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VwGH vom 20.09.2001, 2000/06/0040

VwGH vom 20.09.2001, 2000/06/0040

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hanslik, über die Beschwerde der B - Baurealitäten Verwertungsgesellschaft m.b.H. in G, vertreten durch H, Rechtsanwaltskanzlei OEG in G, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Stadt Graz vom , Zl. A 17-C- 27.780/1999-1, betreffend Nichtigerklärung einer Baubewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom wurde der Beschwerdeführerin die Bewilligung zur Errichtung einer privaten Zufahrtsstraße zur Erschließung von Einzelbauplätzen samt Erdbewegungen sowie die Errichtung einer Pkw-Abstellfläche für drei Personenkraftwägen auf vier näher bezeichneten Grundstücken erteilt.

Nach einer Überprüfung wurde vom Magistrat der Stadt Graz (A14 - Stadtplanungsamt) festgestellt, dass das bewilligte Bauvorhaben mit dem rechtskräftigen Bebauungsplan "Zgasse" in Widerspruch stehe.

Daraufhin erklärte die belangte Behörde als Aufsichtsbehörde den angeführten Bewilligungsbescheid mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG in Verbindung mit § 32 Abs. 1 und 3 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 (im Folgenden: Stmk. ROG) als nichtig. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Behörde erster Instanz bei Erlassung des Bewilligungsbescheides übersehen habe, dass die im Spruch angeführten Grundstücke Teilflächen eines gültigen Bebauungsplanes seien, und zwar des Bebauungsplanes Zgasse, welcher am rechtskräftig geworden sei. In diesem Bebauungsplan sei die verkehrsmäßige Erschließung des Bauplatzes festgelegt worden, wobei die private Erschließungsstraße eingetragen worden sei. In Ausübung des Aufsichtsrechtes habe die Oberbehörde festgestellt, dass die von der Behörde erster Instanz genehmigte Zufahrtsstraße anders verlaufe und somit dem rechtsgültigen Bebauungsplan widerspreche. Gemäß § 68 Abs. 4 AVG könnten Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leide. Da gemäß § 32 Abs. 3 ROG Bescheide, die einem Bebauungsplan widersprächen, innerhalb von drei Jahren nach Eintritt der Rechtskraft mit Nichtigkeit bedroht seien, habe der Bescheid wegen Nichtigkeit behoben werden müssen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 68 Abs. 4 Z. 4 AVG lautet:

"Außerdem können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet."

Gemäß § 32 Abs. 1 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974, LGBl. Nr. 127, in der Fassung LGBl. Nr. 41/1991 (im Folgenden: Stmk. ROG), dürfen Verordnungen und Bescheide der Gemeinde auf Grund von Landesgesetzen einem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan oder Bebauungsrichtlinien nicht widersprechen.

Gemäß § 32 Abs. 3 Stmk. ROG in der Stammfassung sind entgegen der Vorschrift der Abs. 1 und 2 erlassene Bescheide innerhalb von drei Jahren nach Eintritt der Rechtskraft mit Nichtigkeit bedroht.

Gemäß § 3 Z. 1 Stmk. BauG, LGBl. Nr. 59/1995 (Stmk. BauG), gilt dieses Gesetz nicht für bauliche Anlagen, die nach straßenrechtlichen Vorschriften als Straßen oder Bestandteile von Straßen gelten, sowie die dazugehörigen Lärmschutzanlagen.

Die Beschwerdeführerin rügt, dass die errichtete Erschließungsstraße faktisch in keinem inhaltlichen Widerspruch zum Bebauungsplan "Zgasse" stehe. Der Bebauungsplan umfasse tatsächlich sämtliche im Bewilligungsbescheid des Magistrates Graz angesprochenen Grundstücke, welche von der gegenständlichen Erschließungsstraße berührt seien bzw. erreicht werden könnten. Der Bebauungsplan bestehe aus dem Wortlaut und aus einer zeichnerischen Darstellung des betroffenen Areals, wobei in den §§ 3 ff umfangreiche Erläuterungen und Determinierungen zu den Bauplätzen, der Bebauungsweise, der Bebauungsdichte, dem Bebauungsgrad, den Bebauungsgrenzlinien und -abständen, dem Verwendungszweck, der Gebäudehöhe, den Erdbewegungen sowie den Bepflanzungen und Einfriedungen enthalten seien. Nähere Erläuterungen und Determinierungen zu einer Aufschließungsstraße, welche zur Erreichung der einzelnen Gebäude erforderlich sei, enthalte der Verordnungstext nicht. Die erforderliche Aufschließungsstraße finde im Verordnungstext keine Erwähnung.

