zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 19.01.1993, 92/05/0322

VwGH vom 19.01.1993, 92/05/0322

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Stöckelle, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. MD-VfR-B XI-11 u. 12/89, betreffend einen baupolizeilichen Beseitigungsauftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Wie der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid zu entnehmen ist, hat der Wiener Magistrat dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom den Auftrag erteilt, drei näher beschriebene Schuppen, eine fundierte Einfriedungsmauer und ein Flugdach binnen 12 Monaten nach Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen. In seiner dagegen erhobenen Berufung verwies der Beschwerdeführer darauf, daß die angeführten Baulichkeiten im Zeitpunkt des Erwerbes des Grundstückes bereits bestanden hätten und von ihm im Laufe der Jahre lediglich adaptiert oder überholt worden seien. Die von ihm durchgeführten Adaptierungsarbeiten seien nicht bewilligungspflichtig gewesen. Im übrigen werde er, so wurde in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt, um die Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung ansuchen.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die Bauoberbehörde für Wien die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der hier maßgeblichen Rechtslage ging die Verwaltungsbehörde davon aus, daß die vom erstinstanzlichen Bescheid erfaßten Baulichkeiten sowohl im Zeitpunkt ihrer Herstellung als auch nach der derzeitigen Rechtslage einer baubehördlichen Bewilligung bedurft hätten bzw. bedürfen. Aus § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien ergebe sich daher die öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Eigentümers der Baulichkeit, diese zu beseitigen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes treffe diese Pflicht den jeweiligen Eigentümer, unabhängig davon, ob er oder seine Rechtsvorgänger den konsenswidrigen Zustand herbeigeführt hätten. Der jeweilige Eigentümer der Baulichkeit sei somit auch für den durch seine Rechtsvorgänger geschaffenen Bauzustand verantwortlich. Nach weiteren Ausführungen stellte die Berufungsbehörde fest, daß selbst dann, wenn der Beschwerdeführer nunmehr um nachträgliche Baubewilligung angesucht haben sollte, dieser Umstand einer Abweisung der Berufung nicht entgegenstehe, da auch während der Anhängigkeit eines Ansuchens um nachträgliche Baubewilligung ein Auftrag zur Beseitigung der eigenmächtigen Bauführung erteilt werden könne; allerdings dürfe ein Beseitigungsauftrag während der Anhängigkeit eines Ansuchens um nachträgliche Baubewilligung nicht vollstreckt werden.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 129 Abs. 10 Satz 1 der Bauordnung für Wien sind Abweichungen von den Bauvorschriften zu beheben und es ist der vorschriftswidrige Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist, zu beseitigen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nun in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß ein vorschriftswidriger Bau im Sinne der genannten Gesetzesstelle immer dann gegeben ist, wenn für ihn sowohl im Zeitpunkt der Errichtung eine baubehördliche Bewilligung erforderlich war als auch im Zeitpunkt der Erlassung des baupolizeilichen Auftrages, eine solche aber nicht vorliegt (vgl. etwa die bei Geuder-Hauer, Wiener Bauvorschriften, S. 505 ff., wiedergegebene Rechtsprechung). Adressat eines solchen Auftrages ist der jeweilige Eigentümer der Baulichkeit, und zwar unabhängig davon, ob er oder seine Rechtsvorgänger den konsenslosen Zustand herbeigeführt haben. Der Beschwerdeführer zieht diese Rechtsauffassung nicht in Zweifel, er behauptet jedoch, die Baubehörde wäre verpflichtet gewesen, Erhebungen darüber durchzuführen, ob nicht ein alter Bestand gegeben sei, der die Vermutung der Rechtmäßigkeit für sich habe. Mit diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde auf Grund seines Vorbringens in der Berufung zu Recht keine Veranlassung hatte, sich mit Fragen eines sogenannten vermuteten Konsenses auseinanderzusetzen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß die Vermutung des rechtmäßigen Bestandes einer Baulichkeit nur dann Platz greifen kann, wenn der Zeitpunkt der Erbauung desselben offensichtlich soweit zurückliegt, daß, von besonders gelagerten Einzelfällen abgesehen, auch bei ordnungsgemäß geführten Archiven die Wahrscheinlichkeit, noch entsprechende Unterlagen auffinden zu können, erfahrungsgemäß nicht mehr besteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Slg. N. F. Nr. 6509/A). Dieser vermutete Konsens darf also nur dann angenommen werden, wenn es sich um ein seit vielen Jahrzehnten bestehendes Gebäude handelt, nicht aber schon dann, wenn ein Einschreiten wegen Konsenslosigkeit bisher nicht erfolgte. Einen solchen vermuteten Konsens anzunehmen hatte die belangte Behörde keine Veranlassung, zumal der Beschwerdeführer einen derart alten Bestand auf Verwaltungsebene auch nach seinem Vorbringen in der Beschwerde gar nicht behauptet hat, ja er vielmehr ein Ansuchen um Erteilung einer nachträglichen Bewilligung in Aussicht stellte. In diesem Zusammenhang sei bemerkt, daß nach der Beschreibung der Baulichkeiten im angefochtenen Bescheid (Mantelbetonsteine, Welleternitdach) ein Anhaltspunkt für die Annahme eines vermuteten Konsens auch nicht gegeben war.

Wenn in der Beschwerde weiters behauptet wird, der angefochtene Bescheid lasse nicht erkennen, welche Ausführungen als Sachverhaltsdarstellung und welche als rechtliche Beurteilung anzusehen sind, so trifft dies nicht zu, weil die vom Auftrag erfaßten Baulichkeiten ausreichend klar umschrieben wurden und dem Bescheid auch zu entnehmen ist, aus welchen gesetzlichen Bestimmungen die Bewilligungspflicht und die Verpflichtung zur Beseitigung der konsenslosen Baulichkeiten abgeleitet worden sind. Daß der Wiener Magistrat als Baubehörde erster Instanz zur Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages zuständig und Berufungsbehörde die Bauoberbehörde für Wien ist, ergibt sich eindeutig aus den §§ 132 und 136 der Bauordnung für Wien. Eine ausdrückliche Bezugnahme auf diese Gesetzesstellen war nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Berufung nicht erforderlich. Eine freie Ermessensübung im Sinne des Vorbringens in der Beschwerde stand den Baubehörden nicht zu, vielmehr ist bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen mit der Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages vorzugehen. Entgegen den Beschwerdeausführungen haften sohin dem angefochtenen Bescheid keine "erheblichen Begründungsmängel" an.

Da auf Grund der dargelegten Erwägungen schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.