VwGH vom 08.11.1995, 95/03/0123
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde der Jagdgenossenschaft W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in H, gegen die Niederösterreichische Landesregierung wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit betreffend Jagdgebietsfeststellung, zu Recht erkannt:
Spruch
Gemäß § 42 Abs. 4 erster Satz VwGG wird der belangten Behörde aufgetragen, binnen acht Wochen den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der Rechtsanschauung zu erlassen, daß die namens des Jagdausschusses der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vom , Zl. 9-J-92124/3, eingebrachte Berufung vom der beschwerdeführenden Partei zuzurechnen ist.
Das Land Niederösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 6.910,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Hinsichtlich der Vorgeschichte wird auf den hg. Beschluß vom , Zl. 93/03/0139, und auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/03/0278, verwiesen. Mit der vorliegenden, am zur Post gegebenen Säumnisbeschwerde macht die beschwerdeführende Partei die Verletzung der Entscheidungspflicht hinsichtlich der Berufung vom geltend.
Die belangte Behörde vertritt in ihrer Stellungnahme zur Säumnisbeschwerde die Auffassung, es läge keine Verletzung der Entscheidungspflicht vor, weil die Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den erstinstanzlichen Bescheid bereits mit dem Bescheid der belangten Behörde vom zurückgewiesen worden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wesentlich ist im vorliegenden Beschwerdefall zunächst, ob die namens des Jagdausschusses der beschwerdeführenden Partei durch Rechtsanwalt Dr. V eingebrachte Berufung vom der beschwerdeführenden Partei zuzurechnen ist. Da der Jagdausschuß keine Rechtspersönlichkeit besitzt und das Einschreiten des Dr. V im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren - wie im hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/03/0278, dargelegt - der beschwerdeführenden Partei zuzurechnen war, mußte die belangte Behörde zumindest Zweifel hegen, ob nicht auch die Berufung vom der beschwerdeführenden Partei zuzurechnen ist. In einem solchen Fall besteht die Verpflichtung der Behörde, sich Klarheit über die Person des Rechtsmittelwerbers zu verschaffen (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 11625/A). Eine derartige Klärung erfolgte jedenfalls mit dem in den Verwaltungsakten erliegenden Schreiben der beschwerdeführenden Partei vom , in dem der belangten Behörde gegenüber klar zum Ausdruck gebracht wurde, daß die Berufung vom der beschwerdeführenden Partei zuzurechnen sei. Es ist somit davon auszugehen, daß diese Berufung von der beschwerdeführenden Partei erhoben wurde.
Zu prüfen ist somit nunmehr, ob die belangte Behörde mit der Entscheidung über diese Berufung im Sinne des § 27 VwGG säumig geworden ist. Diese Frage ist entgegen der Ansicht der belangten Behörde zu bejahen: Wenn die belangte Behörde meint, daß sich ihr Bescheid vom auf diese Berufung bezogen habe, so übersieht sie, daß Gegenstand der genannten Entscheidung nur die Berufung der beschwerdeführenden Partei vom war. Da dieser Schriftsatz keine Ergänzung der Berufung vom , sondern ein formell selbständiges, inhaltlich aber über diese Berufung nicht hinausgehendes Rechtsmittel darstellt, welches - wie im hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/03/0278, ausgeführt - nicht innerhalb offener Berufungsfrist eingebracht worden war, bildete er auch keine Einheit mit der - rechtzeitig eingebrachten - Berufung vom (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, Rz 517). Daß die Erledigung der belangten Behörde vom , mit der die Berufung vom als Berufung des Jagdausschusses der beschwerdeführenden Partei "mangels Parteistellung des Berufungswerbers" als unzulässig zurückgewiesen wurde, keine Bescheidqualität besitzt, wurde bereits im hg. Beschluß vom , Zl. 93/03/0139, aufgezeigt. Schon aus diesem Grund kann diese Erledigung nicht als Entscheidung über die vorliegende Berufung der beschwerdeführenden Partei gewertet werden.
Zusammenfassend ergibt sich daher, daß die belangte Behörde bisher noch nicht über die Berufung der beschwerdeführenden Partei vom abgesprochen hat. Da diese Berufung bereits am bei der erstinstanzlichen Behörde einlangte, ist die Säumnisbeschwerde im Grunde des § 27 VwGG zulässig.
Die Voraussetzungen zur Entscheidung über die Säumnisbeschwerde in der Sache selbst (§ 42 Abs. 4 VwGG) sind gegeben, weil die belangte Behörde innerhalb der ihr mit Verfügung vom (zugestellt am ) gemäß § 36 Abs. 2 VwGG gesetzten Frist von drei Monaten den versäumten Bescheid nicht erlassen hat.
Gemäß § 42 Abs. 4 erster Satz VwGG hat es der Verwaltungsgerichtshof für zweckmäßig erachtet, sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung der aus dem Spruch ersichtlichen Rechtsfrage zu beschränken.
Die Kostenentscheidung beruht im Rahmen des Begehrens auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil Stempelgebührenersatz nur im erforderlichen Ausmaß zuerkannt werden kann.
Fundstelle(n):
SAAAE-33060