VwGH vom 23.04.1986, 86/01/0026
Betreff
Der Verwaltungegerichtehof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Draxler, Dr. Hoffmann, Dr. Herberth und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Brauhart, über die Beschwerde des M A in I, vertreten durch Dr. Bernt Strickner, Rechtsanwalt in Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 6, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Ia-5828/10-1985, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochte Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen In der Höhe von S 9.106,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom sucht der Beschwerdeführer um die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an. Mit Eingabe vom suchte der Beschwerdeführer um die Zusicherung der österreichischen Staatsbürgerechaft an.
Mit Bescheid vom l0. Jänner 1985 sicherte die belangte Behörde gemäß § 20 Staatabürgerschaftsgesetz 1965, BGBl Nr. 250 in der geltenden Fassung, dem Beschwerdeführer, einem ägyptischen Staatsangehörigen, die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zunächst für den Fall zu, daß er binnen zwei Jahren aus dem Verband seines Heimatstaates ausscheide. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, diese Zusicherung würde jedoch widerrufen werden, falls der Beschwerdeführer auch nur eine der für die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft normierten Voraussetzungen nicht mehr erfülle.
In dem durchgeführten Ermittlungsverfahren stellte die belangte Behörde folgenden Sachverhalt fest:
Der Beschwerdeführer hat 1981 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und lebt seit dieser Zeit in Österreich. Aus der Ehe stammt ein Kind, geboren 1982. Der Beschwerdeführer ist Kolporteur bei einer Tageszeitung. Im April 1985 ist er aus dem ägyptischen Staatsbürgerschaftsverband ausgeschieden. Der Beschwerdeführer ist gerichtlich nicht vorbestraft; gegen ihn ist auch kein gerichtliches Verfahren anhängig. Der Beschwerdeführer wurde jedoch mit Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom a) wegen Übertretung nach § 7 Abs. 1 KFG in Verbindung mit § 4 Abs. 4 KDV (vorschriftswidrige Bereifung), b) wegen Übertretung nach § 102 Abs. 5 lit. a KFG (Nichtmitführen des Führerscheins), c) wegen Übertretung nach § 102 Abs. 5 lit. b KFG (Nichtmitführen des Zulassungsscheines) bestraft. Weiters wurde der Beschwerdeführer mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom wegen Übertretung nach § 52 Abs. 1 StVO (Nichteinhalten des Fahrverbotes) und mit Strafverfügung derselben Behörde vom wegen Übertretung nach § 103 Abs. 1 KFG (nichtordnungsgemäßer Zustand des Pkws) bestraft. Schließlich wurde über den Beschwerdeführer mit Straferkenntnis derselben Behörde vom wegen Übertretung nach § 4 Abs 5 StVO (Unterlassen der Meldepflicht bei Verkehrsunfall) eine Geldstrafe in der Höhe von S 7.000,-- bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von vierzehn Tagen verhängt.
Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid der belangten Behörde hat diese dem Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 11 a in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 sowie dem Antrag auf Zusicherung der Verleihung gemäß § 20 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311, keine Folge gegeben. Nach Wiedergabe des unter Wahrung des Parteiengehörs erhobenen Sachverhaltes stellte die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer erfülle die Voraussetzungen des § 11 a Z. 1 bis 4 lit. a des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1982. Diese Gesetzesstelle sehe einen Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft jedoch nur vor, wenn unter anderem auch die im § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 und Abs. 2 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 normierten Verleihungsvoraussetzungen erfüllt seien. Die belangte Behörde habe daher unter anderem auch zu prüfen gehabt, ob die Persönlichkeit des Einbürgerungswerbers im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 6 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 keine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit befürchten lasse. Aus dem ermittelten Sachverhalt gehe hervor, daß sich der Beschwerdeführer hauptsächlich Verstöße gegen die Sicherheit des Straßenverkehrs zuschulden habe kommen lassen. Bei den zu Grunde liegenden Verwaltungsübertretungen handle es sich um Rechtsbrüche, die den Schluß rechtfertigen zuließen, der Beschwerdeführer werde möglicherweise auch in Zukunft die dem Schutz des Straßenverkehrs dienenden gesetzlichen Bestimmungen mißachten.