Diesem Vorbringen der Beschwerdeführerin ist entgegenzuhalten, dass gemäß der hg. Judikatur der Inhalt eines Bebauungsplanes in erster Linie anhand der zeichnerischen Darstellung zu ermitteln ist, deren Sinn zusammen mit der Legende ermittelt werden muss (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 87/05/0186). Nach der zeichnerischen Darstellung des verfahrensgegenständlichen Bebauungsplanes ist eine Erschließungsstraße in 8,50 m Breite mit dünnen roten durchgehenden Begrenzungslinien eingezeichnet. Gemäß § 2 des verfahrensgegenständlichen Bebauungsplanes werden in den folgenden Bestimmungen weitere Anordnungen getroffen, soweit der Inhalt des Bebauungsplanes mit der zeichnerischen Darstellung samt Planzeichenerklärung nicht oder nicht hinreichend zu entnehmen ist. Die gemäß dem Bebauungsplan vorgesehene Erschließungsstraße ist der zeichnerischen Darstellung eindeutig zu entnehmen. Es bedürfte daher auch keiner Erwähnung der Straße im Verordnungstext. Abgesehen davon ist die im Bebauungsplan vorgesehene Erschließungsstraße im Verordnungstext auch genannt. Gemäß § 7 zweiter Satz des Bebauungsplanes beträgt der Mindestabstand von Nebengebäuden zu den Erschließungsstraßen 2,00 m. Der Verlauf der mit dem angeführten Bewilligungsbescheid bewilligten Straße entspricht nicht dem Verlauf der im angeführten Bebauungsplan vorgesehenen Erschließungsstraße. Die bewilligte Straße steht somit im Widerspruch zum Bebauungsplan. Im Übrigen findet die Festlegung einer Erschließungsstraße im § 24 Abs. 2 Stmk. ROG eine gesetzliche Grundlage. Gemäß § 24 Abs. 2 Stmk. ROG sind Verkehrsflächen, deren Festlegung im Flächenwidmungsplan nicht möglich oder zweckmäßig ist, im Bebauungsplan festzulegen.

Des Weiteren meint die Beschwerdeführerin, dass die planliche Darstellung des Bebauungsplanes für jene Baugrenzlinien Kotierungen enthalte, welche die möglichen Ausmaße der Hauptgebäude und der Liegenschaft umreißen sollen, sodass jene Baugrenzlinien im Lageplan klar umrissen und somit in der Natur reproduzierbar seien. Der Bebauungsplan enthalte jedoch für eine Aufschließungsstraße keine wie immer geartete Beschreibung oder Determinierung, wie z. B. Koten bzw. Krümmungsradien in den Kurven. Daraus sei jedenfalls zwingend zu schließen, dass die im Plan des Bebauungsplanes dargestellten, jedoch nicht determinierten Linien lediglich das grundsätzliche Erfordernis einer Aufschließungsstraße und eine von mehreren möglichen Erschließungen der zu errichtenden Objekte schematisch darstellen sollten. Letzteres entspreche im Übrigen auch dem erklärten Willen des Gesetzgebers, welcher mit dem Stmk. Baugesetz eine Deregulierung, Liberalisierung und Harmonisierung der verfahrensrechtlichen und bautechnischen Vorschriften habe bewirken wollen. Der Baurechtsgesetzgeber entspreche damit dem verfassungsrechtlich gebotenen Grundsatz "im Zweifel für die Baufreiheit".

Dem ist entgegenzuhalten, dass Verkehrsflächen, deren Festlegung im Flächenwidmungsplan nicht möglich oder zweckmäßig ist, - wie bereits erwähnt - gemäß § 24 Abs. 2 Stmk. ROG im Bebauungsplan festzulegen sind. Aus der zeichnerischen Darstellung des vorliegenden Bebauungsplanes geht in Verbindung mit der Legende der Verlauf der vorgesehenen Straße eindeutig hervor. Es ist im Gesetz keine Rede davon, dass der Bebauungsplan bereits das konkrete Projekt einer Straße enthalten muss. Dies ist dem Baubewilligungsbescheid oder dem straßenrechtlichen Bewilligungsbescheid vorbehalten. Für den Verwaltungsgerichtshof bestehen daher keine Bedenken betreffend die ausreichende Bestimmtheit des vorliegenden Bebauungsplanes. Der im Bebauungsplan vorgesehene Verlauf der Straße orientiert sich offensichtlich an den Baugrenzlinien (das sind jene Linien, die gemäß § 4 Z. 9 Stmk. BauG durch ein Bauwerk nicht überschritten werden dürfen) und verläuft parallel zu diesen, während die bewilligte Erschließungsstraße Baugrenzlinien schneidet, wodurch überdies in diesem Bereich des Baugrundstückes eine Bebauung entsprechend dem Bebauungsplan nur mehr eingeschränkt möglich ist. Daher kann entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin der Grundsatz der Baufreiheit schon deshalb nicht zum Tragen kommen, weil dieser immer nur dort gilt, wo keine gesetzlichen oder behördlichen Normen entgegenstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/06/0073).

Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, dass sie sich bei der Erhebung einer idealen Trasseführung sehr bemüht habe, insbesondere auch den vorgefundenen Geländeformen und den Belangen des Naturschutzes optimal Rechnung zu tragen. Es sei ein Gutachten eingeholt worden, welches in dem als nichtig erklärten Bescheid Berücksichtigung finde. Darüber hinaus liege eine positive gutachterliche Stellungnahme vor, die abschließend festhalte, dass "aus naturkundlicher Sicht das vorliegende Vorhaben bei Einhaltung von Auflagen als landschaftskonform zu begutachten sei".

Dem ist entgegenzuhalten, dass Gegenstand des vorliegenden Verfahrens nicht Belange des Natur- und Landschaftsschutzes sind, sondern ausschließlich die Frage, ob der verfahrensgegenständliche Bescheid im Widerspruch zu dem anzuwendenden Bebauungsplan steht. Daher ist das Vorbringen der Beschwerdeführerin betreffend die Natur- und Landschaftsschutzkonformität der errichteten Aufschließungsstraße für das vorliegende Verfahren nicht von Bedeutung.

Die Beschwerdeführerin rügt in der Folge, die belangte Behörde verweise auf den angesprochenen Bebauungsplan, ohne diesen inhaltlich näher zu durchleuchten. Sie unterstelle der Behörde erster Instanz ein Versäumnis, welches zur Erlassung des als nichtig erklärten Bescheides geführt habe, und stelle abschließend fest, dass die von der Behörde erster Instanz genehmigte Zufahrtsstraße anders verlaufe und somit dem rechtsgültigen Bebauungsplan widerspreche. Die belangte Behörde wäre jedenfalls verpflichtet gewesen, amtswegig die materielle Wahrheit zu erforschen, zumal die Partei des Verwaltungsverfahrens, in deren Rechte eingegriffen werde, einen Anspruch darauf habe, die Gründe für einen derartigen Eingriff zu erfahren. Auch im Verfahren gemäß § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG sei die Behörde nicht von der Verpflichtung enthoben, gemäß § 37 AVG ein ordentliches Ermittlungsverfahren durchzuführen und die Frage, ob nunmehr tatsächlich nichtigkeitsbegründende Fehler im Sinne des § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG vorliegen, zu prüfen. Das Ermittlungsverfahren sei mangelhaft gewesen. Auf der Grundlage eines ausreichenden Ermittlungsverfahrens hätte die belangte Behörde ihre Entscheidung begründen müssen. Es liege ein wesentlicher Verfahrensmangel vor.

Auch mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin nicht im Recht. Gemäß § 37 AVG ist u.a. Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen. Im vorliegenden Fall konnte allein auf Grund des anzuwendenden Bebauungsplanes der Widerspruch der in dem angeführten Bescheid bewilligten Erschließungsstraße zu dem im Bebauungsplan vorgesehenen Straßenverlauf festgestellt werden. Die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Sachverhaltsgrundlagen waren der Bescheid vom und der anzuwendende Bebauungsplan. Im Übrigen legt die Beschwerdeführerin nicht dar, auf Grund welcher Umstände, die durch einen Ortsaugenschein oder ein Sachverständigengutachten festgestellt hätten werden können, die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Vielmehr gesteht sie im Rahmen dieses Vorbringens selbst zu, dass die tatsächlich gebaute Aufschließungsstraße von dem im Bebauungsplan vorgesehenen Straßenverlauf abweicht.

Sofern die Beschwerdeführerin geltend macht, es liege eine öffentliche Verkehrsfläche vor, auf die das Stmk. Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1964 anzuwenden sei, weshalb die Errichtung der Straße gemäß § 3 Abs. 1 Stmk. BauG nicht in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes falle und somit baurechtlich überhaupt nicht bewilligungspflichtig sei, genügt es darauf hinzuweisen, dass Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ein rechtskräftiger Baubescheid und die Frage ist, ob dieser rechtskräftige Bescheid im Widerspruch zu dem in diesem Gebiet geltenden Bebauungsplan steht. Der Umstand, dass dieser rechtskräftige Bescheid allenfalls mit einer anderen Rechtswidrigkeit belastet ist, die für § 32 Abs. 3 Stmk. ROG aber nicht von Bedeutung ist, betrifft die Gesetzmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht. Es war auf dieses Vorbringen daher nicht weiter einzugehen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Da die mündliche Erörterung der vorliegenden Beschwerdesache eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von der beantragten Verhandlung abgesehen werden. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war auch nicht unter dem Aspekt des Art. 6 MRK erforderlich, da in der Beschwerde keine Tatfragen aufgeworfen werden (vgl. Urteil des EGMR vom , Fall FREDIN Nr. 2). Dass der Verlauf der vom verfahrensgegenständlichen Baubewilligungsbescheid erfassten Straße und der im Bebauungsplan vorgesehenen Straße nicht übereinstimmen, wird auch in der Beschwerde nicht bestritten.

Wien, am