VwGH vom 15.01.1986, 85/13/0186

VwGH vom 15.01.1986, 85/13/0186

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Iro und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Dorner, über die Beschwerde des HB in B, vertreten durch Dr. Ludwig Riemer, Rechtsanwalt in Wien I, Graben 27, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom , Zl. B 2057/1/6/IV/6/85, betreffend Aufhebung von Bescheiden gemäß § 299 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Finanzamt Baden hat mit in Rechtskraft erwachsenen Berufungsvorentscheidungen vom 28. bzw. den Berufungen des Beschwerdeführers gegen die Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1973 bis 1976 in einem strittigen Punkt stattgegeben; im übrigen hat der Beschwerdeführer seine damaligen Berufungen zurückgezogen.

Diese Berufungsvorentscheidungen hat die nunmehr belangte Behörde als Oberbehörde mit Bescheid vom gemäß § 299 Abs. 2 BAO wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Diesen Aufhebungsbescheid bekämpfte der Beschwerdeführer mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Mit seinem Erkenntnis vom , Zl. 84/13/0255, auf welches zur Vermeidung von Wiederholungen hinsichtlich des näheren Sachverhaltes verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der belangten Behörde vom wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom hob die belangte Behörde, nunmehr gestützt auf § 299 Abs. 1 lit. c sowie § 299 Abs. 2 BAO die oben genannten Berufungsvorentscheidungen des Finanzamtes Baden neuerlich auf.

Dagegen richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Beschwerde gemäß § 35 Abs. 2 VwGG Stellung genommen und beantragt im Ergebnis die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem Dreiersenat gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG erwogen:

Gemäß § 302 Abs. 1 BAO sind Maßnahmen gemäß § 299 Abs. 1 und 2 nur bis zum Ablauf eines Jahres nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides zulässig. Eine Hemmung dieser Frist für die Dauer eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sieht das Gesetz nicht vor.

Gemäß § 108 Abs. 2 BAO enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monates, der durch seine Benennung oder Zahl dem für den Beginn der Frist maßgebenden Tag entspricht; fehlt dieser Tag in dem letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monates.

Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß die Jahresfrist im Sinne des § 302 Abs. 1 BAO kalendermäßig bereits längst abgelaufen war, als die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid erließ. Während der Beschwerdeführer daraus die fehlende Berechtigung der belangten Behörde zur Erlassung ihres neuerlichen, gemäß § 299 BAO aufhebenden Bescheides ableitet, hat sich die belangte Behörde auf den Standpunkt gestellt, die Rechtssache sei durch das aufhebende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 42 Abs. 3 VwGG in die Lage zurückgetreten, in der sie sich vor Erlassung des damals angefochtenen Bescheides befunden habe, weshalb der Behörde ab Zustellung des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes der im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides vom noch nicht abgelaufene Rest der Jahresfrist gemäß § 302 Abs. 1 BAO für eine Maßnahme nach § 299 BAO wieder offen gestanden sei.

Mit dieser Auffassung verkennt die belangte Behörde die Rechtslage. § 42 Abs. 3 VwGG bewirkte im Beschwerdefall nur die Beseitigung des gemäß § 299 BAO aufhebenden Bescheides der belangten Behörde vom aus dem Rechtsbestand, nicht aber einen von der Regel des § 108 Abs. 2 BAO abweichenden Fristablauf. Letzterer hätte einer positiven gesetzlichen Anordnung bedurft, wie sie etwa im Bereich der verwaltungsstrafrechtlichen Verjährung durch die Anfügung des Abs. 3 an § 31 VStG 1950 ("Die Zeit eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof oder dem Verwaltungsgerichtshof ist in diese Frist nicht einzurechnen") durch Art. I Z. 1 der VStG-Novelle BGBl. Nr. 299/1984 vorgenommen wurde.

Nach Aufhebung eines Bescheides durch ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde anläßlich der Fortführung und eines allfälligen neuerlichen Abschlusses des Verfahrens eine inzwischen eingetretene Änderung des Sachverhaltes ebenso wie eine inzwischen eingetretene Änderung der Rechtslage zu berücksichtigen (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1107/50, vom , Zl. 1710/55, vom , Zl. 83/04/0208, u.a.). Eine solche Änderung des Sachverhaltes stellt der inzwischen eingetretene Ablauf der Jahresfrist nach § 302 Abs. 1 BAO dar. Dadurch, daß die belangte Behörde dies nicht beachtet hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 37 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 243.

Wien, am