Der Beschwerdeführer stelle die von ihm begangenen straßenpolizeilichen und kraftfahrrechtlichen Übertretungen nicht in Abrede, weise aber darauf hin, es handle sich im wesentlichem um Verstöße, die täglich ebenso von jedem inländischen Verkehrsteilnehmer begangen werden könnten. Zudem sei zu berücksichtigen, daß die Bundespolizeidirektion Innsbruck bei Verhängung der Geldstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen mit den untersten Strafrahmen das Auslangen habe finden können. Bei Gegenüberstellung dieser Strafrahmen mit den einzelnen Beanstandungen komme nach Ansicht des Beschwerdeführers keineswegs eine negative Einstellung gegenüber kraftfahrrechtlichen Bestimmungen in deutlicher Weise zum Ausdruck.
Wenn es sich bei den vom Beschwerdeführer begangenen Rechtsverletzungen - so führte die belangte Behörde weiter aus - auch hauptsächlich um Übertretungen geringeren Unrechtsgehaltes handle, so sei doch festzuhalten, daß auch diese Rechtsvorschriften letztlich der Verkehrssicherheit dienten. Die negative Einstellung des Beschwerdeführers gegenüber den Schutznormen, die der Ordnung und Sicherheit des öffentlichen Verkehrs "gewidmet" seien, lasse sich aber vor allem von der Tatsache ableiten, daß sämtliche Übertretungen innerhalb der Jahre 1982 und 1985 "angefallen" seien. Da die Übertretungen vor nicht allzu langer Zeit begangen worden seien, könne keinesfalls der Schluß gezogen werden, der Beschwerdeführer biete ausreichend Gewähr dafür, in Zukunft die der Ordnung und Sicherheit des öffentlichen Verkehrs dienenden Rechtsvorschriften entsprechend zu beachten. Dem Verlangen des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft stehe das Einbürgerungshindernis des § 10 Abs. 1 Z. 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 entgegen. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände reichten für eine Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht aus.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Verleihung der Staatsbürgerschaft verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 20 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 ist einem Fremden die Verleihung der Staatsbürgerschaft (Erstreckung der Verleihung) zunächst für den Fall zuzusichern, daß er binnen zwei Jahren das Ausscheiden aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates nachweist, wenn - soweit hier von Bedeutung - ihm durch die Zusicherung das Ausscheiden aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates ermöglicht wird oder erleichtert werden könnte. Nach Abs. 2 desselben Paragraphen ist die Zusicherung zu widerrufen, wenn der Fremde auch nur eine der für die Verleihung der Staatsbürgerschaft (Erstreckung der Verleihung) erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt.
Dem Vorwurf, die belangte Behörde habe zu Unrecht nochmals über den Antrag des Beschwerdeführers auf Zusicherung der Staatsbürgerschaft gemäß § 20 leg. cit. mit Abweisung entschieden, obschon bereits rechtskräftig die Zusicherung ausgesprochen und der Zusicherungsbescheid vom , der auch nicht widerrufen worden sei, weiterhin aufrecht sei, so daß widersprüchliche Entscheidungen vorlägen, ist folgendes entgegenzuhalten:
Die gegenständliche Zusicherung ist ein der Entscheidung über das Ansuchen um Staatsbürgerschaft vorgelagerter Verwaltungsakt und begründet für den Fremden einen nur noch durch den Nachweis des Ausscheidens aus dem fremden Staatsverband bedingten Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung über das Ansuchen um Verleihung der Staatsbürgerschaft auch die sonstigen Voraussetzungen (insbesondere des § 10 Abs. 1 leg. cit.) gegeben sind. Der Zusicherungsbescheid wird mit der Entscheidung über das Staatsbürgerschaftsansuchen gegenstandslos. Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde den Zusicherungsbescheid vom trotz der nochmaligen Bestrafung des Beschwerdeführers nach der Straßenverkehrsordnung im Mai 1985 nicht widerrufen, sondern anläßlich der Abweisung des Ansuchens über die Verleihung der Staatsbürgerschaft den Antrag auf Zusicherung der Staatsbürgerschaft überflüssigerweise abgewiesen. Wenn auch dieser Vorgang nicht rechtmäßig ist, so ist der Beschwerdeführer dadurch in keinem Recht verletzt, weil die Frage der positiven oder negativen Entscheidung über die Zusicherung der Staatsbürgerschaft mit der endgültigen Erledigung des Staatsbürgerschaftsansuchens keine rechtliche Bedeutung besitzt.
