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VwGH 04.06.1987, 86/02/0198

VwGH 04.06.1987, 86/02/0198

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
VwGG §26 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
RS 1
Ist in einem Einparteienverfahren die behördliche Erledigung nicht zugestellt worden - und daher in der Rechtswelt nicht in Erscheinung getreten -, dann liegt kein mit Beschwerde anfechtbarer Bescheid vor.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 82/01/0087 B RS 1
Norm
AVG §63 Abs1;
RS 2
Die Erhebung einer Berufung nach §§ 63 ff AVG 1950 setzt zwingend die Erlassung eines damit angefochtenen Bescheides voraus.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 81/07/0212 E RS 4
Normen
AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs5;
RS 3
Die Berufung gegen einen nicht erlassenen Bescheid ist solange unzulässig, als das Straferkenntnis noch nicht zugestellt wurde (Hinweis E , 2075/60, VwSlg 5522 A/1961).
Normen
AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs5;
VStG §51 Abs3;
RS 4
Ist eine Bescheidzustellung zum Zeitpunkt der Zurückweisung der Berufung mangels Zustellung an den Beschuldigten bereits bewirkt, so ist die Zurückweisung unzulässig. Ob die Berufung mündlich oder schriftlich eingebracht wurde, macht keinen Unterschied, weil es allein um die Frage geht, ob ein zu erledigendes Rechtsmittel eingebracht wurde; auf eine allfällige Manuduktionspflicht kommt es hiebei nicht an (Hinweis E , 2075/60).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Sittenthaler als Richter, im Beisein des Schriftführers Regierungskommissär Dr. Kundegraber, über die Beschwerde des HA in W, vertreten durch Dr. Josef Olischar, Rechtsanwalt in Wien IX, Ferstelgasse 5/18a, gegen die Bescheide 1.) der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 70-11/1452/86/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 und 2.) des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 70- 11/1764/86/Str, betreffend Übertretungen des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihrer Inhalte aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien und der Bund haben dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 4.635,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Ottakring, vom wurde der Beschwerdeführer wegen des Verstoßes einer Übertretung nach der StVO 1960 (Punkt 1) und zweier Übertretungen nach dem KFG 1967 (Punkte 2 und 3) verurteilt. Das Straferkenntnis vom wurde - wovon auch die beiden belangten Behörden ausgehen - trotz Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers am beim Postamt hinterlegt, jedoch von diesem infolge seiner Abwesenheit während der Zeit der Hinterlegung nicht behoben. Nachdem das Zustellstück bereits an die Erstbehörde rückgeleitet worden war, fand der Beschwerdeführer die Hinterlegungsanzeige vor. Am nahm der Vertreter des Beschwerdeführers Akteneinsicht. Nach dem Inhalt des unterfertigten Protokolles wurden ihm der Inhalt der Anzeige und die darin angeführten Verwaltungsübertretungen sowie der Inhalt der bisherigen Ermittlungsergebnisse vorgehalten. Der Vertreter des Beschwerdeführers erklärte, er werde binnen zwei Wochen schriftlich Stellung nehmen.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer eine am bei der Erstbehörde eingelangte schriftliche Berufung. Das Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer nunmehr am zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters zugestellt.

Die erwähnte Berufung wurde von der Wiener Landesregierung hinsichtlich des Punktes 1 des Spruches und dem Landeshauptmann von Wien hinsichtlich der Punkte 2 und 3 des Spruches, jeweils mit Bescheid vom als unzulässig zurückgewiesen. Die Behörden vertraten die Auffassung, die Zustellung des hinterlegten Straferkenntnisses sei nicht rechtsgültig erfolgt, weshalb ein dem Rechtsbestand angehörender Bescheid gar nicht vorhanden und sohin eine Berufung dagegen nicht zulässig gewesen sei.

Diese beiden Bescheide bekämpft der Beschwerdeführer mit der vorliegenden Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Dieser hat erwogen:

Unbestritten ist, dass die ursprüngliche Zustellung durch Hinterlegung am nicht rechtswirksam war (vgl. § 17 Abs. 3 vierter Satz ZustellG). Ist die Zustellung eines Bescheides nicht erfolgt - im vorliegenden Fall handelt es sich um ein Einparteienverfahren -, dann liegt nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kein dem Rechtsbestand angehöriger Bescheid vor (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 86/08/0016; vom , Zl. 82/01/0087, 0088). Voraussetzung dafür wäre, dass dieses Straferkenntnis überhaupt erlassen, also der Partei zugestellt oder verkündet worden ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 84/02B/0097; vom , Zl. 81/07/0212). Der Beschwerdeführer verweist allerdings u.a. auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2075/60, VwSlg. N.F. 5522/A. Dies führt zum Erfolg der Beschwerde:

Entgegen der Ansicht der belangten Behörden in ihren Äußerungen vom geht der Gerichtshof im Sinne der Beschwerdeausführungen davon aus, dass dem Beschwerdeführer anlässlich der Akteneinsicht am sehr wohl auch das Straferkenntnis seinem gesamten Inhalt nach zur Kenntnis gebracht wurde, weil in der Berufung im einzelnen darauf Bezug genommen wurde. Diese am überreichte Berufung an die belangten Behörden erwies sich zwar zu diesem Zeitpunkt als unzulässig, weil damals weder eine mündliche Verkündung noch eine Zustellung des Straferkenntnisses erfolgt und sohin noch kein Straferkenntnis erlassen worden war. Eine Zurückweisung mangels eines bekämpfbaren Bescheides (vgl. die obzitierte Vorjudikatur) wäre nur so lange zulässig gewesen, als dessen rechtswirksame Zustellung nicht erfolgt war. Der vorliegende Fall ist allerdings jenem gleich gelagert, welcher dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2075/60, VwSlg. 5522/A, zu Grunde lag. Auch dort ging es darum, dass dem damaligen Beschwerdeführer ein Straferkenntnis dem ganzen Inhalt nach zur Kenntnis gebracht wurde und zum Zeitpunkt der Zurückweisung seiner Berufung die Zustellung des Straferkenntnisses bereits durchgeführt war. Die von den belangten Behörden in ihren Äußerungen vom gesehenen Unterschiede zum vorliegenden Fall liegen nicht vor: Auch hier war die Zustellung zum Zeitpunkt der Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers bereits bewirkt. Dass es im damaligen Fall um eine mündliche Berufung ging, macht keinen Unterschied, weil es allein um die Frage geht, ob ein zu erledigendes Rechtsmittel eingebracht wurde; auf eine allfällige Manuduktionspflicht kommt es hiebei nicht an.

Die angefochtenen Bescheide waren infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG, in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985, beschränkt durch den Umfang des Antrages.

Das Mehrbegehren war abzuweisen, da Barauslagen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (§ 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG) nicht entstanden sind.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs5;
VStG §51 Abs3;
VwGG §26 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
Schlagworte
Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter
Bescheidbegriff Allgemein
Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde
subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor
dem VwGH Allgemein
Voraussetzungen des Berufungsrechtes Bescheidcharakter der
bekämpften Erledigung Vorhandensein eines bekämpfbaren Bescheides
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1987:1986020198.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
TAAAE-33197