. Die Abweisung des Mehrbegehrens geht darauf zurück, dass der Schriftsatzaufwand nach dem Gesetz mit S 9.270,-- pauschaliert ist.

Wien, am

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Normen
AVG §62 Abs4;
BAO §293 impl;
BAO §293;
VwGG §43 Abs7 impl;
VwGG §43 Abs7;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1986:1986070011.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
XAAAE-33336