Die belangte Behörde hat das Ansuchen des Beschwerdeführers um Verleihung der Staatsbürgerschaft deshalb abgewiesen, weil die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 nicht gegeben seien; der Beschwerdeführer habe sich in der Zeit von 1982 bis 1985 Verstöße gegen die Sicherheit des Straßenverkehrs zuschulden kommen lassen. Wenn auch die begangenen Rechtsverletzungen von geringem Unrechtsgehalt seien, so gehe darauf doch die negative Einstellung des Beschwerdeführers gegenüber den Schutznormen, die der Ordnung und Sicherheit des öffentlichen Verkehrs dienten, hervor.
Gemäß § 10 Z. 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1965 kann die Staatsbürgerschaft einem Fremden verliehen werden, wenn seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, daß er zur Republik bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bildet. Die Entscheidung liegt - soweit die Voraussetzungen nach § 10 Abs 1 Z 2 bis 8 erfüllt sind -
im Ermessen der Behörde, wobei gemäß § 11auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Rücksichten und das Gesamtverhalten der Partei Rücksicht zu nehmen ist. Die Feststellungen, ob die Einbürgerungsbedingungen erfüllt sind, liegt nicht im freien Ermessen der Behörde (vgl. Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnisse vom , Zl. 1913/76, und vom , Z 1. 83/01/0419). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verlangt § 10 Abs. 1 Z. 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 eine materielle Prüfung der Persönlichkeit des Einbürgerungswerbers daraufhin, ob er nach seinem bisherigen Verhalten für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit bedenklich erscheint, wobei der Gesetzgeber nicht auf formelle Gesichtspunkte abstellt (vgl. Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnisse vom , Zl 1312/70, Slg. N. F. Nr. 7889/A, vom , Zl. 1913/76, und vom , Z 1. 83/01/0419). Hiebei spielt bei der Beurteilung, ob eine Person mit Rücksicht auf von ihr begangene strafbare Handlungen eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 bildet, keine Rolle, ob sie Bundes- oder Landesgesetze übertreten hat, ob die Verstöße von den Gerichten oder von den Verwaltungsbehörden zu ahnden waren und ob es sich im einzelnen Fall um eine Angelegenheit handelt, die der allgemeinen Sicherheitspolizei oder einer speziellen Verwaltungspolizei zuzuordnen ist. Wesentlich ist, daß es sich um einen Rechtsbruch handelt, der den Schluß gerechtfertigt erscheinen läßt, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche, zur Abwehr und Unterdrückung von Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung erlassenen Vorschriften mißachten. Wesentlich ist ferner, daß aus der Art, der Schwere und der Häufigkeit dieser Übertretungen die negative Einstellung gegenüber den zur Hintanhaltung von Gefahren für Leben, Gesundheit und Sicherheit der Allgemeinheit erlassenen Gesetze in deutlicher Weise zum Ausdruck kommt.
Wohl können auch Verstöße gegen Vorschriften, die der Sicherheit des Straßenverkehrs dienen, zum Ausschluß von der Verleihung der Staatsbürgerschaft führen, weil auch die der Ordnung des öffentlichen Verkehrs gewidmeten Rechtsvorschriften im dargelegten Sinne sind. Vom Vorliegen eines Ausschließungsgrundes auf Grund derartiger Verstöße kann aber nur dann ausgegangen werden, wenn aus der Art, der Schwere oder aus der Häufigkeit dieser Übertretungen die negative Einstellung gegenüber den zur Hintanhaltung von Gefahren für Leben und Sicherheit der Allgemeinheit erlassenen Gesetzen in deutlicher Weise zum Ausdruck kommt. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid jedoch lediglich darauf hingewiesen, der Beschwerdeführer scheine wegen Verwaltungsübertretungen von hauptsächlich geringem Unrechtsgehalt als vorbestraft auf. Sie hat in keiner Weise begründet, warum sie aus diesen Verwaltungsübertretungen, insbesondere aus dem Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom , dennoch geschlossen hat, der Beschwerdeführer biete keine Gewähr dafür, daß er zur Republik bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bildet.
Da die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 und 59 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 243.
Wien, am
Fundstelle(n):
TAAAE-33171